Berlin
8. Jul 2013
Die BVG hat im Mai ein 1:1-Modell ihres neuen Zuges der Baureihe IK vorgestellt. Das Fahrzeug wird von Stadler für das U-Bahn-Kleinprofilnetz gebaut.
Neue Züge sind dringend notwendig. So reicht der Wagenpark derzeit nur dafür aus, zum Beispiel auf der U 1 mit maximal 6- statt 8-Wagen-Zügen zu fahren. An eine Taktverdichtung ist im Kleinprofilnetz schon gar nicht zu denken. Selbst Anfragen der S-Bahn GmbH, bei Bauarbeiten an ihren Strecken als Ausweichmöglichkeit U-Bahn-Linien gegen Bezahlung zu verstärken, lehnt die BVG regelmäßig mit der Entschuldigung ab, dies mit den vorhandenen Ressourcen nicht leisten zu können.
Und doch sollen die neuen IK-Züge die U-Bahn-Flotte nicht etwa verstärken, sondern nur ältere Wagen der Baureihe A3L71 ablösen. Eine fatale Entwicklung. Denn die Fahrleistung ist heute sehr viel geringer als noch vor 10 Jahren – und der Wagenpark wurde verkleinert.
In den letzten zehn Jahren sank nach BVG-Angaben die Zahl der U-Bahn-Wagen um 161, die Anzahl der Personenkilometer, die die U-Bahn-Fahrgäste jährlich zurücklegen, ist jedoch um 129 Millionen gestiegen. Besonders deutlich wird die Diskrepanz bei den Nutzwagenkilometern. Diese Größe beschreibt die tatsächliche Angebotsleistung. Die ist von 2001 bis 2007 um ganze 11,2 Prozent gesunken. Ab 2008 hat man die Zahl dann lieber gar nicht erst veröffentlicht, sondern stattdessen in der Bilanz die Nutzzugkilometer ausgewiesen. Diese Größe wird nicht beeinflußt von verkürzten Zuglängen.
2015 sollen die beiden IK-Prototypen ausgeliefert werden, 34 weitere Serienfahrzeuge können ab 2017 folgen. Die 144 neuen Wagen ersetzen dann 132 Altbauwagen. Tatsächlich werden sich damit die Fahrzeugprobleme allerdings verschärfen. Weil immer vier Wagen eine Einheit bilden, können mit den neuen Fahrzeugen keine 6-Wagen-Züge gebildet werden, die auf den Linien U 1 und U 3 tagsüber aber üblich sind. Um 8-Wagen-Züge (wie auf der U 2) bilden zu können, müssten also mehr neue Fahrzeuge bestellt werden. Können aber statt 6- nur 4-Wagen-Züge fahren, werden diese vielfach vollkommen überfüllt sein.
Noch schlimmer trifft es das Großprofilnetz. Hier reicht das Wagenmaterial nicht einmal für die vom Land Berlin bei der BVG bestellten Leistungen. Seit Monaten sind auf fast allen Linien immer wieder Kurzzüge selbst im Berufsverkehr anzutreffen.
Doch anstatt neue Züge auszuschreiben, wird hier nur der Bestand notdürftig aufgepäppelt. Die fast 40 Jahre alten Fahrzeuge der Baureihen F74, F76 und F79 werden derzeit für weitere 20 Jahre fit gemacht.
Dabei halten sich die Innovationen für die Fahrgäste in Grenzen. Die Automatik-Türgriffe wurden durch Druckknöpfe mit Blindenschrift ersetzt, das Farbkonzept verändert und die Beleuchtung erneuert. Schließlich wurden noch Sitzplätze entfernt, um ein Mehrzweckabteil zu schaffen, sowie endlich die fehlenden Türschließknöpfe nachgerüstet.
Das größte Manko ist aber geblieben: die fehlenden Stationsanzeigen in den Zügen! Die sollten seit den 90er Jahren Pflicht sein. Nicht nur um Fahrgästen mit Höreinschränkung (sei es aus körperlichen Gründen oder wegen profaner Dinge wie Kopfhörer, lauter Umgebungsgeräusche oder unzureichender Lautsprecheransagen) die Möglichkeit zu geben, die nächste Station herauszufinden. Auch weil die BVG die einfachste visuelle Möglichkeit, nämlich das Aus-dem-Fenster-gucken-und-Bahnhofsschild-lesen, seit Jahren flächendeckend mit sichteinschränkenden Aufklebern mit unruhigem Muster behindert.
Schön, dass die BVG durch den Verzicht auf dringend benötigte Neufahrzeuge nach eigenen Angaben rund 150 Millionen Euro spart, doch dann müssen dringend Stationsanzeiger in den Zügen nachgerüstet werden, so wie es seit 20 Jahren Mindeststandard öffentlicher Verkehrsmittel ist. (hm)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 3/2013 (Juli 2013), Seite 6-7