Brandenburg

Auf Abenteuerfahrt nach Teltow


Klaus Pegler, Berlin

1. Mai 2005

Die S-Bahn Berlin hatte eingeladen, und viele, viele kamen, um das große Fest zu feiern. Am 24. Februar 2005 fuhr die erste S-Bahn seit dem Mauerbau wieder nach Teltow, oder genauer, sie fuhr das erste Mal überhaupt nach Teltow Stadt, denn bis zum 12. August 1961 befand sich der Teltower S-Bahnhof weiter draußen, dort wo jetzt der Regionalbahnhof liegt. Der neue S-Bahnhof an der Mahlower Straße ist nur wenige Minuten vom historischen Teltower Stadtzentrum entfernt. Lediglich 25 Minuten soll die Fahrt in die Berliner Innenstadt dauern, also bis zum Potsdamer Platz, jubelte die S-Bahnzeitung „punkt 3" Großartig! Daß sich diese Angabe auf die Tage von Montag bis Freitag bezieht, steht nicht in den Jubelartikeln, sondern im hinteren Teil der Zeitung unter der Rubrik „fahren & bauen" Dort kann man sich unter Gewinn bringendem Einsatz der kleinen grauen Zellen zusammenreimen, daß Bauarbeiten die Fahrt nach Teltow am Wochenende verlängern und sie gar zu einem kleinen Abenteuer werden lassen. Wenn man es recht betrachtet, ist das natürlich kein Mangel, sondern im Gegenteil genau das Richtige für einen S-Bahn-Fan.

Pendelverkehr und Schienenersatzverkehr verärgerten die S-Bahn-Fahrgäste am Teltower Eröffnungswochenende. Foto: Florian Müller

Als ich am Sonnabend, dem 26. Februar, um 11.29 Uhr, von Frohnau nach Teltow aufbrach, war auf den Anzeigern des Bahnhofs kein Fahrziel angegeben; stattdessen leuchtete auf den beiden Bahnsteigseiten das rote Schild „Ansage beachten" Da man seit einiger Zeit die Zugabfertiger vom Frohnauer Bahnhof abgezogen hat, erwartete ich die Ansage natürlich von den Zugführern, aber der eine, der seinen Zug in Frohnau wendete, blieb stumm, während der andere, der aus Oranienburg kam und uns in die Stadt bringen sollte, den Fahrgästen etwas wortkarg erklärte, warum vorn an seiner Bahn als Fahrziel „Bornholmer Straße" angegeben war. Da war irgendwie von Pendelverkehr die Rede, aber seine Angaben ließen keine genauen Vorstellungen zu. Die Spannung sollte ja gewahrt bleiben.

Eröffnung mit Pendelverkehr...

Ich hatte wegen der schon seit einiger Zeit angekündigten Bauarbeiten am Signalsystem des Nord-Süd-Tunnels mit Pendelverkehr gerechnet, aber das, was mir bevorstand, übertraf meine kühnsten Hoffnungen. In der Vergangenheit hatte es an den Wochenenden immer wieder einmal Pendelverkehr zwischen Nordbahnhof und Potsdamer Platz mit Umsteigen in Friedrichstraße gegeben. Doch anstelle eines dreimaligen Zugwechsels hatte die S-Bahn Berlin GmbH am dritten der Teltower S-Bahntage für ihre Fahrgäste aus dem Norden ein siebenmaliges Umsteigen in ihrem Festprogramm, zumindest dann, wenn sie durch die Innenstadt fuhren und nicht ganz banal in Gesundbrunnen in die Ringbahn wechselten. Das hatte der Fahrer der S 2 zwischen Bornholmer Straße und Gesundbrunnen über Lautsprecher denjenigen Fahrgästen ans Herz gelegt, die nicht vorhatten, das Programm voll auszukosten. Diese Fahrgäste - natürlich keine echten Fans - durften auf ihrer Fahrt vom Norden nach Teltow nur viermal den Zug wechseln.

In Bornholmer Straße hieß es zunächst einmal, von einem zum anderen Bahnsteig zu hüpfen und in die S 2 zu steigen, die immerhin bis Nordbahnhof fuhr. Als echter Fan wechselte ich in Gesundbrunnen nicht zur Ringbahn, sondern blieb bis Nordbahnhof sitzen, denn erstens meinte ich, Anspruch auf das volle Programm zu haben, und zweitens wollte ich in der Friedrichstraße, wo ohnehin wieder umgestiegen werden mußte, noch schnell bei der „Distel" im Vorverkauf Eintrittskarten besorgen. Am Nordbahnhof mußte man wieder - treppauf-treppab - den Bahnsteig wechseln und in den Pendelzug zur Friedrichstraße steigen.

... und Schienenersatzverkehr

Meine Rechnung mit dem Kartenkauf ging allerdings nicht auf, denn am Sonnabend bleibt die Distelkasse tagsüber geschlossen. Also eilte ich zur S-Bahn zurück und harrte des Pendelzugs zum Potsdamer Platz, der auch nicht allzu lange auf sich warten ließ. Am Potsdamer Platz war das S-Bahnvergnügen erst einmal zu Ende. „Weiterfahrt mit dem Schienenersatzverkehr" verkündete der Bahnhofslautsprecher. Dummerweise wußte ich, daß die Haltestelle für die Busse über den Ausgang in Fahrtrichtung zu erreichen war. Auch ein paar Aufklebeschilder verrieten den Weg zum SEV. Der Lautsprecher verkniff sich in dieser Angelegenheit allerdings entsprechende Hinweise. Nur nicht zu viel verraten!

Mit viel Prominenz und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der Medien wurde die S-Bahn nach Teltow Stadt am 24. Februar mittags in Betrieb genommen. Foto: Winfried Oehmichen

Im Sturmschritt ging es zur Bushaltestelle. Der Fahrer wartete mit dem Abfahren immerhin so lange, bis ich kurz vor der Eingangstür war. Aber nur keine Panik, es gab ja eine „dichte Taktfolge" Und so gelangte ich - mir nichts, dir nichts - zu dem S-Bahnhof Yorkstraße, an dem an normalen Tagen die Züge der S 2 und der S 26 verkehren. Doch es war ja kein normaler Tag. Nach kurzer Wartezeit erschien aus Richtung Süden ein Zug, der am Bahnhof wendete und die Fahrgäste und Fans zum Bahnhof Papestraße brachte, bis zu dem der südliche Teil der S 2 verkehrte. Von der S 26 keine Spur. Die hatte an ihrem dritten Feiertag am Bahnhof Priesterweg ihre Endstation. Und so wurde mir das unverhoffte Glück zuteil, noch ein siebentes Mal umsteigen zu dürfen.

Doch ehe der Zug nach Teltow abfuhr, vergingen erst einmal ungefähr fünfzehn Minuten, denn zunächst war der Zug nach Lichterfelde Süd dran. Die Wartezeit hatte ich mir natürlich selbst zu verdanken, denn wäre ich in Friedrichstraße direkt umgestiegen, so hätte ich in Priesterweg Anschluß nach Teltow Stadt gehabt. Aber glücklicherweise war das ja nicht der Fall. Als unser Zug um 13.13 Uhrschließlich den neuen Bahnhof erreichte, hatte ich genügend Vorfreude angesammelt, um den letzten der drei Teltower Bahnhofstage in vollen Zügen zu genießen.

In vollen Zügen

Apropos in vollen Zügen. Die S-Bahn Berlin GmbH tat ihr Bestes, um uns das unter Fans so beliebte Drängeln zu ermöglichen. In ihrer fürsorglichen Art setzte sie auf den meisten der sieben Bahn-Teilstrecken von Frohnau nach Teltow Stadt Halbzüge ein. Vielen Dank. Um die Güte der GmbH nicht überzustrapazieren, begnügte ich mich auf dem Heimweg mit viermaligem Umsteigen, indem ich in Papestraße nach einem wunderbar langen Fußweg in die Ringbahn über Ostkreuz stieg und so leider schon nach einer Stunde und einundvierzig Minuten wieder am S-Bahnhof Frohnau ankam.

Klaus Pegler, Berlin

aus SIGNAL 2/2005 (April/Mai 2005), Seite 16-17