Verkehrsrecht & Tarife

Bahnaufsicht durch die PDS?

Die Bahnaufsichtsverordnung von 1976 gilt in drei Bundesländern noch heute


DBV

1. Mai 2005

Die Fortschreibung des Eisenbahnrechts in Deutschland unterliegt gegenwärtig einer rasanten Dynamik. Kaum ist eine Novelle zum Allgemeinen Eisenbahngesetz in Kraft getreten, arbeiten die Gesetzgeber schon an weiteren Veränderungen. Bekanntlich müssen zahlreiche EU-Vorgaben nunmehr zur unternehmerischen Trennung von Verkehrsdurchführung und Netzbetrieb, in nationales Recht umgesetzt werden.

Erstaunlich ist nun, daß an anderen, offenbar weniger beachteten Stellen in den Gesetzbüchern die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes stehen geblieben ist. So kann man beispielsweise unter § 48 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) immer noch die „Anforderungen an Betriebsbeamte" nachlesen, und schnell wird klar, daß diese Passagen wohl aus den guten alten Bundesbahnbehörden-Zeiten stammen müssen. Hier stellt sich im Grunde schon die Frage, ob diese Vorschriften auch auf die Angestellten der unzähligen privat getragenen Bahngesellschaften zutreffen.

Noch interessanter wird es in den Rechtsbereichen der (nun eigentlich gar nicht mehr so) neuen Bundesländer. Hier findet man unverändert noch ehemaliges DDR-Recht, das per Einigungsvertrag immer noch Gültigkeit besitzt. So wird der Leser der „Anordnung über den Bau und Betrieb von Anschlußbahnen" (BOA) vom 13. Mai 1982 schon einleitend darauf hingewiesen, daß die Anschlußbahnen Bahnen des nichtöffentlichen Verkehrs „Bestandteil des einheitlichen sozialistischen Transportsystems der Deutschen Demokratischen Republik" sind.

Um es gleich klarzustellen: Es geht hier nicht darum, diese oder ähnliche gesetzliche Regelungen aus DDR-Zeiten ins Lächerliche zu ziehen - gerade die BOA ist ein von vielen Fachleuten anerkanntes praxisorientiertes Werk. Andererseits sollte ein Gesetz keine Unklarheiten, Interpretationsschwierigkeiten und Umsetzungshindernisse beinhalten. Dieses Manko lastet naturgemäß auf diesen DDR-Gesetzen, da diese auf einer nicht mehr gegebenen Rechtsordnung beruhen.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Verordnung über die Staatliche Bahnaufsicht - Bahnaufsichtsverordnung (BAVO) - vom 22. Januar 1976. Diese Verordnung gilt beispielsweise immer noch in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen. Unter § 1 dieser Verordnung heißt es u.a.. „Der Minister für Verkehrswesen ist für die Staatliche Bahnaufsicht verantwortlich ... Die Staatliche Bahnaufsicht erfüllt ihre Aufgaben auf der Grundlage der Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften sowie der Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte"

Hier könnten interessante Fallkonstellationen ausgetüftelt werden, da die PDS ja bekanntlich Rechtsnachfolgerin der SED ist. Somit wären - würde man eins zu eins nach den Buchstaben des Gesetzes gehen - Beschlüsse der PDS bindend für die Aufgabenwahrnehmung der Bahnaufsichten. Eine Einflußnahme der PDS auf die Arbeit der Bahnaufsichten wäre auf den ersten Blick eine theoretische Möglichkeit.

Zusammenfassend soll dafür plädiert werden, neben den „großen" Bahn-Gesetzeswerken wie dem Allgemeinen Eisenbahngesetz auch einmal die nachrangigen Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Länderebene durchzuschauen, zu „entrümpeln" und besser als in der Vergangenheit zu pflegen. Die Anwender, vor allem Bahnunternehmen, Gleisanschließer und Verkehrsbehörden, würden es danken.

DBV

aus SIGNAL 2/2005 (April/Mai 2005), Seite 23