Tarife

Clever kombiniert

Kombi-Tickets bei Veranstaltungen


IGEB Stadtverkehr

8. Jul 2013

Stadion an der Alten Försterei – bisher leider noch ohne Kombi-Ticket. Foto: union-foto.de

Kombitickets werden häufig für Großveranstaltungen angeboten, bei denen ein größeres Besucheraufkommen erwartet wird. Das betrifft zum größten Teil den Bereich Sport, aber auch kulturelle Veranstaltungen, wie beispielsweise Konzerte. Bei einem Kombiticket gelten die Eintrittskarten für die entsprechende Veranstaltung gleichzeitig als Fahrausweis in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das heißt, für die An- und Abreise können mit der Eintrittskarte alle Busse und Bahnen kostenlos genutzt werden. Oft sind die Fahrausweise am Veranstaltungstag bereits einige Stunden vor Beginn, und dann wieder nach der Veranstaltung, häufig sogar bis Betriebsschluss, gültig. Der Veranstalter zahlt dafür einen vereinbarten Betrag pro Ticket an das entsprechende Verkehrsunternehmen. Unter Umständen werden vom Verkehrsunternehmen zusätzliche Leistungen über das Standard-Angebot hinaus bereitgestellt. Nachfolgend geht es hauptsächlich um Kombitickets bei Sportvereinen mit regelmäßigem Spielbetrieb.

Vor einigen Jahren gab es eine Analyse des Münchner Verkehrsverbundes zum Kombiticket mit folgenden Ergebnissen:

ANZEIGE

In vielen Regionen in Deutschland gehören Kombitickets standardmäßig zum Angebot, während es z. B. in Berlin weniger stark genutzt wird.

Vorbild Freiburg

Vorreiter in Sachen Kombiticket ist Freiburg im Breisgau. Bereits seit der Saison 1993/94 gibt es eine entsprechende Zusammenarbeit zwischen dem Sportclub Freiburg und der Freiburger Verkehrs-AG. Mit großem Erfolg. Inzwischen wurde das Angebot auf alle Linienverkehre im Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF) ausgedehnt, wodurch die Anreise für die große Zahl der Fans aus dem Freiburger Umland noch attraktiver geworden ist.

Bis zu 25 zusätzliche Straßenbahnen gewährleisten, dass zu den SC Heimspielen etwa alle 2 Minuten eine Bahn fährt. Heute nutzen bis zu 12 000 Besucher pro Spiel diesen Service.

Ähnliche positive Beispiele gibt es auch aus anderen Verkehrsverbünden zu vermelden. Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gilt bei allen Fußballclubs der ersten und zweiten Liga im Verbundraum die Eintrittskarte zugleich als ÖPNV-Fahrkarte. Aktuell betrifft das insgesamt sechs Vereine. Darunter ist z. B. der FC Schalke 04, der mit der BOGESTRA eine mehrjährige Vereinbarung getroffen hat, die neben der kostenfreien Nutzung der VRR-Verkehrsmittel eine Bereitstellung von 34 zusätzlichen Straßenbahnen beinhaltet, die am Spieltag etwa 20.000 Fans befördern.

Im Verkehrsverbund Rhein-Neckar gibt es neben den Vereinen mit großem Zuschauerzuspruch auch entsprechende Vereinbarungen mit Vereinen, die eher geringe Besucherzahlen zu verzeichnen haben, wie beispielsweise der SV Sandhausen.

In Frankfurt am Main gibt es zwischen dem Fußballverein Eintracht Frankfurt und dem RMV ebenfalls eine entsprechende Lösung. Der ÖPNV-Anteil pro Ticket und Spiel liegt hier bei 1,18 Euro.

Auch in Hannover hat sich die Kombination von Eintrittskarte und kostenloser ÖPNV- Nutzung über viele Jahre bewährt. Tickets für Spiele in der dortigen AWD-Arena gelten an Spieltagen ab jeweils drei Stunden vor Spielbeginn bis Betriebsschluss als Fahrschein in den Verkehrsmitteln der GVH-Partner innerhalb des gesamten Tarifgebietes.

Für Spiele im Olympiastadion ist im Ticketpreis ein Anteil für die Nutzung der VBB-Verkehrsmittel enthalten, hier 1,18 Euro. Foto: Nick Esch

Stadion-Handbuch – falsche Prioritäten

Leider setzt die deutsche Fußball-Liga, die Dachorganisation aller 36 deutschen Profi- Fußballvereine, falsche Prioritäten in Bezug auf die Abwicklung des Stadion-Verkehrs. Im Artikel 25 des Stadionhandbuches, das als Basisdokument für die Vereine in Bezug auf Stadion-Neu- und -umbauten gilt, heißt es unter anderem:

Artikel 25: Zugänge, Zugangswege, Außenanlagen

(1) Das Stadion soll durch leistungsfähige Verkehrswege für den Individualverkehr erschlossen sein und – nach Möglichkeit – auch günstige Anbindungen an Massenverkehrsmittel haben.

Stand Mai 2013 Recherche IGEB

Die Folgen liegen auf der Hand. Anstatt eine für Großereignisse sinnvolle Anbindung an ein Massenverkehrsmittel zu fordern, wird dieser Punkt nur halbherzig erwähnt. Stattdessen wird die Anbindung an den (insbesondere motorisierten) Individualverkehr als das Non-Plus-Ultra angesehen. Das Ergebnis kann man z. B. in Sinsheim (TSG Hoffenheim) sehen. Hier entstand ein Stadion auf der grünen Wiese nahe der Autobahn mit riesigen Parkflächen, die nur alle zwei Wochen bei einer Veranstaltung genutzt werden. Dazu gibt es dann verstopfte Straßen am Veranstaltungstag, weil die meisten Besucher mit dem Auto anreisen (mangels Alternativen). Und wer doch den ÖPNV benutzen will, hat meist nur die Möglichkeit, einen halbherzig bereitgestellten Bus-Shuttle zu nutzen, der aber ebenso wie die Autos im Stau steht. Hier sind aber auch Politik und Stadtplanung gefordert, die solche Standorte bei Neubauten genehmigen und sich im Vorfeld über die entstehenden Probleme im Klaren sein müssen.

Situation in Berlin

Im Februar fand in Berlin das Stadtderby Hertha gegen Union im ausverkauften Berliner Olympiastadion statt. Positiv zu vermerken ist hier die Tatsache, dass die Eintrittskarten für die Begegnung dem Karten- Inhaber die Möglichkeit gab, ab 5 Stunden vor dem Spiel bis 3.00 Uhr des Folgetages im Tarifbereich Berlin ABC unentgeltlich die öffentlichen Verkehrsmittel für die An- und Abreise zu nutzen. Im Ticketpreis war jeweils ein Anteil von 1,18 Euro für die Nutzung der VBB-Verkehrsmittel enthalten.

Situation an der Haltestelle Alte Försterei vor dem Spiel des 1. FC Union Berlin gegen den FC St.Pauli am 15. März 2013. Foto: Jens Ullrich

Leider hat die S-Bahn Berlin GmbH ihre Versprechungen für dieses Spiel nicht im erhofften Umfang eingehalten. Vor allem nach dem Spiel war von 6 Fahrten innerhalb von 20 Minuten nichts zu sehen. Das war definitiv kein guter Auftritt der S-Bahn – gerade vor dem Hintergrund, dass sich die S-Bahn an diesem Tag im Stadion rund um das Spiel in großem Umfang als Sponsor präsentiert hat und auch Herr Buchner persönlich im Interview vor dem Spiel angekündigt hatte, dass nach Spielschluss alles getan wird, damit die Stadionbesucher schnell wieder nach Hause kommen.

Das Olympiastadion wird regelmäßig von Hertha BSC genutzt. Zusätzlich gibt es einzelne weitere Veranstaltungen im Jahr wie das DFB-Pokalfinale, das Istaf (Leichtathletik), Fußball-Länderspiele sowie Konzerte. Bei Tickets der Spiele von Hertha BSC ist die kostenlose Nutzung des VBB enthalten. Der Anteil pro Spiel und Ticket beträgt in dieser Saison 1,18 Euro. Neben Hertha BSC wird leider bei keinem größeren Berliner Sportverein die Kombination von Eintrittskarte und kostenloser ÖPNV-Nutzung angeboten.

Alte Försterei – Kombiticket überfällig

Besonders brisant ist die Situation mittlerweile bei Spielen im Stadion an der Alten Försterei in Köpenick. Die Zuschauerzahlen sind in den letzten Jahren rasant gestiegen. Am Ende der Saison 2012/2013 gab es einen Zuschauerrekord. Noch nie waren in einer Saison so viele Zuschauer im Stadion anwesend. Das Interesse von Besuchern auch von außerhalb Berlins hat stark zugenommen. Anfang Februar 2013 wurde die neue Haupttribüne im Stadion vorläufig in Betrieb genommen, was die Kapazität des Stadions noch einmal deutlich auf mittlerweile knapp 22 000 Plätze erhöht hat. Die endgültige Eröffnung findet am 12. Juli statt. Hoffentlich schafft man es bis dahin, ein angemessenes Angebot bereitzustellen. Die ausverkauften Spiele gegen St. Pauli und Dresden im Frühjahr haben gezeigt, dass das derzeitige Angebot nicht mehr ausreicht.

So gab es z. B. auf der S3 am 12. Mai 2013 Schienenersatzverkehr. An diesem Tag fand das letzte Union-Heimspiel der Saison vor knapp 20 000 Zuschauern statt. Das Stadion konnte neben dem S-Bahn SEV, der ca. alle 15 Minuten fuhr, nur wie üblich jeweils alle 20 Minuten mit den Straßenbahnlinien 27 und 63 erreicht werden. Das war definitv unzumutbar!

Leider scheint bei Union kein Interesse an einer Kombiticket-Lösung mit der BVG bzw. der S-Bahn GmbH zu bestehen. Auf der Homepage des Vereins kann man dazu lesen:

Frage: Gilt meine Eintrittskarte auch für die öffentlichen Verkehrsmittel?

Antwort: Die Eintrittskarte zum Heimspiel des 1. FC Union Berlin e. V. berechtigt nicht zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.

Auch die Schaffung von 600 neuen Parkplätzen auf dem Stadiongelände löst das Problem keineswegs. Diesen 600 Parkplätzen stehen immerhin 4000 zusätzliche Plätze im Stadion gegenüber. Damit ist eine Verbesserung der Situation beim ÖPNV unerlässlich. Mit einem Kombiticket müsste natürlich auch eine dringend benötigte Erweiterung des Angebots einhergehen, vor allem bei der Straßenbahn. Im Tagesspiegel vom 15. August 2012 wurden entsprechende Erfahrungen in einem Artikel wie folgt kommentiert:

Schön, mit dem Auto. Sonst fährt hier ja die Straßenbahn stur im Sonntagstakt, da kommt nach dem Spiel keiner rein. Berlin ist echt die einzige Stadt der Welt, wo nach so einer Veranstaltung, wo 18 000 Leute rauskommen, nicht mal ein Sonder-Eselskarren bereitsteht. Krank.

Leider wird auch keine Zwischenendstelle in Stadionnähe eingerichtet, mit der wenigstens Einsetzfahrten möglich wären. Die neue Endstelle am FEZ ist für den Stadionverkehr eher ungeeignet.

O2-World – gut erreichbar, aber ohne Kombiticket

Die O2-World am Ostbahnhof ist Berlins größte Veranstaltungshalle. Neben dem regelmäßig hier spielenden Eishockey-Team Eisbären Berlin und den Basketballern von Alba Berlin finden außerdem häufig Konzerte statt.

Eintrittskarte für ein Konzert in der Parkbühne Wuhlheide mit Nutzungsmöglichkeit für alle VBB-Verkehrsmittel im Tarifbereich Berlin ABC. Foto: Nick Esch

Auf der Internetseite zur O2-World kann man folgenden Eintrag in den FAQ lesen:

Frage: Sind Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit den erworbenen Tickets möglich?

Antwort: In der Regel gelten die Tickets nicht für Fahrten mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln.

Auf der Internet-Seite der S-Bahn findet man noch diesen zusätzlichen Hinweis für Monats- oder Jahreskarten-Besitzer.

Für die gemeinsame Anreise mit Angehörigen möchten wir Abonnenten der VBB-Umweltkarte auf die Mitnahmeregelung ihres Tickets hinweisen.

Die Aussage ist zwar prinzipiell korrekt, allerdings ersetzt das natürlich nicht die dringend benötigte Kombiticket-Vereinbarung.

Füchse Berlin – Rolle rückwärts

Auch in Potsdam wird ein Kombiticket angeboten und sogar explizit damit geworben. Plakat: SV Babelsberg 03

Die Handballmannschaft der Reinickendorfer Füchse trägt ihre Heimspiele in der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg aus. Trotz regelmäßig gut gefüllter Halle gibt es auch hier leider keine Kombitickets. Obwohl es diese in der Vergangenheit bereits gegeben hat. Zur Saison 2008/09 gab es dazu eine Presseerklärung:

Alle Einzel-Eintrittskarten für die 17 Bundesliga Heimspiele in der Max-Schmeling-Halle, bzw. der O2- World sowie die Dauerkarten berechtigen zur Anfahrt ab zwei Stunden vor Spielbeginn und zur Abfahrt bis 3 Uhr des Folgetages innerhalb des VBB-Tarifbereichs Berlin ABC. Dieses BVG- Kombiticket ist eine Reaktion der Füchse Berlin auf die steigenden Sprit- bzw. Energiepreise und garantiert den Zuschauern eine kostenfreie An- und Abreise zu den Spielen. „Während andere ihre Preise erhöhen, bleiben wir konstant und geben den Zuschauern mit dem Kombiticket sogar noch einen Bonus“, ist Geschäftsführer Bob Hanning mit der Aktion zufrieden. Die BVG begrüßt die mit den Füchsen Berlin geschlossene Kombiticketvereinbarung, da somit noch mehr Handball-Fans auf Bahnen und Busse umsteigen werden. Damit wird ein aktiver Beitrag für mehr Stadtverträglichkeit und Umweltschutz in Berlin geleistet. Außerdem entfällt gleichzeitig die sehr schwierige Parkplatzsuche vor der Max-Schmeling-Halle.“

Positives aus Potsdam

Einen gänzlich anderen Weg geht man vor den Toren Berlins. In Potsdam ist der SV Babelsberg 03 im gleichnamigen Stadtteil beheimatet. Der bisherige Drittligist hatte im Schnitt nur rund 3000 Zuschauer, hat aber dennoch eine Kombiticket-Vereinbarung u. a. mit der ViP geschlossen. Die Tickets gelten zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Tarifgebiet Berlin-ABC (Berlin und Stadtgebiet Potsdam). Der Verein will damit auch Berliner Fußball-Begeisterte dazu animieren, einmal ein Spiel in Potsdam zu besuchen.

Sonstige Großveranstaltungen

Kombitickets finden natürlich nicht nur bei Sportvereinen Anwendung, sondern z. B. auch bei Messen oder Musik-Konzerten. In Berlin wären da als Veranstaltungsorte das Messegelände unter dem Funkturm, die Waldbühne, die Parkbühne Wuhlheide und das Velodrom an der Landsberger Allee zu nennen.

Leider werden bei der Messe Berlin keine Kombitickets angeboten. Gerade bei großen Messen würde sich das allerdings anbieten, da hier viele auswärtige Besucher nach Berlin kommen. Zum Beispiel bei der Internationalen Funkausstellung IFA heißt es offiziell dazu:

Tickets gibt es vor Ort sowie an allen Fahrkartenautomaten und Verkaufsstellen der S-Bahn und BVG. IFA-Tickets berechtigen nicht zur kostenlosen Nutzung der Berliner Nahverkehrsmittel wie Bus, U-Bahn oder S-Bahn.

Man kann also die Veranstaltungs-Tickets an den Automaten der öffentlichen Verkehrsmittel kaufen, kann diese aber nicht nutzen, um zur Veranstaltung zu kommen. Das ist nicht nachvollziehbar.

Besser sieht es da bei den beiden großen Freiluftbühnen aus. Sowohl bei der Parkbühne in der Wuhlheide als auch bei der Waldbühne ist im Ticketpreis die kostenlose Hin- und Rückfahrt im VBB-Tarifbereich Berlin ABC enthalten. Es ist schon erstaunlich, dass bei der Parkbühne Wuhlheide klappt, was nur knapp 2 km Luftlinie entfernt beim 1. FC Union nicht funktioniert.

Fazit

Massenverkehrsmittel sind geradezu ideal für die Bewältigung größerer Fahrgastströme, was vor allem bei Großveranstaltungen zum Tragen kommt. Es handelt sich nicht um täglich auftretende Verkehrsströme, doch der Aufwand für zusätzliche Infrastruktur hält sich in Grenzen. Man benötigt lediglich mehr Fahrzeuge für einen reibungslosen Ablauf, welche aber aufgrund der Tatsache, dass solche Veranstaltungen meistens abends oder am Wochenende stattfinden, aus den Fahrzeugen der HVZ-Spitze gestellt werden können.

Beim Autoverkehr sieht das ganz anders aus. Es entsteht ein hoher Flächenbedarf sowohl für den fließenden (zusätzliche oder breitere Straßen) als auch für den ruhenden Verkehr (riesige Parkflächen). Und das bei nur unregelmäßiger oder seltener Nutzung (z. B. nur zwei Mal im Monat).

Gerade für auswärtige Besucher einer Veranstaltung macht so ein Kombiticket das Leben ein Stück einfacher. Man muss sich in einer fremden Stadt nicht erst mit dem Kauf einer Fahrkarte beschäftigen, sondern kann seine Zeit z. B. für einen Stadtbummel oder ähnliches nutzen.

Ziel muss es daher sein, die Kombiticket- Angebote weiter auszubauen.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2013 (Juli 2013), Seite 22-24