Brandenburg
Wie bereits im Signal 5/2003 (Seite 27) berichtet, hat das brandenburgische Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr (MSWV) den Eisenbahnverkehr auf den Abschnitten der Brandenburgischen Städtebahn zwischen Brandenburg (Havel) - Belzig zum 14. Dezember 2003 sowie zwischen Rathenow Nord - Neustadt (Dosse) zum 1. Dezember 2003 abbestellt.
1. Jan 2004
Dem Landkreis Potsdam-Mittelmark wird zur Zeit gern die Schuld an der Einstellung des Schienenverkehrs von Brandenburg nach Belzig gegeben. Durch den unveränderten Weiterbetrieb der teilweise parallel zur Bahn fahrenden Buslinien 580 (Belzig - Golzow -Lehnin - Werder - Potsdam) und 581 (Belzig - Golzow - Brandenburg) durch den kreiseigenen Busbetrieb sei die Bahn zu schlecht ausgelastet und ihr Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht vertretbar.
„Die Prüfung der äußerst leistungsschwachen Strecken Belzig - Brandenburg und Rathenow - Neustadt/Dosse ergab, dass eine Einstellung des SPNV (Schienenpersonennahverkehrs) zeitnah vorgenommen werden muss. Hier kann der vorhandene Mobilitätsbedarf weitaus kostengünstiger durch den Busverkehr bzw. alternative Verkehrsmodelle abgesichert werden." - so die von Dr. Karlheinz Beilner (Referatsleiter für Eisenbahnen, Binnenschifffahrt und Wasserstraßen im MSWV) in einem Vortrag am 11. September 2003 in Frankfurt/Oder gegebene Begründung für die beiden Streckeneinstellungen.
Im brandenburgischen Landtagsausschuss für Kreisentwicklung, Planung, Umwelt und Verkehr setzte Verkehrsamtsleiter Lutz Lorenz noch eins drauf: „Die Buslinie fährt profitabel und erreicht die Haushalte besser.", wird er in der Märkischen Allgemeinen Zeitung (Datum nicht zu ermitteln) zitiert.
Die Eisenbahn-Linie von Brandenburg nach Belzig gehörte zu den ersten Strecken im Land Brandenburg, deren Betrieb durch eine Ausschreibung vergeben wurde. Sie wurde von der DB Regio Berlin/Brandenburg gewonnen. Regio wollte die Strecke unter anderem im Tourismus bewerben und mit modernen Triebwagen bedienen. Nachdem dieses Unternehmen die Ausschreibung mit einem guten Konzept gewonnen hatte, war dessen Zweck (mögliche Konkurrenz niederzuhalten?) anscheinend erfüllt. Jedenfalls war nach dem DB-Erfolg in der Ausschreibung nie mehr etwas über Tourismusförderung zu hören oder zu sehen, und auch moderne Triebwagen konnten hier erst viele Jahre nach dem Erfolg in der Ausschreibung beobachtet werden.
Das Desinteresse des DB-Konzerns gipfelte in der Einstellung des Schienenverkehrs auf dieser Strecke zum 1. Dezember 2000 mit der Begründung, ein sicherer Personenverkehr sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Merkwürdige Logik: Wenn eine Messfahrt von DB Netz im Oktober 2000 angeblich ergeben hat, dass ein sicherer Personenverkehr nicht mehr möglich sei, dann hätte der Betrieb im Interesse der Sicherheit der Fahrgäste doch wohl sofort eingestellt werden müssen und nicht erst zum 1. Dezember 2000?
Doch das Land ließ sich damals (noch) nicht darauf ein und schaltete das Eisenbahn-Bundesamt ein. Der DB-Konzern wurde gegen seinen Willen gezwungen, die Strecke wieder herzurichten und den Eisenbahnbetrieb auf der RB 52 zum Fahrplanwechsel am 10. Juni 2001 wieder aufzunehmen. Jetzt, am Ende des Jahres 2003, scheint der DB-Konzern sein Ziel doch erreicht zu haben. Er hat sich erfolgreich um den Betrieb einer Bahnlinie beworben - mit dem Ziel, den Bahnbetrieb auf dieser Strecke zu beseitigen.
Der Landkreis Potsdam-Mittelmark hat bis heute kein integriertes Bahn-Bus-Konzept vorgelegt, um die Bestellung der Bahn zu sichern, ohne das eigene Busunternehmen dabei zu benachteiligen. Warum nur ist man(n) nicht nur in diesem Landkreis anscheinend völlig unbeweglich, wenn es um die Entwicklung einer sinnvollen Aufgabenaufteilung zwischen Bahn und Bus geht?
Ist es denn nicht vernünftig, einen Bus, der in gleicher Zeitlage wie ein Zug fährt, entweder „zwischen" zwei Zügen anzubieten oder zum Beispiel für ein besseres Busangebot zwischen Golzow, Lehnin, Werder und Potsdam zu nutzen? Wäre nicht auch ein besseres Busangebot von Golzow über Cammer nach Brück (Mark) vorstellbar?
In der Schweiz werden Bahnlinien in der Regel stündlich bedient, und Ortschaften ohne Bahnhof häufig durch stündlich fahrende Postautos erschlossen. Wer macht hier eigentlich etwas falsch? Die Schweizer vielleicht?
Für die Verbesserung des Bahnbetriebs liegen inzwischen genügend Konzepte vor - nur die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung scheinen sich (mit wenigen Ausnahmen) nicht mehr für sie zu interessieren - geschweige denn, sich mit ihrer Umsetzung zu beschäftigen.
Selbstverständlich kann der vorhandene Mobilitätsbedarf unter den jetzigen Bedingungen mit dem Bus kostengünstiger abgewickelt (Entschuldigung, abgesichert) werden, wie Herr Dr. Beilner vom MSWV behauptet.
Auf der Strecke von Neustadt (Dosse) nach Rathenow sind zur Zeit drei Zugangsstellen mit Personal besetzt. Natürlich nicht, um Weichen für Zugkreuzungen im Personenverkehr zu stellen (die wurden längst abgeklemmt bzw. „rückgebaut"; außerdem pendelt ohnehin nur ein Schienenbus auf diesem Abschnitt der Städtebahn), sondern für die Bedienung von Schranken, deren Kosten „natürlich" von der Bahn bzw. dem Besteller der Eisenbahnleistungen zu bezahlen sind.
Während die Bahn ihre Fahrwegkosten selbst erwirtschaften soll, wird er für den Bus kostenlos gestellt. Unter diesen - von Menschen geschaffenen und daher veränderbaren - Rahmenbedingungen wird der Bus in der Fläche immer kostengünstiger als eine Bahn zu betreiben sein.
Der Kreistag Potsdam-Mittelmark hat am 25. September 2003 die Einrichtung eines „Runden Tisches" über die Zukunft der Schiene zwischen Brandenburg und Belzig beschlossen, der erstmals am 3. Dezember 2003 tagen soll. „Auch nach einer Einstellung des Verkehrs im Dezember werden wir weiter um die Städtebahn kämpfen!" - schließt eine Information von Kai-Uwe Schwinzert für die IG Brandenburgische Städtebahn. Wir wünschen dieser Initiative den dafür nötigen langen Atem - und Glück.
Die Interessengemeinschaft Städtebahn hat übrigens seit einigen Tagen eine Internet-Adresse. www.ig-staedtebahn.de .
DBV Brandenburg
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 6/2003 (Dezember 2003/Januar 2004), Seite 30-31