Fahrgast-Report

Qualität aus Kundensicht

Qualität hat eine subjektive Komponente, da die Eigenschaft einer Leistung nicht gleich bewertet wird.


DBV Thüringen

1. Mär 2003

Der ÖPNV bietet eine Beförderungsleistung an. Die Qualität einer Beförderungsleistung hängt auch von den notwendigen Vorbereitungs- und Abschlußzeiten bzw. Maßnahmen ab, zusammengefaßt als „Service" bezeichnet.

Reisezeit

Er ist nach unserer Meinung einer der wichtigsten Begriffe zur Messung der Qualität im Vergleich zu Alternativangeboten. Dabei ist der motorisierte Individualverkehr für den ÖPNV ein vergleichbares Angebot in vielerlei Hinsicht.

Eine statistische (aber nicht repräsentative) Untersuchung von 98 Fahrten (gerechnet auf 100 Kilometer) in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ergab, eine durchschnittlich längere Reisezeit mit dem ÖPNV um etwa 53 Minuten gegenüber dem MIV.

Abfahrtzeiten richteten sich nach dem MIV, wodurch die Bedienungshäufigkeit des ÖPNV voll zum Tragen kam. Eine Verkürzung und annähernde Angleichung der Reisezeit ist somit über zwei Wege möglich:

Die Reisegeschwindigkeit kann über folgende Wege erhöht werden:

Die Vorbereitungszeit umfaßt die Einholung von Auskünften. Einerseits muß auch derjenige, der mit dem Auto fährt, Auskünfte einholen, wenn er in unbekannte Gegenden fährt, andererseits muß der Nutzer des ÖPNV öfters Auskünfte einholen, da sich Zeiten schlechter merken lassen. Die Nachbereitungszeiten sind für MIV und ÖPNV meist gleich (Auspacken des Reisegepäcks, usw.).

Sicherheit

Sie umfaßt die technische Sicherheit des Verkehrsmittels und die individuelle Sicherheit und die Planungssicherheit für den Reisenden.

Die technische Sicherheit wird vorausgesetzt. Die Erwartungen an die individuelle Sicherheit sind unterschiedlich.

Die Planungssicherheit ist für den Reisenden wichtig. Meist stützt sich der Tagesablauf auf die vom Verkehrsunternehmen angekündigten Beförderungszeiten.

Damit eng verbunden ist die Sicherheit, einen Anschluß zu erreichen, wenn eine teilweise unterbrochene Beförderungskette vorliegt.

Kaum toleriert wird eine Erhöhung der Reisezeit um ein bis zwei Stunden. Leider hat der ÖPNV durch den „Mißstand der verpaßten Anschlüsse" in den 80er und 90er Jahren einen Vertrauensverlust erlitten, der schwer zu kompensieren ist.

Die Verlagerung der ÖPNV-Verantwortlichkeit auf die Länder hat ein Problem heraufbeschworen. Die Unsicherheit, ob der zur Drucklegung bekannte Fahrplan gültig ist. Strecken-Abbestellungen nach Drucklegung und in der Fahrplanperiode müssen der Vergangenheit angehören.

Pünktlichkeit

Pünktlichkeit wird individuell interpretiert, es kann aber ein Durchschnittswert ermittelt werden. Unser Landesverband hat dazu eine Umfrage durchgeführt. 76 Prozent aller Befragten hielten Pünktlichkeit ein wichtiges Qualitätsmerkmal.

Komfort

Unter Komfort ist eine Vielzahl von Bedürfnissen der Reisenden zu verstehen.

Die Sauberkeit konnte nur schwer quantifiziert werden. Volle Abfallbehälter und Aschenbecher werden als negativ empfunden. Als Einschränkung des Komforts gelten verschmutzte Toiletten. Einige Reisenden bemängelten die Sauberkeit der Sitzbezüge, hier herrschte eine geteilte Meinung vor.

Die Bequemlichkeit wird mit ausreichender Bein- und Ellenbogenfreiheit in Verbindung gebracht. Hier wurden ICE und Einzelsitze in den Nahverkehrswagen („Halberstädter"), sowie Doppelstockwagen kritisiert (außerdem Sitze zu hart). Die nicht modernisierten Abteilwagen im IC-Verkehr wurden ebenfalls kritisiert, hier erwartet man für den Zuschlag Klimaanlage und modernes Wagenmaterial.

Positiv werden die IR-Wagen aufgenommen. Die Alternative von Großraum und Abteil wurde von über 90 Prozent als gut eingestuft. Positiv ist auch das Vorhandensein von mehreren Toiletten.

Ein erheblicher Prozentsatz favorisierte modernisierte Abteilwagen in Nahverkehrszügen, so dass über eine gemischte Bestückung bei der Zugbildung nachgedacht werden sollte.

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Auf Nebenbahnen wurde häufiger der Wunsch nach neuen Fahrzeugen geäußert, wobei gerade Beispiele wie die Strecke Weimar - Kranichfeld, die Usedomer Bäderbahn und die Strecke Chemnitz - Stollberg eine Akzeptanz für den Einsatz alter Triebwagen erkennen lassen, wenn andere Qualitätsmerkmale stimmen (Bedienhäufigkeit, Zugangsstellen schnell erreichbar, Anschlüsse gewährleistet). Doppelstockwagen wurden durchweg nur für Kurzstrecken als geeignet empfunden. Kritik gab es in Hinsicht auf die Trennung von Sitz- und Eingangsbereich (Kälte), unzumutbare Hitze im Sommer (Fenster sind kaum zu öffnen) und unzureichende Trennung von Nichtraucher und Raucherbereich.

Das Platzangebot wird hauptsächlich am Wochenende in den Nahverkehrszügen stark nachgefragter Relationen als nicht ausreichend betrachtet (beispielsweise Schweinfurt - Gera, Erfurt - Großkorbetha, Halle - Berlin). Durchweg schlecht schnitten Doppelstockwagen bei der Gepäck-Abstellmöglichkeit ab.

Das preiswerte Imbissangebot (Ostmecklenburgische Eisenbahn, Strecke Koblenz - Trier) wurde, sofern es bekannt war, als Qualitätssteigerung bewertet. Das Angebot der Mitropa sties auf Kritik. Reisende kritisierten die hohen Getränkepreise (durchschnittlich 1/3 teurer).

Familien mit Kleinkindern erwarten in den Nahverkehrszügen ein Abteil mit der Möglichkeit auch Kinderwagen abstellen zu können und ungestört zu sein.

Service

Zu nennen wären hier

Die telefonische Auskunft wird nur von 12 bis 15 Prozent genutzt. Kritisiert wurden ungenaue Auskünfte und der Preis (dadurch entsteht ein Druck, nicht nach Alternativen zu fragen). Elektronische Medien werden hauptsächlich von jungen Leuten genutzt. Der Umgang mit diesem Medium muss erlernt sein, Fehleinstellungen führen zu absurden Resultaten. Diese Medien werden oft von Gelegenheitsfahrern genutzt und führen zu einer negativen Werbung, da keine Netzkenntnisse und Kenntnisse der Angebote vorausgesetzt werden können. Die Schalterauskunft wurde am häufigsten genutzt. Die Qualität der Auskünfte wurden ist gut bis ausreichend.

Viele Fahrgäste nutzen noch den Fahrplan in Druckform, meistens regionale Kursbücher und die Städteverbindungen. Diese Informationsquelle ist wichtig, da hier kaum Zeitdruck entsteht und keine Wege bzw. Entgelte anfallen.

Zugangsstellen müssen ausreichend gekennzeichnet sein. Ausreichender Wetterschutz soll Selbstverständlich sein. Es ist ärgerlich, in eisiger Kälte auf einen verspäteten Zug warten zu müssen.

Die Bahnhöfe sind die Visitenkarten des Verkehrunternehmens. Sie dürfen deshalb nicht zu einer Kloake verkommen; ein verschlossener Bahnhof hilft auch keinem Reisenden. Unangenehm ist das Warten während der Nachtstunden.

Informationen auf dem Bahnhof sollten bei besonderen Betriebssituationen richtig und rechtzeitig erfolgen. Die Information über den Standort eines Kinderwagenabteils bzw. Behindertenabteils wäre von Vorteil, auch bei Nahverkehrszügen.

Der Preis

Er ist kein Merkmal der Qualität, entscheidet aber über die Akzeptanz des Angebotes bei gegebener Qualität. Abstriche werden bei günstigen Preisen in Kauf genommen („Wochenend-Ticket").

Die Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Preisbildung kann allerdings ein Qualitätsmerkmal sein.

Der Fahrausweis-Erwerb muß zu jedem Zeitpunkt in einer vernünftigen Zeit (bis zu 15 Minuten) ohne Zuschlag möglich sein. Da der Kunde häufig auf Zubringer angewiesen ist und eine Abstimmung häufig eine Utopie ist, ist man häufig nicht in der Lage, rechtzeitig Fahrausweise zu erwerben. Generell sollte die Nachlösegebühr abgeschafft werden, wenn sich der Reisende rechtzeitig beim Zugbegleitpersonal meldet.

Schlußfolgerungen

Die Reisezeiten im öffentlichen Verkehr müssen denen im MIV angeglichen werden oder eine niedrige Qualität (längere Reisezeit) drückt sich im Preis aus.

Der Systemgedanke zwischen den Verkehrsträgern und Aufgabenträgern muß greifen (einheitlicher Fahrplanwechsel).

Passende Anschlüsse sollen länger als eine Fahrplanperiode bestehen.

Die Nahverkehrspläne der Länder dürfen nicht Makulatur sein.

Es muss eine Sicherheit bei der Bedienung für viele Menschen aufrecht erhalten werden.

Vorankündigung und tatsächliches Angebot müssen in Übereinstimmung sein.

DBV Thüringen

aus SIGNAL 1/2003 (Februar/März 2003), Seite 36-37