Brandenburg
Viele Fahrgäste der RegionalExpress Linie 5 sind unzufrieden über das Angebot. Die Probleme sind seit dem letzten Fahrplanwechsel so dringend wie nie zuvor. Die IGEB hat ein Konzept für die Entspannung der Situation auf dem RE 5 ausgearbeitet.
1. Mär 2002
Der RE 5 durchquert auf seinem langen Laufweg ganz Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Nord-Süd-Richtung. Dazwischen geht die Route über die Berliner Stadtbahn (allerdings in West-Ost-Richtung; siehe Zeichnung). Er besteht aus zwei im Zweistundentakt befahrenen Ästen, die auf dem gemeinsamen Abschnitt zwischen Luckau-Uckro und Neustrelitz einen Stundentakt ergeben (die Linienäste haben wir der besseren Verständlichkeit halber mit den Zusätzen a und b gekennzeichnet):
RE 5a: Elsterwerda - Luckau-Uckro - Wünsdorf - Berlin-Stadtbahn - Neustrelitz - Rostock
RE 5b: Hoyerswerda - Finsterwalde - Luckau-Uckro - Wünsdorf - Berlin-Stadtbahn - Neustrelitz - Stralsund.
Der RE 5 ist das Sorgenkind im Regionalverkehr des Landes Brandenburg. Besonders zugespitzt hat sich die Lage auf dem Abschnitt Berlin - Rostock, wo der RE 5 seit Fahrplanwechsel 2001 die gestrichenen Interregios ersetzen soll. Die Lage in dieser Relation ist gekennzeichnet durch:
Seitens der Bahn werden diese Schwierigkeiten entweder als objektiv unlösbar (zu kurze Bahnsteiglängen) dargestellt oder die Lösung auf die Zeit nach einem Streckenausbau auf 160 km/h Höchstgeschwindigkeit und den Bau des Nord-Süd-Tunnels verschoben.
In Wirklichkeit sind aber fast alle dieser Probleme von der Bahn hausgemacht und mit minimalem Aufwand zu lösen.
Hauptursache vieler Schwierigkeiten sind die sich völlig widersprechenden Ziele, die die Bahn mit diesen Zügen gleichzeitig erreichen will.
Im Lande Brandenburg soll er ein Zubringer nach Berlin sein, im Berliner Raum fungiert er als „Airport-Express" und S-Bahn-Vorlauf nach Falkensee und in Mecklenburg schließlich soll er als Ersatz des gestrichenen Fernverkehrs nach Rostock dienen. Diese Ziele sind aus Sicht der jeweiligen Besteller alle völlig berechtigt. Jedoch führt der Versuch der Bahn, diese Ziele mit einem einzigen Zug zu erreichen, zu vielen Problemen:
Dies hat zwei Gründe: Einerseits wurde der Fahrplan sehr straff gehalten, um zumindest pro forma trotz mehr Halten keine längeren Fahrzeiten gegenüber den gestrichenen Interregios zu bekommen. Verspätungen dürfen deshalb nicht vorkommen. Andererseits dauern die häufigen Fahrgastwechsel im Berliner Raum dank des eingesetzten Wagen materials länger als bei anderen Zügen. Die drei ehemaligen IC/IR-Wagen sollen den Langstreckenreisenden wenigstens Sitzkomfort bieten.
Der Einsatz von RE 160-Wagen (derzeit ein Umlauf zur Berufsverkehrsspitze) ist hier auch keine Lösung, denn diese sind auf langen Strecken unkomfortabel und fehlende Gepäckabstellmöglichkeiten machen sie für den Fernverkehr ungeeignet.
Die katastrophal lange Fahrzeit der Relation Berlin - Rostock macht den Zug unattraktiv. Das letzte ist zum Teil der noch fehlenden Nord-Süd-Verbindung durch Berlins Zentrum geschuldet. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Ein Gutteil der Verzögerung liegt darin begründet, dass wegen der Durchbindung über die Stadtbahn die Züge einen großen Umweg über Falkensee machen müssen.
Eine kleine Recherche mit der Fahrplanauskunft bringt es an den Tag: Selbst von Berlin Friedrichstraße findet sich eine Verbindung, mit der trotz dreimaligem Umsteigen (S-Bahn nach Ostkreuz und Lichtenberg, Regionalbahn nach Oranienburg) dort der vorher aus Friedrichstraße abgefahrene Zug noch erreicht wird:
Berlin Friedrichstraße | 6.38 | S 3 |
Berlin Ostkreuz | 6.53 | S 7 |
Berlin Lichtenberg | 6.56 | RB |
Oranienburg | 7.28 | 7.32 RE |
Rostock Hbf | 9.40 |
Berlin Friedrichstraße | 6.36 | RE |
Rostock Hbf | 9.40 |
Für Reisende von Alexanderplatz oder Ostbahnhof ist dieser Fahrzeitunterschied zuungunsten des direkten RE noch entsprechend größer.
Für die Lösung der genannten Probleme des RE 5, dass heisst, die Bereitstellung von zusätzlicher Kapazität auf der Stadtbahn und Trennung des Berliner Vorortverkehr vom Fernverkehr nach Rostock bei gleichzeitiger Reduktion der Fahrtzeiten gibt es eine Lösung, die ohne Mehrbedarf an knappen Stadtbahntrassen und an Zugkilometern auskommt.
Der Verkehr nach Rostock wird wieder von Osten in Berlin eingefädelt, wie dies bis vor einigen Jahren der Fall war.
Von Ostbahnhof nach Oranienburg kann man es so - orientiert man sich an den derzeit dort vom RE 3 bzw. der RB 12 gefahrenen Fahrzeiten - in ca. einer halben Stunde schaffen. Das ist die Hälfte der derzeit von den direkten RE benötigten Zeit! Von Alexanderplatz bzw. Friedrichstraße geht es immer noch etwa 20 bzw. 15 Minuten schneller als jetzt. Lediglich von Zoo benötigt man etwa fünf Minuten mehr. Dieser kleine Nachteil wird jedoch durch den Vorteile einer wesentlich schnelleren Erschließung der Mitte und des Ostens der Stadt weit mehr als nur wettgemacht.
Den (geringen) Verkehr zwischen Spandau/Falkensee und Oranienburg kann zu diesen Stunden die RB 12 aus Templin (statt der bisherigen Führung nach Lichtenberg) oder eine verlängerte RB 20 aus Oranienburg über Hennigsdorf nach Spandau/Charlottenburg/Jungfernheide übernehmen.
Zur Vermeidung einer neuen Trasse auf der Stadtbahn kann man den bisherigen Rostocker Ast des RE 5a mit den derzeit aus Magdeburg am Berliner Ostbahnhof endenden IR (von Sachsen-Anhalt mitfinanziert) verknüpfen. Auf diese Weise lassen sich auch weiterhin alle Stadtbahnhöfe von Rostock aus erreichen.
Der Südast des RE 5a von Elsterwerda bis Berlin sollte statt nach Rostock künftig als Vorortverkehr nach Nauen geführt werden. Dieser Zug kann dann auf die primären Berliner Bedürfnisse ausgerichtet und dann mit hoher Fassungskapazität bei kurzer Zuglänge, also Doppelstockwagen, verkehren.
Die Führung des RE 5b kann wie bisher bestehen bleiben.
Als weitere Entlastung der RE 5-Züge auf der Falkenseer Vorortstrecke sollte auch der RE 6 alle Halte in diesem Bereich bedienen.
Auf diese Weise lassen sich ohne großen Mehraufwand viele der Probleme lösen, die die Fahrt auf den Nordast des RE5 derzeit so unattraktiv machen.
Das bisherige unattraktive Angebot könnte möglicherweise unangenehme Folgen für die Bahn haben. Die private Connex-Gruppe will der DB AG auf der Relation Berlin - Rostock Konkurrenz machen: Ab März sollen täglich Connex-Züge von Berlin-Lichtenberg nach Rostock fahren. Gerade durch den Verzicht des Umweges über Spandau möchte man durch kürzere Fahrzeiten der Bahn Kunden abspenstig machen.
Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik, dass der Regio-Chef von Connex Deutschland, Hans Leister, in seiner früheren Tätigkeit als Regionalbereichsleiter Berlin-Brandenburg und als Konzernbeauftragter Brandenburg der DB AG bei der damaligen Entscheidungsfindung vielleicht nicht ganz unbeteiligt gewesen ist. So oder so bleibt zu hoffen, dass die Konkurrenz zu Verbesserungen für den Bahnkunden beitragen wird.
IGEB, Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 1/2002 (Februar/März 2002), Seite 25-26