Überregional

Hybrid-Straßenbahn Twino in Nordhausen

Nachdem lange Zeit fast nur eine Erschließung durch den Motorisierten Individualverkehr (MIV) oder mittels Busverkehr inklusive aller daraus resultierenden Nachteile favorisiert wurde, hat in den letzten Jahren ein Umdenkprozess eingesetzt.


DBV Potsdam-Mittelmark

1. Nov 2002

Vermehrt werden Städte und ihr Umland mit leistungsfähigen Systemen des Schienen-Nahverkehrs verbunden. Um die Vorteile des innenstädtischen Schienenverkehrs, wie hohe Angebotsdichte, komfortable Fahrzeuge, hohe Beschleunigungswerte, zu nutzen sowie möglichst viele Direktverbindungen anzubieten, wurde das „Karlsruher Modell" (Straßenbahn fährt auf DB-Gleisen) eingeführt.

Befördert durch diese Erfolgsgeschichte entstanden bzw. sollen verschiedene weitere Zweisystem-Stadtbahn-Netze in Deutschland entstehen. Den Vorteilen, wie kürzere Reisezeiten, mehr Direktverbindungen, steht der hohe Investitionsbedarf für die Fahrzeuge und gegebenenfalls die Elektrifizierung der benutzten Eisenbahnstrecken gegenüber. Eine kostengünstige Lösung und damit auch für kleinere Ballungsräume praktikabel, ist der Übergang von Verbrennungstriebwagen auf das Liniennetz städtischer Straßenbahnen. Diese Variante wird derzeit in und um Zwickau angewendet.

Nachteilig wirken sich die großen und lauten Fahrzeuge aus, die, da Eisenbahnfahrzeuge, den strengen Normen der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO) genügen müssen. Aufgrund vergleichsweise großer Einstiegshöhen ist auch ein niveaugleicher Einstieg nur durch bauliche Veränderungen an Straßenbahn-Haltestellen zu realisieren.

Der erste Hybrid-Versuchszug in Nordhausen (großes Foto). Innenansicht des UKA im kleinen Bild. Beide Foto: Lutz Wagner

Einen neuen Weg wollen die Stadtwerke Nordhausen in Kooperation mit den Harzer Schmalspurbahnen (HSB) beschreiten. Da sowohl die Harzer Schmalspurbahnen als auch die Straßenbahn Nordhausen eine Spurweite von 1000 Millimeter aufweisen, sollen weitere Kundenpotenziale durch eine Verdichtung des Taktes zwischen Nordhausen und Ilfeld sowie durch Direktverbindungen vom Straßenbahn-Netz auf die Schmalspurstrecke erschlossen werden. Neue Fahrgäste ist für beide Unternehmen ein wichtiger Schritt, um in Zukunft wirtschaftlich zu bestehen.

Eine Elektrifizierung der HSB-Strecke bis Ilfeld wurde aus Kostengründen verworfen. Auch der Einsatz der HSB-Dieseltriebwagen stellte wegen der fahrdynamischen Eigenschaften, der hohen Geräuschentwicklung und der hochflurigen Ausführung der Triebwagen keine befriedigende Lösung da. Das von der Nordhäuser IMG GmbH entwickelte Konzept eines Hybridantriebes für Straßenbahn-Fahrzeuge wird jetzt favorisiert.

Der Grundgedanke ist, dass der Strom für die Fahrmotoren wahlweise aus der Oberleitung entnommen bzw. von einem Verbrennungsmotor mit Generator zur Verfügung gestellt wir. Zuerst wollte man eine Stromerzeugungseinheit aus handelsüblichen Komponenten generieren. Man erkannte aber schnell die technischen Grenzen der derzeit angebotenen Komponenten hinsichtlich Einbaugröße, Lärmemission und des Gewichtes - so wogen die angebotenen Einheiten komplett ca. sechs Tonnen. Also blieb den engagierten Ingenieuren nur die Neuentwicklung geeigneter Komponenten.

Das Ergebnis ist eine leichte und kompakte Stromerzeugungseinheit - das „Ultra-Kompakte-Antriebsaggregat (UKA)". Es setzt sich aus einem handelsüblichen TDI-Motor mit Kühlkreislauf, den Starterbatterien, dem neuentwickelten Generator und der neuentwickelten Hochleistungselektronik zusammen. Das Gewicht konnte auf 400 kg gesenkt werden und kann somit in einen Antriebscontainer integriert auf das Fahrzeugdach neuer Straßenbahn-Wagen montiert werden.

Wie sich Mitglieder des DBV vor Ort überzeugen konnten, funktioniert das Umschalten von Oberleitung auf Verbrennungsmotor ohne Probleme und auch unter Last - es wurde zum Beispiel eine 9 %ige Steigung ohne Probleme befahren. Außerdem sind die Aggregate selbst im Innenraum akustisch kaum wahrzunehmen. In Zukunft sollen je zwei UKA-Container auf insgesamt drei Combinos in Nordhausen montiert werden. Diese sollen ab 2003 dann bis Ilfeld fahren. Im Zuge des kürzlich erfolgten Umbaus des Bahnhofsvorplatzes in Nordhausen wurde bereits eine Verbindungsweiche vom Straßenbahn-Netz zur HSB installiert.

Weiterhin werden derzeit die Haltepunkte an der Strecke modernisiert bzw. zusätzliche Halte aus Fertigteilen angelegt, um einen niveaugleichen Einstieg in die Hybrid-Combinos zu gewährleisten. Somit wird hier zukünftig ein moderner Nahverkehr mit Straßenbahn-Fahrzeugen möglich sein, der neue Kunden für den ÖPNV gewinnt.

Bleibt zu hoffen, dass das Modell Schule macht und bundesweit auch darüber nachgedacht wird, stilllegungsbedrohte Strecken mit solchen Fahrzeugen nach Betriebsordnung für Straßenbahnen statt nach der EBO zu bedienen ...

DBV Potsdam-Mittelmark

aus SIGNAL 5/2002 (November 2002), Seite 13-14