Berlin

Ein Rundgang über den S-Bahnhof Friedrichstraße (unten)

Schön und mangelhaft


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

1. Nov 2002

Mit der Wiedereröffnung des Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels am 13. Oktober 2002 ging auch der völlig umgebaute und sanierte Tiefbahnsteig (Bahnsteig D) des Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße wieder in Betrieb.

Mit der Wiedereröffnung des Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels am 13. Oktober 2002 ging auch der völlig umgebaute und sanierte Tiefbahnsteig (Bahnsteig D) des Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße wieder in Betrieb. Wegen der Bauarbeiten war der Tunnel vier Monate komplett für den S-Bahn-Verkehr gesperrt gewesen. Die zuerst geplante Bauvariante mit etwa 45 Wochenendsperrungen war - auch auf Intervention des Berliner Fahrgastverbandes IGEB - in eine Komplettsperrung nach dem Motto „lieber kurz und schmerzhaft als eine ewige wechselnde Betriebsführung mit Teilsperrungen" umgewandelt worden.

Mit der Inbetriebnahme des Nord-Süd-Tunnels trat auch ein neuer Fahrplan der S-Bahn Berlin GmbH in Kraft, der neben dem Tunnelbetrieb auch für die Ringbahn ein neues Konzept brachte.

Der neu gestaltete Tunnelbahnhof macht baulich einen sehr positiven Eindruck. Es dominieren helle Grautöne, der Bahnsteig wirkt jetzt etwas aufgeräumter als vorher. Die Zugangsmöglichkeiten sind an den Orten geblieben, wo sie waren. Neu hinzugekommen sind zwei Fahrtreppen längs des Bahnsteiges, die die Kapazität des Übergangs zur Stadtbahn bedeutend erhöhen. Damit ist jetzt ein überraschend unkomplizierter Bahnsteigwechsel zwischen Nord-Süd- und Stadtbahnsteig möglich: komplett auf Fahrtreppen mit kürzesten Wegen. Solchen Komfort hatte man in dem noch immer verwinkelten Bahnhof gar nicht erwartet.

Der Verbindungstunnel zur U6 ist mit den historischen Fliesen instandgesetzt worden und zeigt die originale Wandgestaltung von 1936. Auf dem S-Bahnsteig sind die Fliesen komplett durch größere Formate ersetzt worden. Im Zugangsbereich zeigen historische Fotos Ansichten des Tunnelbahnsteiges aus dem Eröffnungsjahr.

S-Bahn-Historiker werden sicherlich das komplette Verschwinden des bisherigen „DDR-Chics" mit den schreiend orangenen Fliesen, der abgehängten Lamellendecke und den Resten des Intershops beweinen. Aber aus Fahrgastsicht scheint der Umbau doch recht gelungen.

Erfreulich ist die Wahl des stumpfen Fußbodenbelags, der ein Ausgleiten unmöglich macht. Gerade in anderen Neubauten der letzten Jahre waren rutschige Fußbodenfliesen ein großer Kritikpunkt (z.B. das Eingangsgeschoss des Bahnhofs Friedrichstraße oder der Übergang vom Bahnhof Potsdamer Platz zum Sony-Center).

Bahnhof Friedrichstaße, Bahnsteig D, nach der Sanierung. Nicht nur der Bahnsteig wurde entrümpelt, bedauerlicherweise fielen dieser Säuberungsaktion auch notwendige Fahrgastinformationen zum Opfer. Foto: Florian Müller
Heutige Ausschilderung. Foto: Florian Müller
Bisherige Informationen. Foto: Florian Müller

Die Wegeleitung auf dem Bahnsteig erfolgt jetzt zum Teil auch in englischer und französischer Sprache - eine Maßnahme, die Berlin sicher gut zu Gesicht steht und die die IGEB schon lange gefordert hat. Das ist aber auch schon das einzige Positve bei der Ausschilderung und Wegeleitung auf dem Bahnsteig. Ansonsten ist nahezu alles falsch gemacht worden.

Die Fallblatt-Zugzielanzeiger sind an sehr ungünstigen Stellen angebracht. Vom Hauptzugang - der Treppe von der Stadtbahn - sind die Zugzielanzeiger entweder sehr weit entfernt oder direkt hinter einer Stütze versteckt, so dass man sich beim Betreten des Bahnsteiges erst um 180 Grad drehen muss, um das Zugziel zu erblicken.

Wegweisungen zu den Ausgängen und Anschlussverkehrsmitteln gibt es nur punktuell direkt am jeweiligen Ausgang. Und diese Schilder verstecken sich alle hinter Stützen und Einbauten, so dass sie von Ferne unlesbar sind. So irren ortsunkundige Umsteiger zur U-Bahn-Linie 6 oft hilflos über den ganzen Bahnsteig.

Auf eine Wegeleitung längs zum Bahnsteig wurde unverständlicherweise völlig verzichtet. Die genau drei (!) doppelseitig leuchtenden Stationsnamenschilder auf dem Bahnsteig sind recht knapp bemessen. Dabei sind Flächen für ergänzende Schilder ausreichend vorhanden. Die jeweils elf Namenschilder an den Tunnelwänden können das Manko nicht ausgleichen, denn Fahrgäste im Fahrzeug sehen die benachbarte Tunnelwand nur im kleinen Bereich ihres Fensters und die gegenüberliegende Tunnelwand häufig wegen der Bahnsteigaufbauten oder haltender Züge gar nicht.

Auf dem Bahnsteig befindet sich kein Berliner Stadtplan. Generell fehlt es an Flächen für Aushänge. Es wurde offenbar schlicht vergessen, Aushangvitrinen aufzustellen. Der Fahrplanaushang ist lediglich etwas abseits in einem Leuchtkasten bei der Aufsicht zu finden. Ein weiterer im nördlichen Bahnsteigteil wäre hilfreich.

Kritisch ist auch die geringe Anzahl von Sitzgelegenheiten zu vermerken. Es gibt auf dem ganzen Bahnsteig lediglich 24 (!) Sitzplätze. Bei Wartezeiten bis zu 20 Minuten in Tagesrandlagen und bei dem hohen Fahrgastaufkommen ist das zu knapp bemessen und sollte schnell ergänzt werden.

Am Eingang von der U 6 steht eine SOS-Info-Säule, in deren Display ein „Außer Betrieb" zu lesen ist. Hoffentlich wird sie bald angeschlossen.

Neben diesen vielen schwerwiegenden Mängeln ist die - schon fast übliche - falsche Verwendung von Kennfarben der Anschlussverkehrsmittel geradezu nebensächlich. Das Bus-Signet ist grün statt violett, das U 6-Signet ist blau statt violett und am Eingang Georgenstraße ist das S1-Signet rot statt rosa.

Zwei weitere Auffälligkeiten sind bemerkenswert. Einerseits ist die geringe Kopfhöhe am Treppenpodest des Nordausganges für hochgewachsene Personen unfallträchtig und andererseits ist das sehr laute Quietschen der ein- und ausfahrenden Züge in der Kurve am südlichen Bahnsteigende recht unangenehm.

Alle hier angesprochenen Mängel sind aber behebbar. Damit sich die Fahrgäste schon bald uneingeschränkt über die baulich gelungene Gestaltung des Tunnelbahnhofs freuen können, sollte DB Station & Service als Bauherr umgehend tätig werden. Das gilt natürlich auch für die S-Bahn GmbH. Sie trägt zwar nicht die Verantwortung, aber ihre Mitarbeiter erhalten die Beschwerden der Fahrgäste. Das sollte Motivation genug sein, dringende Nachbesserungen zu fordern.

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 5/2002 (November 2002), Seite 22-23