International
Kleine Anfrage vom 23. November 2004
1. Mai 2005
Antwort: (...) Zwischen Deutschland und Polen wurde am 30. April 2003 ein Abkommen geschlossen, das neben dem Ausbau der Bahnstrecke Berlin—Warschau für den Personenverkehr auch den Ausbau der Strecke Dresden—Görlitz—Breslau auf bis zu 160 km/h vorsieht.
Es ist zutreffend, daß seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2004 der Eisenbahnfernverkehr Dresden—Görlitz—Breslau „aus wirtschaftlichen Gründen" entfällt. Neben der DB AG haben auch dritte Eisenbahnunternehmen (wie z. B. Connex) bisher kein Interesse, unter den derzeitigen Bedingungen (Trassenpreise und Netzzugang über die deutsch-polnische Schnittstelle) die Schieneninfrastruktur der DB Netz AG für einen eigenwirtschaftlichen Fernverkehr nach Breslau zu nutzen.
Antwort: Der Senat sieht darin negative Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Berlin. Posen ist Messestadt, wirtschaftliches Zentrum Polens und europäische „Boom"-Region. Da es zwischen Berlin und Posen keinen Regionalflugverkehr gibt (was angesichts der Entfernung auch nicht sinnvoll wäre), ist die Nutzung des Pkw im Geschäfts- und Dienstreiseverkehr die einzige Alternative. Aufgrund einer fehlenden Autobahn östlich von Frankfurt (Oder) und fehlender Ortsumfahrungen in Polen ist eine Fahrzeit mit dem Pkw von 4,5 bis 5 Stunden pro Richtung erforderlich (gegenüber 3 Stunden bei Nutzung des IC). Eine Nutzung des IC als „Flughafen-Zubringer" für Posen zu den Berliner Flughäfen scheidet weitgehend aus.
Im Falle, daß die letzte Verbindung nach Posen (Berlin Zoologischer Garten ab 16.26 Uhr) vom Flughafen nicht erreicht wird, gibt es für polnische Bürger einen Übernachtungszwang in der Stadt. Posen ist auch weitgehend vom deutschen IC-/ICE-Netz abgehängt. So sind z. B. die von Berlin nur 90 Minuten entfernte Messestadt Hannover und die Metropole Hamburg für Tagesfahrten von Posen aus nicht erreichbar. Posen kann mit ICE-Verbindungen aus Süddeutschland nur bei sehr frühen Abfahrten erreicht werden.
Antwort: Ja. Nach Artikel 87 e Absatz 4 Grundgesetz trägt der Bund die Verantwortung für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV), d. h. er hat ein dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen entsprechendes Verkehrsangebot im SPFV auf dem Schienennetz der Eisenbahnen des Bundes zu gewährleisten. Die Bundesregierung vertritt dazu die Auffassung, daß der Bund seine Verpflichtung durch Investitionen auf Grundlage des Bundesschienenwegeausbaugesetzes erfüllt und daß die konkrete Ausgestaltung des Angebotes den Eisenbahnverkehrsunternehmen unter Berücksichtigung der Verkehrsnachfrage und betriebswirtschaftlichen Randbedingungen obliegt.
Demgegenüber hat die Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) bereits mit Beschluß vom 15./16. Mai 2001 deutlich gemacht, daß die Finanzierung der Infrastruktur für den SPFV allein nicht ausreichend ist, um dem Artikel 87 e des Grundgesetzes genüge zu tun. Vielmehr müsse die Bundesregierung zusätzlich durch gesonderte Maßnahmen dem Wohl der Allgemeinheit auch bei den Angeboten des SPFV Rechnung tragen. Insofern bedarf der Gewährleistungsauftrag des Bundes noch einer weiteren bundesgesetzlichen Regelung. Berlin wird im Rahmen seiner künftigen Vorsitzfunktion in der VMK versuchen, zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von Bund und Ländern zu vermitteln und sich für eine Herstellung der Chancengleichheit im intermodalen Wettbewerb zugunsten des umweltfreundlichen Verkehrsträgers Schiene einzusetzen. Gleichzeitig ist der Senat der Meinung, daß durch die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf der Schiene (intramodaler Wettbewerb) neue Angebote auch im internationalen Verkehr generiert werden können.
Obwohl der Senat keine direkten Zuständigkeiten hat, wird er versuchen, durch einen Dialog mit allen Akteuren (Bund, Polen, Eisenbahnunternehmen) auch kurzfristig kleine Verbesserungsmöglichkeiten auszuloten. Der Senat ist dazu auch mit den Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen in Kontakt getreten. Durch eine Steuerungsrunde „Berlin—Stettin", zu welcher der Senat alle Akteure eingeladen hatte, konnten bereits einige Verbesserungen erzielt werden. So gibt es z. B. seit dem 12. Dezember 2004 eine IC-Verbindung Stettin—Berlin—Amsterdam.
Der Senat wird außerdem die eingerichtete Steuerungsrunde zur Vorbereitung des 160jährigen Eisenbahnjubiläums Berlin—Breslau im Jahr 2006 auch für den Dialog mit den zuständigen Akteuren zugunsten dieser Verbindung nutzen. Der Senat hat außerdem Kontakte zur Stadtverwaltung Posen und zur Wojewodschaft Großpolen aufgenommen mit dem Ziel, auf deutscher und polnischer Seite koordiniert vorzugehen.
Antwort: Nein. Zum Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2004 haben der DB Regio Verkehrsbetrieb Sachsen und die polnische Eisenbahn PKP individuell einen grenzüberschreitenden Nahverkehr Görlitz—Zgorzelec vereinbart. Er wurde nicht durch die Aufgabenträger bestellt.
Zu Verbesserungen des Eisenbahnverkehrsangebotes zwischen Berlin und Posen wird auf die Antwort zu Frage 3. verwiesen. Unterstützend ist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) mit der Wojewodschaft Lebuser Land im Gespräch, um Verbesserungen zu realisieren. Dem Senat ist jedoch bewußt, daß die Realisierung von Lösungen wegen der wirtschaftlichen Situation in Polen schwierig ist.
Berlin, den 4. Januar 2005 Staatssekretärin Maria Krautzberger, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Frank Jahnke (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
aus SIGNAL 2/2005 (April/Mai 2005), Seite 24-25