Titelthema Flughafen-Anbindung BER
Alle reden über den Flughafen Berlin Brandenburg, doch die Verzögerungen beim Wiederaufbau der Dresdener Bahn sind ebenfalls gravierend – gerade auch für Flugreisende
6. Mai 2013
Im Januar 2013 wurde der Eröffnungstermin für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) zum bereits vierten Mal verschoben – dieses Mal auf unbestimmte Zeit. Derzeit ist davon auszugehen, dass der Flugbetrieb nicht vor 2015 aufgenommen werden kann. Im Eisenbahnjahresfahrplan 2014 ist die Anbindung des neuen Tunnelbahnhofs „Flughafen Berlin Brandenburg – Willy Brandt“ derzeit jedenfalls nicht enthalten.
Dabei war die Deutsche Bahn mit der Fertigstellung ihrer Anlagen ausnahmsweise pünktlich fertig geworden. Der Tunnelbahnhof hätte zum ursprünglichen Eröffnungstermin im Oktober 2011 angefahren werden können.
Fahrgäste haben zum fast vollständig fertiggestellten Tunnelbahnhof unterhalb des Terminals keinen Zugang, auch nicht solche, die auf die Flughafenbaustelle wollen. Um Schimmelbildung an den neuen Betonwänden zu vermeiden, sind allerdings Belüftungsfahrten erforderlich. Deshalb
fahren täglich einige S-Bahn-Züge ohne Fahrgäste durch den Tunnel.
Auch der oberirdische S-Bahnhof Waßmannsdorf wird bis zur Flughafeneröffnung nicht genutzt und von den Belüftungszügen ohne Halt durchfahren.
Attraktiv wird die Bahnerschließung, vor allem die S-Bahn-Anbindung, allerdings nicht werden. Die S-Bahn wurde nicht auf kürzestem Weg von der Berliner Innenstadt über Lichtenrade zum BER gebaut, sondern vom alten Schönefelder Flughafenbahnhof in einem großen Bogen von Westen in den Tunnelbahnhof geführt. Das kostet die Fahrgäste unnötig viel Fahrzeit und die Besteller Berlin und Brandenburg unnötig viel Geld. Fahrgäste zur City Ost werden rund 45 Minuten, zur City West fast 60 Minuten benötigen.
Schneller geht es mit Regionalzügen – falls das Ziel in der Nähe von einem der angefahrenen Fern- bzw. Regionalbahnhöfe in Berlin oder Brandenburg liegt. Die Planung, mit dem Flughafenexpress RE 9 in nur 20 Minuten vom Berliner Hbf über Südkreuz nach BER zu gelangen, wird allerdings noch lange nicht realisiert werden können. Denn solange die Dresdener Bahn zwischen Berlin Südkreuz und Blankenfelde nicht wieder aufgebaut ist, müssen die Züge ab Südkreuz über die Anhalter Bahn und den Berliner Außenring zum Flughafenbahnhof fahren.
Damit benötigt der Flughafenexpress nicht nur rund 30 statt 20 Minuten und kann maximal halbstündlich verkehren, sondern er ist zugleich sehr anfällig für Verspätungen. Zum einen ist die Anhalter Bahn mit Fern- und Regionalzügen gut belegt und weist bei der nur eingleisigen Verbindungskurve zum Berliner Außenring einen schwerwiegenden Engpass auf. Zum anderen ist der Außenring Bestandteil des Transeuropäischen Netzes (TEN) mit internationalem Güterverkehr, der wachsen wird und Vorrang hat.
Wäre der Wiederaufbau der Dresdener Bahn in den zwei Jahrzehnten seit der deutschen Wiedervereinigung ähnlich konsequent verfolgt worden, wie der Ausbau des deutsch-deutschen Straßennetzes, dann wäre der BER von Berlin aus zumindest mit Regionalzügen schnell und zuverlässig erreichbar. An dem Verzug hat das Land Berlin eine wesentliche Mitschuld. Es hat sich der Forderung von Bürgern angeschlossen, dass die Dresdener Bahn den Ortsteil Lichtenrade in einem Tunnel durchfahren muss, und die Planfeststellungsunterlagen der Bahn über längere Zeit (rechtswidrig) nicht öffentlich ausgelegt.
Der Tunnelforderung kann und will sich die Deutsche Bahn nicht anschließen. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat zwar großes Verständnis für die Ängste der Bürger und teilt die Kritik, dass Lichtenrade nicht durch gigantische Lärmschutzwände zerschnitten werden darf, aber ein Tunnel in einem einzelnen Ortsteil ist keine Lösung. Für den Lärmschutz beim Schienenverkehr müssen und werden hoffentlich bald stadtverträglichere Lösungen gefunden. Erste Ansätze bei den Fahrzeugen, dem Oberbau und mit niedrigen Schallschutzwänden gibt es bereits (siehe u.a. SIGNAL 3/2007 und 1/2010 ).
Zwar besteht die Chance, die beiden Planfeststellungsverfahren für den Wiederaufbau auf Berliner Gebiet noch 2013 abzuschließen, aber für den Abschnitt im Land Brandenburg werden die überarbeiteten Planfeststellungsunterlagen im Jahr 2013 erst (erneut) öffentlich ausgelegt. Berücksichtigt man, dass gegen die Planfeststellung ohne Tunnel wahrscheinlich noch geklagt wird und dass auch die Ausschreibung der Bauleistungen rechtlich immer schwieriger und damit langwieriger wird, dann ist mit einer Wiederinbetriebnahme der Dresdener Bahn zwischen Berlin Südkreuz und Blankenfelde nicht vor 2022 zu rechnen.
Zum nächsten Fahrplanwechsel plant der VBB eine „vorfristige“ verbesserte Flughafenanbindung. Der Zug würde wie die RB 14 Süd von Senftenberg über Lübben und Königs Wusterhausen nach Flughafen Schönefeld (alt) fahren und dann weiter als Flughafenexpress über Außenring, Anhalter Bahn und Südkreuz zum Berliner Hauptbahnhof, eventuell sogar bis Gesundbrunnen. Planungsname beim VBB für diese Linie ist RB 19. Allerdings betont der VBB, dass die Realisierung noch nicht bestätigt ist.
Doch schon ab 2015 oder 2017 ist die Fahrt des Flughafenexpress über die Anhalter Bahn wieder gefährdet. 2015 soll mit der Neubaustrecke Leipzig/Halle—Erfurt ein weiterer Abschnitt des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8) in Betrieb genommen werden. 2017 soll der Abschnitt Erfurt—Ebensfeld folgen. Spätestens dann will die Deutsche Bahn ihre ICE-Linie 12 Berlin—Frankfurt am Main nicht mehr über Braunschweig—Kassel, sondern über Erfurt führen. Damit muss wahrscheinlich eine RE-Linie von der Anhalter Bahn heruntergenommen werden. Und hierfür bietet sich der Flughafenexpress eher an als die „Durchläufer“ RE 3, 4 und 5.
Alle schreiben (und spotten) über den „Absturz“ des Flughafenprojektes. Das ist verständlich. Aber die Dauerkrise beim Wiederaufbau der Dresdener Bahn ist für die Bahnfahrgäste der Region sowie im Fernverkehr nach Sachsen und Tschechien ähnlich gravierend. Dabei werden die Probleme als Folge der fehlenden Bahnstrecke für viele Jahre auch und gerade die Erreichbarkeit des Flughafens erschweren.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 2/2013 (Mai 2013), Seite 7-9