Berlin
Ein neues Kapitel in der unendlichen Geschichte
1. Mai 2005
Als Anfang 2005 die Einladung zu einer Informationsveranstaltung des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg eintraf, glaubte so mancher, es handele sich um ein Thema für die „Saure-Gurken-Zeit". Denn alle paar Jahre geistert das Vorhaben S-Bahnhof Kolonnenstraße durch die Amtsstuben und die Presse. Aber dieses Mal scheint es (mal wieder) ernst gemeint zu sein: Der Neubau des S-Bahnhofs Kolonnenstraße wird mit Termin angekündigt. Seit 1985 wurde den Anwohnern der Schöneberger Insel in regelmäßigen Abständen verkündet, daß „Ihr" S-Bahnhof Kolonnenstraße in wenigen Jahren in Betrieb gehen werde. Doch Bauarbeiter wurden noch nie gesichtet.
Die Bahn AG hat nun einen Bauantrag gestellt und das Plangenehmigungsverfahren läuft derzeit. Baubeginn solle Anfang 2006, die Inbetriebnahme Anfang 2007. Es wird mit täglich 17.300 Ein- und Aussteigern gerechnet. Die Finanzierung des 6,4 Millionen Euro kostenden Bahnhofs teilen sich das Land Berlin, der Bund und die Bahn AG. Die Vereinbarung zur Finanzierung unter den Beteiligten sei aber noch nicht vollständig abgeschlossen, verlautete Mitte April aus der Senatsverkehrsverwaltung ...
Der Bahnhof soll zwei Außenbahnsteige unter der Julius-Leber-Brücke mit Zugängen von beiden Brückenseiten erhalten. An der nördlichen Brückenseite wird es je einen Aufzug geben. Die Treppen werden im Gewächshausstil eingehaust. Einen Zugang am nördlichen Ende des Bahnsteiges von der Helm-/Crellestraße aus wird es zunächst nicht geben, er kann aber später gebaut werden. Die bestehende separate Fußwegbrücke wird abgerissen und als ein an die Fahrbahn grenzender Gehweg mit dem Zugangsbauwerk zusammen neugebaut. Die Senatsverwaltung strebt an, die Bushaltestellen direkt auf die Brücke vor die Bahnhofseingänge legen zu können. Allerdings müssen das noch die Brückenstatiker prüfen. Fahrradstellplätze sind ebenfalls geplant.
Die Lage der S-Bahngleise bleibt unverändert. Die Bahnsteige werden mit Beton-Fertigteilen gebaut. Neben der Brücke und den überdachten Zugangsbereichen sind je Bahnsteig zwei Wetterschutzhäuschen in der Art einer Buswartehalle geplant. Zusätzlich ist ein Aufsichtshäuschen vorgesehen, das zur Fernabfertigung ausgerüstet wird. Schallschutzwände sind nach Aussage des Senats (glücklicherweise) nicht erforderlich.
Durch bereits bestehende Weichenverbindungen vor und hinter der Baustelle hofft die S-Bahn GmbH, die Betriebseinschränkungen so gering wie möglich halten zu können. Je nachdem, an welcher Kante gerade gebaut wird, können die Wannseebahnzüge das gegenüberliegende Gleis im Zweirichtungsverkehr nutzen. Bedeutende Fahrplaneinschränkungen sind damit nicht zu befürchten, verspricht die S-Bahn GmbH.
Das Logistik-Gütergleis zum Potsdamer Platz muß in seiner Lage etwas nach Westen verlegt werden, um Platz für den Außenbahnsteig Richtung Schöneberg zu schaffen. Später könnte dieses Gleis als Regionalbahngleis der Stammbahn über Düppel nach Potsdam und in den Tiergartentunnel zum Lehrter Bahnhof genutzt werden. Platz wäre auch noch für ein zweites Regionalbahngleis.
Eine Einbindung der langfristig geplanten S 21 über die Cheruskerkurve zum Südring ist ebenfalls möglich. Dazu kann der Außenbahnsteig Richtung Yorckstraße eine zweite Kante bekommen (Mittelbahnsteig), so daß ein bequemer Umstieg möglich würde. In der Diskussion ist noch der Name, mit dem der Bahnhof in Betrieb gehen soll. Die Vorschläge reichen vom alten Namen Kolonnenstraße über Julius-Leber-Brücke bis Schöneberger Insel.
Bereits 1881 gab es etwa an dieser Stelle einen Bahnhof für die Ringbahnzüge mit dem Namen Schöneberg. Später konnte man auch zu den Zügen der Potsdamer Bahn umsteigen. 1932 wurde der Standort in Kolonnenstraße umbenannt, da der heute existierende Bahnhof Schöneberg eröffnet wurde. 1944 hielt in Kolonnenstraße der letzte Zug. Die Reste des alten Bahnsteiges sind bis heute deutlich zu sehen.
Nach der Übernahme der S-Bahn durch die BVG 1984 sollte bereits 1985 mit dem Neubau begonnen werden, wegen Finanzierungsproblemen wurde der Termin aber ständig verschoben. Zuletzt war eine Eröffnung 2001 geplant. Die Fahrgäste und die Bewohner der dichtbesiedelten Schöneberger Insel hoffen darauf, daß sich die jetzige Planung halten läßt und nicht - wie bisher immer - wieder im Sande verläuft. Sicher an den Bahnhof glauben werden die meisten Fahrgäste erst, wenn der erste Zug im Bahnhof hält. Die Schöneberger wollen endlich ihren S-Bahnhof! (fm)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 2/2005 (April/Mai 2005), Seite 9