Baden-Württemberg
Die Deutsche Bahn will ihre Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH (BSB) verkaufen. Statt unter dem Banner der Bahn sollen die BSB-Schiffe bald unter der Flagge der Stadtwerke Konstanz GmbH verkehren.
1. Mär 2003
Verkaufsverträge über 100 Prozent der Gesellschafteranteile und des Immobilienvermögens wurden notariell beurkundet. Für die Übernahme der Immobilien wurde von den Stadtwerken eigens die Bodensee-Hafen-Gesellschaft mbH (BHG) gegründet. Die Verträge stehen noch unter Gremienvorbehalten seitens Stadtwerke und Bahn. Zudem bedarf der Verkauf der Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums.
Die Stadtwerke Konstanz GmbH schlagen seit 75 Jahren Tag und Nacht mit heute sieben großen Fährschiffen zwischen Konstanz und Meersburg eine schwimmende Brücke. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts fahren die Bodenseeschiffe unter der Flagge der Eisenbahn. Dem Vorschlag eines Stuttgarter Verlegers zur Gründung einer Bodenseeschifffahrt stimmte der Württembergische König Wilhelm I. zu. Am 10. November 1824 wurde das erste Dampfschiff des Bodensees in Dienst gestellt, das die Strecke Friedrichshafen - Rorschach/Romanshorn bediente. Einen Monat später folgte mit Unterstützung des bayrischen Königs im bayrischen Lindau ein Dampfer. In Konstanz gründete sich am 12. Juli 1830 die Dampfschifffahrtsgesellschaft für Bodensee und Rhein. Die Schweizerische Nordostbahn-Gesellschaft (Bahn Winterthur-Romanshorn) startete 1855 mit zwei Dampfern die Schifffahrt.
Zwischen 1854 und 1863 wurden die Schifffahrtsgesellschaften in Lindau, Friedrichshafen und Konstanz von den jeweiligen deutschen Länderbahnen übernommen, welche die Flotten weiter vergrößerten. Die ab 1869 eröffneten Trajektanstalten in den großen Bodenseehäfen ermöglichten den Transport von Eisenbahnwaggons über den See. Gleichzeitig gewann der Personenverkehr immer mehr an Bedeutung. Der deutsche Kaiser Wilhelm I. und der österreichische Kaiser Franz Josef I. waren Gäste an Bord des ersten Salondampfers, den die Badische Staatseisenbahn 1871 in Dienst stellte. Die Württembergische Staatseisenbahn beschaffte 1877 einen Salondampfer, Bayern folgte 1879. Nach Geschmack des bayrischen Königs Ludwig II. war das bayerische Schiff anfangs mit einer drei Meter hohe Löwenplastik auf dem Vorschiff verziert, die aber bald entfernt werden musste, weil sie die Sicht bei der Schiffsführung störte. Die deutschen Schiffen bedienten bis 1880 auch das österreichische Bregenz. Wegen des Wunsches nach einer eigenen Bodenseeschifffahrt nahmen 1884 die ersten beiden Dampfer der K. & K. Österreichischen Staatsbahnen den Betrieb auf.
Mit dem Verschwinden der Monarchien in Deutschland und Österreich am Ende des Ersten Weltkrieges unterstanden die Länderbahnen ab 1920 dem Reichsverkehrsministerium in Berlin. In der 1924 neu gegründeten Deutschen Reichsbahn (DRG) waren jetzt die Reichsbahndirektionen Augsburg (für Lindau), Stuttgart (für Friedrichshafen) und Karlsruhe (für Konstanz) für die insgesamt 20 deutschen Bodensee- Dampfer zuständig. Die sechs österreichischen Dampfer wurden bereits 1919 von den neu gegründeten Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) übernommen. Die Flotte der Schweizerischen Bundesbahnen bestand aus fünf Schiffen. Mit dem aufstrebende Tourismus am Bodensee in den zwanziger Jahren stieg der Verkehr besonders im Sommer an. Deshalb ließ die Deutsche Reichsbahn zwischen 1926 und 1928 ihre ersten Motorschiffe bauen. Der Güterwagen-Fährverkehr Friedrichshafen - Romanshorn und Lindau - Rorschach wurde zu dieser Zeit noch betrieben. Eine Fährverbindung ins Linzgau hielt die Reichsbahn dagegen für wirtschaftlich nicht attraktiv, so dass 1928 die Stadt Konstanz selbst eine Fährverbindung Konstanz/Staad - Meersburg einrichtete.
Nach 1933 nahm die Zahl der Sonderfahrten der NS-Gesellschaft „Kraft durch Freude" zu. Gleichzeitig wurde bis zur Öffnung der deutsch-österreichischen Grenze 1936 Bregenz durch deutsche Schiffe nicht mehr angefahren. Die Österreicher beschränkten sich auf einzelne Kursfahrten und Sonderfahrten zu den Schweizer Häfen. Mit der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich 1938 kam die österreichische Schifffahrt zum Maschinenamt Lindau der Reichsbahndirektion Augsburg, die Bregenzer Werkstätten wurden beseitigt. Während des Zweiten Weltkrieges kam es durch Fliegerangriffe zu Verlusten und Beschädigungen bei den Schiffen, aufgrund Rationierungen bei den Treibstoffen wurden nur noch Dampfer eingesetzt. Als auf NS-Befehl die 1945 in Lindau und Bregenz stationierten zehn Schiffe vor dem Anrücken der Alliierten versenkt werden sollten, wurden sie nach Verhandlungen von Reichsbahnern mit der Schifffahrtsinspektion Romanshorn in einer April-Nacht in den Schweizer Häfen bis Ende des Krieges schutzinterniert.
Am 16. Oktober 1945 konnte das österreichische Dampfschiff „Stadt Bregenz" als erstes Bodenseeschiff nach dem Krieg die Kursfahrten auf der Strecke Bregenz - Konstanz wieder aufnehmen. Die Deutsche Bundesbahn übernahm 1952 die deutsche Schifffahrt und ersetzte bis 1964 die Dampfer durch Motorschiffe. Bereits seit 1960 betrieb die Bundesbahn nur noch den Ausflugsverkehr sowie den 13 Kilometer langen Autofährdienst zwischen Friedrichshafen und Romanshorn zur Verbindung von Ulm und Zürich. Die Aufgaben für den Nahverkehr über den Bodensee gingen mit der zunehmenden Motorisierung in den 1950er Jahren verloren. Die 1996 als Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG privatisierten Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH (BSB) stellten jetzt gemeinsam mit der Schweizerischen Bodenseeschifffahrt eine neue Motorfähre (Euregia) in Dienst. Zwischen den vier großen Schiffsunternehmen am Bodensee besteht ein Verkehrsverbund unter der Bezeichnung „Vereinigte Schifffahrtsunternehmen für den Bodensee und Rhein" (VSU), der in seinen Anfängen auf die Jahre 1860 bis 1865 zurückgeht.
DBV Südwest
aus SIGNAL 1/2003 (Februar/März 2003), Seite 29-30