Fernverkehr
1. Okt 2001
Die Deutsche Bahn AG plant, den Personenfernverkehr auf den Schienenwegen des Bundes neu zu ordnen und dabei im Jahr 2001 und im Jahr 2003 auf Züge des Fernverkehrs - insbesondere Interregio-Züge - zu verzichten. Dies betrifft Angebote des Personenfernverkehrs; jedoch beabsichtigt die DB AG, Angebote des Schienen-Personenfernverkehrs in Nahverkehrsaufgaben der Bundesländer zu integrieren. Das hätte zur Folge, daß die Bundesländer zusätzliche Aufgaben des Fernverkehrs mit Geldern bezahlen, die vom Bund für Aufgaben des Nahverkehrs gemäß dem Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz) gewährt werden.
Maßgeblich für die Bundesregierung ist die Definition des Begriffes „Öffentlicher Personennahverkehr" (ÖPNV) in §2 des Regionalisierungsgesetzes (RegG): „Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt."
Innerhalb der Konzernsparte „Reise & Touristik" der DB AG wird der Interregio (IR) im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) als „schnellfahrender Reisezug mit gehobenem Komfort" geführt. Die mittlere Reiseentfernung beim IR liegt über der für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) definierten Schwelle von 50 km. Damit ist das Zugangebot IR dem SPFV zuzuordnen.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei der Abgrenzung des SPFV gegenüber dem SPNV in erster Linie die Zuggattung als signifikante Einflußgröße gilt. Sie ist sich der Tatsache bewußt, daß die jeweiligen Zugarten sowohl von Fern- als auch von Nahverkehrsreisenden genutzt werden.
Das Zugangebot der DB AG im Fernverkehr gehört seit der Bahnreform zum ausschließlich eigenverantwortlichen unternehmerischen Bereich der nach dem Aktiengesetz arbeitenden Gesellschaft. Es ist Aufgabe des Unternehmens selbst, das Angebot darauf hin zu beobachten, wie es vom Markt angenommen wird, und entsprechend Anpassungen an die Nachfrage vorzunehmen. Hierzu gehört auch die versuchsweise Einführung von Fernverkehrsangeboten auf bestimmten Strecken und die Aufgabe von Leistungen bei ungenügender Wirtschaftlichkeit. Dabei kommt es nicht darauf an, möglichst viele Zugkilometer zu fahren, sondern darauf, wirtschaftlich effektiv dem tatsächlichen Beförderungsbedarf zu entsprechen. Die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen der DB AG, weiterhin neue Angebote mit den Ländern abzustimmen.
Den Ländern bleibt es unbenommen, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit der DB AG Vereinbarungen hinsichtlich der Kombination von Nah- und Fernverkehr zu treffen. Der Bund ist bei diesen Verhandlungen nicht beteiligt.
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen verfügt über folgende Angaben bezüglich der Entwicklung der Verkehrsleistungen im SPNV, bezogen auf die Jahre 1995, 1996 und 1998 bzw. 1999 (siehe Tabellen auf Seite 17).
Nähere Angaben bezüglich der Aufteilung der Verkehrsleistungen auf Zuggattungen bzw. auf Bundesländer liegen der Bundesregierung nicht vor. Zahlen für 1999 wurden seitens der DB AG bislang nicht mitgeteilt. Eine Auskunftspflicht der Länder über die Verwendung der vom Bund nach dem Regionalisierungsgesetz gezahlten Mittel besteht nicht.
Nach Artikel 87e Absatz 4 GG gewährleistet der Bund, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, bei Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz (soweit diese nicht den SPNV betreffen) Rechnung getragen wird. Der Bund nimmt grundsätzlich seine Verantwortung für beide Bereiche wahr, in dem er investitionen in die Schienenwege finanziert, weil damit auch das Verkehrsangebot verbessert werden kann. Grundlage hierfür ist das Bundesschienenwegeausbaugesetz.
Ist die Bundesregierung bereit, zusätzliche Finanzmittel des Bundes für die DB AG oder für die einzelnen Bundesländer zur Bezahlung von Personenfernverkehr der Bundesländer zu vermeiden?
Wenn ja, in welcher Höhe und unter welchen Vorgaben, insbesondere unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen?
Wenn nein, wie will die Bundesregierung gewährleisten, daß dem Wohl der Allgemeinheit und den Verkehrsbedürfnissen bein den Verkehrsangeboten auf den Schienenwegen des Bundes (soweit diese nicht den SPNV betreffen) Rechnung getragen wird?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, zusätzliche Finanzmittel des Bundes für die DB AG zur Bezahlung von Verkehrsleistungen im Personenfernverkehr einzusetzen
Sie konzentriert sich auf die Finanzierung von Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes. Die DB AG und andere Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen damit in die Lage versetzt werden, ihr Fernverkehrsangebot unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte nachfragegerecht zu gestalten.
Die Länder erhalten 2001 Mittel nach dem RegG in Höhe von rund 13,4 Mrd. DM. Dieser Betrag reicht aus, um nicht nur Verkehrsleistungen entsprechend einem Grundangebot nach RegG §8 Absatz 1 (Angebot des Fahrplanes 1993/1994), sondern weit darüber hinaus zu bestellen. Insofern sieht die Bundesregierung für die Bereitstellung zusätzlicher Mittel an die Bundesländer keine Notwendigkeit.
Antwort der Bundesregierung vom 19.03.2001 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS, Drucksache 14/5524.
Dr. Winfried Wolf, PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag
aus SIGNAL 6/2001 (September-Oktober 2001), Seite 17-18