Der Bahnhofsvorsteher informiert
Schwerpunkt Fahrgastrechte & Tarife
6. Mai 2013
BVG-Tarif. Doch der VBB-Tarif ist mehr. Das scheinen allerdings auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) noch immer nicht verstanden zu haben. Sehr zum Verdruss von Fahrgästen, die mal aus Berlin heraus fahren wollen.
Begleiten wir den spontan ausflugslustigen Rudi Rübezahl auf seiner Fahrt von Wendenschloß in Berlin-Köpenick nach Templin Stadt. Da er nur Gelegenheits-ÖPNV-Nutzer ist, hat er keine Zeitkarte, die er in Berlin nutzen könnte. Im Internet hat er sich in der VBB-Fahrinfo eine Verbindung gesucht und auch den Fahrpreis erkundet. Eine normale Fahrkarte kostet 9,40 Euro. Da er öfter mal beruflich mit der Bahn verreist, hat er eine BahnCard25, mit der er die ganze Fahrt zum Ermäßigungstarif für nur 7 Euro machen kann.
Es ist Sonnabend kurz nach sechs Uhr morgens,
und Rudi steigt in die Straßenbahn. Zielstrebig geht er zum Fahrkartenautomaten, um das gewünschte Ticket zu kaufen. Doch Fehlanzeige: So sehr er sich bemüht, er kann neben zahlreichen unbelegten Automatentasten nur solche erkennen, die Angebote für die Tarifzonen Berlin AB, BC oder ABC feil bieten, jedoch keine nach Templin. So eine Verschwendung, wundert er sich, auf den vielen freien Tasten hätte man doch bestimmt auch ein paar andere Tarife unterbringen können. Wäre er mit seiner Frau Frieda zusammen gefahren, hätte er jetzt bestimmt ein Brandenburg-Berlin-Ticket genommen.
Erst einmal eine Fahrkarte kaufen, so weit wie man kommt. Berlin ABC zum Ermäßigungstarif für 2,20 Euro, damit geht’s schon mal bis nach Oranienburg. Doch Halt! Als er zahlen will, fällt ihm ein, dass er einmal Ärger bekommen hatte, weil seine BahnCard- Ermäßigung nicht gilt, wenn der Fahrschein nur für die ABC-Zonen in und um Berlin gültig ist. Und, wie will er einem Kontrolleur beweisen, dass er eigentlich noch weiter will? Also wählt er zähneknirschend einen normalen Einzelfahrschein Berlin ABC für 3,10 Euro.
Am S-Bahnhof Köpenick angekommen geht unser Fahrgast zum Automaten und freut sich, einen Anschlussfahrschein kaufen zu können. Er kramt seinen Verbindungsausdruck aus der Tasche, um zu schauen, wie es denn ab Oranienburg weiter geht. Er wählt die Relation Oranienburg—Templin aus und stellt fest, dass er für die Tarifzone Berlin C eigentlich schon eine Fahrkarte hat. Aber wie heißt die nachfolgende Brandenburger Tarifwabe? Während Rudi vergeblich nach dieser Information sucht, da der aushängende Plan ja nur Berlin ABC zeigt, kommt auch schon die S-Bahn, und so fährt er weiter nach Ostkreuz.
Da unser Herr Rübezahl hier glücklicherweise mehr Umsteigezeit hat, macht er einen kleinen Umweg zum Fahrkartenschalter und schildert sein Problem, dass er eine Fahrkarte ab der Wabe hinter Oranienburg benötige. Der freundliche Verkäufer widerspricht unserem Fahrgast und erklärt, dass er mit diesen beiden Fahrkarten Ärger mit dem Busfahrer in Oranienburg bekommen würde und das Zwischenstück nachzahlen müsste. Die ABC-Karte gilt nur bis zur letzten Haltestelle in Berlin C, die anschließende Fahrkarte aber erst ab der ersten Haltestelle in der Nachbarzone. Dazwischen wäre Rudi „schwarz“ gefahren, oder er hätte die eine Haltestelle laufen müssen. Die Folgekarte muss laut VBB-Tarif (Teil B – 5.5.) von einer Haltestelle gelten, die der Fahrgast mit seiner ersten Fahrkarte erreichen kann. Zwangsläufig wird die Zone, in der sich diese Haltestelle befindet, zweimal bezahlt.
Wenigstens kann er jetzt seine BahnCard zur Anwendung bringen und zahlt für die Strecke Oranienburg—Templin nur 5,90 statt 8,00 Euro. Na toll, denkt sich Rudi Rübezahl, eigentlich wollte er doch einen Fahrschein von Wendenschloß nach Templin für 7 Euro haben. Jetzt zahlt er insgesamt 9 Euro. Kann man das nicht irgendwie verrechnen? Nein, sagt der VBB-Tarif Teil A – §6 Abs. 2 (2): „Ein Anspruch auf Anrechnung des erstgelösten Fahrausweises auf den tarifmäßigen Preis zwischen Ausgangs- und Zielpunkt besteht nicht.“ Enttäuscht setzt Rudi zwei Euro ärmer seinen Ausflug fort, nicht ohne sicherheitshalber die Fahrkarte für die komplette Rückfahrt gleich mitgekauft zu haben.
Der VBB-Tarif sagt im Teil B – 3.2. leider JA: „Es ist nicht in jedem Fall möglich, das gesamte Fahrausweissortiment bzw. Fahrausweise für alle Relationen an allen Verkaufseinrichtungen zu erhalten.“ Nicht gut, findet das der Berliner Fahrgastverband IGEB. Nach ihm vorliegenden Informationen ist die BVG zwar dabei, neue Fahrkartenautomaten mit mehr Tarifspeicherplätzen anzuschaffen, jedoch sollen diese immer noch unzureichend sein, um das gesamte Angebotsspektrum des Verkehrsverbundes abzudecken. Beim heutigen Entwicklungsstand der Computertechnologie unverständlich. Die BVGeigenen stationären Automaten auf den U-Bahnhöfen beweisen es ja. Die BVG hat mit der Neuanschaffung der Automaten die Möglichkeit, zukunftsfähige und flexibel erweiterbare Geräte zu besorgen. Sie darf nicht den Fehler machen, solche auszuwählen, die nicht einmal mehr die gegenwärtigen Erfordernisse des gesamten VBB-Tarifes erfüllen können.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB sagt: NEIN! Es ist unverantwortlich, Rudi Rübezahl und all die anderen betroffenen Fahrgäste dafür bluten zu lassen, nur weil Verkehrsunternehmen nicht die erforderlichen, tariflich korrekten Fahrkarten verkaufen können (oder wollen). Hier ist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg in zweifacher Hinsicht in der Pflicht:
Was nutzt ein landesweiter Verbundtarif, wenn dieser nicht vollumfänglich genutzt werden kann!? (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 2/2013 (Mai 2013), Seite 16