Berlin
Weil am 6. Januar 2003 ursprünglich die knapp einjährige Sanierung der Stadtbahn zwischen Zoologischer Garten und S-Bahnhof Charlottenburg beginnen sollte, war dieser Tag zum generellen Fahrplanwechsel in Berlin auserwählt worden.
1. Mär 2003
Wegen der Verzögerungen bei der Fertigstellung der Sanierungsarbeiten auf der Wannseebahn wird die Sperrung der Stadtbahn nun erst zum 24. Februar 2003 erfolgen. So wird der neue S-Bahn-Fahrplan erst ab Ende Februar in Kraft treten, die Liniennetz- und Fahrplanänderungen bei der BVG fanden dagegen wie vorgesehen Anfang Januar statt. Während in den letzten Jahren das Leistungsangebot bei der BVG in etwa konstant blieb, erfolgten mit diesem Fahrplanwechsel Angebotskürzungen um ca. zwei Prozent der Bus-Nutzwagenkilometer.
Da der VBB sich bemüht hat, den kurzfristigen Terminveränderungen Rechnung zu tragen und auch noch den bis Ende Februar gültigen S-Bahn-Fahrplan in das Kursbuch aufgenommen hat, verzögerte sich die Fertigstellung des Kursbuches, und es war deshalb erst ca. zehn Tage nach Fahrplanwechsel erhältlich. Die grafische Aufbereitung des Kursbuches ist zwar etwas vereinfacht worden, dafür ist der Inhalt der Berlin-Ausgabe um die Fahrpläne aller in Potsdam verkehrenden Linien erweitert worden - bei einem immerhin stabilen Preis von vier Euro.
Mit dem Fahrplanwechsel gab es bei der BVG eine Reihe von Linienänderungen, die ganz überwiegend unter Einsparungsgesichtspunkten erfolgten. Hinzu kamen Taktausdünnungen auf einem knappen Dutzend Buslinien. Der zwischen der BVG und dem Berliner Senat 1999 geschlossene Unternehmensvertrag wurde bislang von Seiten der BVG immer noch leicht übererfüllt, dass heißt, der Verkehrsbetrieb erbrachte im Umfang von zeitweilig über drei Millionen Nutzwagenkilometern/Jahr im Buslinien-Netz (unbezahlte) Mehrleistungen. Der immer stärker anhaltende finanzielle Druck auf das Unternehmen führte - nach eine ersten Sparrunde im Herbst 2002 - nun zur weiteren Rücknahme dieser Angebote auf das mit dem Senat vertraglich vereinbarte Niveau von 94 Millionen Nutzwagenkilometer/Jahr. Aus Sicht eines wirtschaftlich operierenden Unternehmens ist diese Handlungsweise verständlich. Man muss den Verkehrsplanern bei der BVG zu Gute halten, dass man sich ganz offensichtlich darum bemüht, Einsparungen dort durchzuführen, wo sie am wenigsten weh tun.
Doch bleibt am Ende festzuhalten, dass wieder Kunden verprellt werden. Somit rückt das eigentliche Ziel, neue Fahrgäste zu gewinnen, in immer weitere Ferne. Wie dieser Kurs aber mit der angeblich gewollten Stärkung des ÖPNV vereinbar ist, kann wohl nur der Senat beantworten, der ja letztlich als Aufgabenträger für das Leistungsangebot verantwortlich ist.
Keine Sparmaßnahme war der Endstellentausch zwischen den Straßenbahn-Linien 7 und 15 in der Innenstadt. Hier erwartet die BVG wohl eher eine Entlastung der im Berufsverkehr völlig unzureichenden Niederflurzüge der Linie 6, indem sie hofft, dass wenigstens in Fahrtrichtung Innenstadt Fahrgäste die Umwegfahrt zu den U- und S-Bahnhöfen über Torstraße akzeptieren als in einer völlig überfüllten Linie 6 den direkten Weg zu nehmen.
Dagegen erfolgten fast alle Linienänderungen im Busnetz unter dem Gesichtspunkt des Sparens. Einige dieser Maßnahmen sind unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte durchaus nachvollziehbar. Dazu gehört zum Beispiel die Verkürzung der überaus schwach ausgelasteten Hauptverkehrszeit-Linie 294 bis zur Rhinstraße Ecke Landsberger Allee wegen der im restlichen Abschnitt bis S-Bahnhof Friedrichsfelde Ost im akzeptabelen Takt parallel verlaufenden Straßenbahnlinien. Auch die vollzogene Einstellung des 165ers während der Schwachverkehrszeiten im Abschnitt zwischen S-Bahnhof Schöneweide und Oberspree ist unter Hinweis auf die großenteils im gleichen Einzugsbereich verkehrende Lig nie 167 während der verkehrsarmen Zeiten nachvollziehbar. Und dies gilt letztendlich auch für die Rücknahme des 142ers zum Mollknoten, denn aufgrund der Netzgeometrie war die Führung dieser Linie bis zum Alexanderplatz tatsächlich nur für ganz wenige Fahrgäste von Vorteil.
Deutlichere Nachteile bringen den Fahrgästen jedoch andere Linienverkürzungen. So bedeutet die Verkürzung der zwischen den drei Ost-Berliner Großsiedlungen Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf verkehrenden durchgehenden Tangentiallinie 154 auf den Abschnitt Ribnitzer Strasse - S-Bahnhof Marzahn in den Schwachverkehrszeiten vermehrte Umsteigezwänge innerhalb des 20-Min-Takt-Netzes oder/und verlängerte Fußwege, weil einige Haltestellen gar nicht mehr bedient werden. An anderer Stelle bedient die BVG ein Wohnquartier nur noch während der Hauptverkehrszeiten: Das Thüringer Viertel in Lichterfelde wird (jetzt auch) tagsüber zwischen ca. 8.30 und 14 Uhr gar nicht mehr bedient, weil die Linie 187 - wie seit langem bereits in den Schwachverkehrszeiten - auch zu diesen Zeiten in Lankwitz Kirche endet. Der Hinweis im Infoblättchen „BVG plus", dass die Linie 182 für die Nachfrage in diesem Bereich „genügend Kapazitäten" bietet, ist angesichts der weiten Fußwege zum 182er und wegen der inzwischen regelmäßig eingesetzten (12-Meter-) Eindeckbusse gleich doppelt zynisch.
Was sich Steglitzer Politiker und Bürger offenbar kommentarlos gefallen lassen, läuft in Spandau ganz anders: Die ursprünglich von der BVG zum Fahrplanwechsel vorgesehene Begradigung der Linie 131 im Bereich der Gartenstadt Staaken durch Wegfall der Stichfahrt zum Heidebergplan hat die Aufsichtsbehörde (zunächst) untersagt, weil in dieser Angelegenheit von Bewohnern ein Petitionsantrag an das Abgeordnetenhaus gerichtet wurde. In der Sache überrascht dies durchaus, denn bei etwas günstigeren Haltestellenstandorten würde auch nach Begradigung des 131ers kaum ein Bewohner der Reihenhaussiedlung einen längeren Fußweg als 200 m zur nächsten Haltestelle von einer der beiden (!) hier verkehrenden der Linien 131 oder 237 haben. Aber solange derartige Linienänderungen immer noch geheime Kommandosache der BVG sind, Bewohner und Fahrgäste nur die bereits getroffene Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen haben ohne vorher die Chance zur Mitwirkung gehabt zu haben, darf man sich bei der BVG über die Konsequenzen eines solchen Verhaltens nicht wundern. Dennoch sei positiv vermerkt, dass die Verlängerung des 131ers zum Waldkrankenhaus eine sehr sinnvolle Maßnahme ist und somit die Tangentialverbindung im Westen Spandaus deutlich verbessert wird.
Der Schwerpunkt der Sparens lag offenbar im Süden der Stadt. Dazu gehört neben der schon beschriebenen Maßnahme bei der Linie 187 auch eine weitere unter den Linienänderungen aufgelistete Sparmaßnahme: Die Linie 277 befährt jetzt nur noch in der Berufsverkehrszeit den Abschnitt zwischen S-Bahnhof Marienfelde und U-Bahnhof Alt-Mariendorf. Bemerkenswert daran ist, dass die BVG diese Relation vor einem guten Jahr noch als Expressbus-würdig befand. Andere durchgeführte Sparmaßnahmen trafen die Fahrgäste mangels rechtzeitiger Veröffentlichung der Fahrpläne völlig überraschend: So gab es gravierende Angebotskürzungen auf der Linie 144. Unter anderem wird der Abschnitt zwischen Buckow-Süd und Gesundheitszentrum Lipschitzallee jetzt außerhalb der HVZ nicht mehr alle zehn Minuten sondern nur noch alle 20 Minuten bedient und die morgendliche Betriebsaufnahme auf dem Streckenabschnitt zum Hermannplatz erfolgt jetzt erst um 9 Uhr. Auch im Berufsverkehr wurden auf etlichen Linien die Takte auf 20 Minuten gestreckt. So zum Beispiel auf der Linie 172 im Abschnitt zwischen S-Bahnhof Buckower Chaussee und Stadtrandsiedlung und auf den Innenstadtlinien 140 und 341 auf ganzer Länge.
Eine längst überfällige Maßnahme ist die Veränderung der Linienführung des 184ers. Viel zu lange wurden die Fahrgäste bis nach Tempelhof von den zum Teil gravierenden Verspätungen und Unregelmäßigkeiten, die zumeist durch die Staus im Teltower Raum verursacht waren, verärgert. Aus Tempelhof kommend, biegt der 184er künftig an der Lindenstraße in die Wismarer Straße ab, um dann weiter im Zuge der bisherigen Linie 112 bis zum Rathaus Zehlendorf zu fahren. Der 112er wird dafür natürlich verkürzt und bedient als Linie ohne Spätverkehr nur noch den Abschnitt zwischen S-Bahnhof Nikolassee und Rathaus Zehlendorf. Der bisherige Ast der Linie 184 nach Kleinmachnow wird künftig von einer neuen Buslinie 117 zwischen S-Bahnhof Lichterfelde Ost und Kleinmachnow, Am Hochwald bedient. Die Gesamtmaßnahme dürfte sich kostenneutral gestalten und bringt den Vorteil, dass die Buslinie 184 fahrplantreuer verkehren wird, da der stark staugefährdete Abschnitt im Ortsbereich Teltow entfällt. Weiterhin wird der unglückliche Endpunkt der bisherigen Linie 112 an der Appenzeller Straße aufgelassen und dieser Linienabschnitt durch die Durchbindung in Richtung Lichterfelde-Ost/Lankwitz verkehrlich aufgewertet. Nachteil bleibt allerdings der vor allem an Samstagen inakzeptable späte Betriebsbeginn nach 8 Uhr in dem Bereich Osteweg/Seehofstraße, der bereits seit Mitte der 90er Jahre gilt.
Als wirklich neues Angebot ist nur die Verlängerung der Nachtlinie N 44 vom Ostbahnhof zum Wühlischplatz im Zuge der Tageslinie 240 zu nennen. Damit erhält das Kneipenviertel im Raum Simon- Dach-Straße endlich einen Anschluss an das Nachtnetz, aber leider nur in Richtung Kreuzberg und Neukölln. In Richtung S-Bahnhof Frankfurter Allee fehlt nach wie vor eine Verbindung. Eine Nacht-Straßenbahn 23 würde sich viel besser anbieten, stellt sie doch die Verbindung in beide Richtungen her.
Abschließend gibt es noch von zwei (zunächst?) nicht realisierten Maßnahmen im Bezirk Reinickendorf zu berichten. So sollte eine Kiezlinie die bisher durch den ÖPNV schlecht erschlossenen Bereiche im westlichen Teil von Hermsdorf an den S-Bahnhof anbinden. Diese Linie scheiterte an den Vorbehalten einiger Anwohner. Für die Bedienung des westlichen Teils von Frohnau war die Einführung einer ganztägig verkehrenden Kiezlinie vorgesehen. Sie scheiterte jedoch wegen der vom Bezirksamt Reinickendorf für erforderlich gehaltenen baulichen Veränderungen in den Haltestellenbereichen. Andere Bezirksämter sind da gedanklich schon weiter. Sie stimmen Linienänderungen nur noch unter der Bedingung zu, dass eventuell auftretende Fahrbahnschäden, die auf Kräfte des Bremsens und Anfahrens der Busse zurückzuführen sind, zu Lasten der BVG zu beseitigen sind. Nun warten die Fahrgäste schon mit Spannung darauf, wann die ersten 40-Tonnen-Lkws für die durch sie verursachten Fahrbahnschäden zur Kasse gebeten werden...
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2003 (Februar/März 2003), Seite 12-14