Aktuell

Das Rezept heißt Wettbewerbsverzerrung

Erfolgreicher Start für den Fernbus-Linienverkehr.

Seit 1. Januar 2013 ist mit dem geänderten Personenbeförderungsgesetz der Fernbus-Linienverkehr in Deutschland liberalisiert.


Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr

8. Jul 2013

Andrang beim Fernbus am Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin-Charlottenburg. Foto: Marc Heller

Bis Ende 2012 gab es 86 Fernbuslinien vorrangig von und nach Berlin. Seitdem sind zahlreiche Verbindungen hinzugekommen.

So haben die Bundesländer bis zum 15. Februar bereits 23 neue innerdeutsche Verbindungen genehmigt, für weitere 53 Verbindungen war zu diesem Zeitpunkt die Genehmigung beantragt. Damit wäre innerhalb weniger Monate fast eine Verdoppelung erreicht.

Von Bundesverkehrsminister Ramsauer wurden erwartungsgemäß u. a. die damit verbundenen preisgünstigen Reisemöglichkeiten in der Öffentlichkeit gepriesen. Was Ramsauer stolz als Aufbruchsstimmung und

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politischen Erfolg feiert, basiert jedoch eindeutig auf einer staatlich legitimierten Wettbewerbsverzerrung.

Bahn zahlt für Schienennutzung,
Bus für Straßennutzung nicht

ZOB in Berlin-Charlottenburg. Die neuen Fernbusangebote werden vor allem aufgrund der günstigen Fahrpreise überwiegend gut angenommen. Wichtigste Ursache sind erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Bahn. Foto: Christian Schultz

Sowohl Autobahnen und Bundesstraßen als auch Bundeseisenbahnstrecken sind gleichermaßen Bundesverkehrswege. Unverständlich sind daher die Unterschiede bei der Behandlung: Der Verkehrsträger Bahn muss für die Nutzung der Schienenwege „Maut“ bzw. Trassengebühren entrichten, deren Berechnung gesetzlich vorgegeben ist (entsprechend Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung – EIBV), u. a. auch die Kosten des Verkehrswegs zugrunde zu legen. Der Verkehrsträger Fernbus kann die Bundesverkehrswege dagegen kostenlos nutzen und darf seine Leistungen nun sogar zu Dumpingpreisen anbieten. Derartige Wettbewerbsverzerrungen werden in anderen Wirtschaftszweigen geahndet!

Nicht zu rechtfertigen ist des Weiteren eine Mautbefreiung für Fernbusse, sollte nach der Lkw-Maut nun auch die bereits diskutierte Maut für Pkw beschlossen werden.

Auf seinem jüngsten Bundesverbandstag am 23. März in Kassel hat der Deutsche Bahnkunden- Verband (DBV) die Forderung beschlossen, entweder den Fernbus-Verkehr mit einer Straßenmaut zu belegen, oder aber die Züge des Personenverkehrs von den Trassengebühren zu befreien. Ein Verband, der Fahrgastinteressen vertritt, freut sich natürlich über kostengünstige Angebote im Fernverkehr. Faire Rahmenbedingungen müssen dabei allerdings gewährleistet sein, doch die derzeitige Situation benachteiligt einseitig die Bahnnutzer!

Entschädigungen erst bei Entfernungen ab 250 km

Eine Stunde Verspätung am Zielort. Ein Bahnkunde hätte jetzt das Recht auf 25 Prozent Fahrpreiserstattung, ein Fernbuskunde hat keinen Anspruch. Foto: Christian Schultz

Auch bezüglich der Fahrgastrechte bestehen zwischen Bahn und Fernbus deutliche Unterschiede, und – kaum überraschend – ebenfalls zum Nachteil der Schiene! Bis zu einer Entfernung von 250 km hat der Fahrgast im Fernbusverkehr im Fall von Verspätungen keine nennenswerten Rechte – ausgenommen sind hier Haftungsregelungen, z. B. bei Beschädigung oder Verlust von Rollstühlen. Dies betrifft beispielsweise Relationen wie Berlin—Dresden, Berlin—Rostock oder auch München—Stuttgart.

Erst bei einer planmäßigen Wegstrecke von 250 km und mehr greifen Entschädigungsregelungen. Muss der Beförderer beispielsweise davon ausgehen, dass die Abfahrt eines Linienverkehrsdienstes von einem Busbahnhof annulliert wird oder sich um mehr als 120 Minuten verzögert oder eine Überbuchung vorliegt, muss er den Fahrgästen unverzüglich folgende Möglichkeiten zur Auswahl anbieten:

Entschädigungsregelungen bei Verspätungen am Zielort, verursacht z. B. durch Staus auf der Autobahn, gibt es beim Fernbus-Verkehr nicht. Solche für Busunternehmen sehr komfortablen Regelungen existieren dagegen im Schienenverkehr nicht. So hat der Fahrgast z. B. bei einer eingetretenen Verspätung seines Inter-City-Zuges ab 1 Stunde am Zielort (!) das Recht auf 25 Prozent Fahrpreiserstattung, bei einer Verspätung ab 2 Stunden sogar auf 50 Prozent.

Bezüglich einheitlicher Fahrgastrechte besteht somit erheblicher politischer Handlungsbedarf. Um auch in diesem Fall faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen, müssen die derzeit für den Schienenverkehr geltenden Entschädigungsregelungen sinnvollerweise auch auf Fernbus-Linienverkehre übertragen werden. Dazu gehört auch die Verpflichtung, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) als Schlichtungsinstanz anzuerkennen.

Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 3/2013 (Juli 2013), Seite 4