Überregional
Wann endlich werden Reisebusse mautpflichtig?
1. Jul 2005
Jeder Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 12 Tonnen muß seit dem 1. Januar 2005 bei der Benutzung von Autobahnen in Deutschland eine Benutzungsgebühr entrichten: die Autobahnmaut. Damit wurde in Deutschland endlich auch im Straßenverkehr ein erster Schritt in Richtung Nutzerfinanzierung getan. Vergessen ist das jahrelange Geschrei und Gezänk, das seit dem grundsätzlichen Beschluß zu einer Mauteinführung überall zu hören war. In den meisten umliegenden Staaten ist eine Benutzungsgebühr schon seit Jahren üblich. Nun muß der Lkw-Maut eine Maut für Reisebusse folgen, fordert der Deutsche Bahnkunden-Verband.
Vom 15. August 2001 bereits stammt der Beschluß des Bundeskabinetts zur Einführung von „streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" Abhängig von Achslast und Schadstoffausstoß sollen es pro gefahrenem Kilometer, ob beladen oder unbeladen, zwischen 10 und 17 Cent sein. Der Bund-Länder-Kompromiß vom 21. Mai 2003 legte dann eine Gebühr nur zwischen 9 und 14 Cent fest.
Gestritten wurde auch darüber, wohin die Einnahmen fließen werden. Vom Einstellen in den Bundeshaushalt bis zur kompletten Verwendung für den Straßenbau (so der Deutsche Industrie- und Handelstag vom 22. September 2000) waren vielerlei Forderungen zu hören. Auch hier ist ein Kompromiß herausgekommen. Für 2005 rechnet Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) mit drei Milliarden Euro Einnahmen aus der Maut. Nach Abzug der Kosten für die laufenden Kontrollen und der Kosten für das System verbleiben etwa 2,4 Milliarden Euro. Diese sollen komplett in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zurückfließen. 1,2 Milliarden Euro sollen in den Bundesfernstraßenbau investiert werden, 920 Millionen in die Bundesschienenwege und 290 Millionen erhalten die Wasserstraßen des Bundes.
Die Maut verteuert Lkw-Transporte und der Schwerlastverkehr wird zum Unterhalt des von ihm belasteten Straßennetzes herangezogen. Da Wünschen in der Politik manchmal hilft, erhoffen sich SPD und Grüne mit der Mauteinführung auch eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, werden die nächsten Jahre zeigen. Problematisch könnten sich in diesem Zusammenhang die in den vergangenen Jahren in Folge des „MORA C"-Projektes aufgegebenen infrastruktuerellen Bahnressourcen - Gleisanschlüsse, Verladestellen, Zuführungsstrecken - erweisen.
Schon jetzt beklagt der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV), daß die Transportlaufzeiten auf der Schiene im Teilladungs- und Ladungsverkehr nur teilweise den Wünschen der Verlader gerecht werden und Kapazitäten im sogenannten „Nachtsprung", also dem Transport zwischen 20 Uhr abends und 5 Uhr früh, in der Regel nicht zur Verfügung stünden. Die in den letzten Jahren eingeführte Nachtruhe auf vielen Strecken und Stellwerken macht den Gütertransport unattraktiv, weil dadurch Umwege (über verfügbare Strecken) gefahren werden müssen, die Transportkosten steigen und die Züge länger unterwegs sind.
Die Praxis hat allerdings gezeigt, daß Kooperationen mit NE-Bahnen genutzt werden können, um Flächenverkehre zu erhalten oder auszubauen.
Auch die gesetzliche Festschreibung, daß Mittel aus der Maut nur in die Bundesschienenwege fließen dürfen, wird nicht zu einer nennenswerten Verlagerung von Straßenverkehren führen, weil die DB AG, ihrem eigenen Interesse folgend, das ihr zur Verfügung stehende Geld natürlich für den Ausbau der Infrastruktur dort einsetzen wird, wo es ihr am meisten Mehreinnahmen verspricht. Diezahlreichen nichtbundeseigenen Eisenbahnen, die für die verladende Wirtschaft überall die kleinen Güterverkehrsstellen bewirtschaften und sich um die ebenfalls zahlreichen Gleisanschlußkunden kümmern, deren Wagenaufkommen meilenweit von den Vorgaben der DB AG entfernt sind, gehen mit wenigen Ausnahmen leer aus. Hier fordert der DBV, daß eine Gleichbehandlung erfolgen muß, denn von einem Mehr bei den Schienentransporten profitieren alle. Gerade der Wiederaufbau eines feinverästelten Güter-Schienennetzes hätte eine spürbare Entlastung von Autobahnen und Straßen vom Lkw-Verkehr zu Folge.
Bedauerlicherweise läßt die Autobahnmaut eine Nutzergruppe völlig außer Acht, die nach Meinung der Deutschen Bahnkunden-Verbandes ebenfalls an der Finanzierung des Autobahnnetzes beteiligt werden muß: den Reisebus-Verkehr. Auch die vielen Busreiseanbieter profitieren von einem gut ausgebauten Straßen- und Autobahnnetz, ohne daß sie für die Unterhaltung und Reparaturen einen angemessenen Beitrag leisten müssen. Im Rahmen der Gleichbehandlung besteht hier dringender Handlungsbedarf!
Gilt die Autobahnmaut für Lkw ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 Tonnen, wiegen moderne Reisebusse in der einstöckigen Variante besetzt im Durchschnitt 18 Tonnen, als Doppeldecker sogar um die 26 Tonnen. Im Sinne der Gleichbehandlung darf es keine Ausnahme für Reisebusse geben, die ebenfalls das Straßennetz übermäßig stark beanspruchen.
Durch eine Busmaut wäre auch der Wettbewerb zwischen Straße und Schiene im Personenverkehr ein kleines Stück gerechter. Warum nicht einmal in Ansätzen über die Mautpflicht für Reisebusse bisher öffentlich nachgedacht wurde, kann nur dem Umstand geschuldet sein, daß der Einfluß der Buslobby sehr groß ist.
Auch hier sind uns die Österreicher einen Schritt voraus. Nicht nur, daß Lkw und Busse ab einem zulässigen Gesamtgewicht ab 3,5 Tonnen mautpflichtig sind. Je nach Achsenzahl wird pro Reisebus und gefahrenem Kilometer eine Gebühr zwischen 0,130 Euro (für Busse mit zwei Achsen) und 0,273 Euro (mit vier Achsen) fällig. In Deutschland jedoch schweigt man lieber über solche Gleichbehandlung.
Bedauerlicherweise nimmt Bundesverkehrsminister Stolpe hier eine eindeutige Bremserposition ein. Die Busbranche hätte keine Maut zu befürchten - so seine Äußerung auf dem Bundesverbandstag der Deutschen Omnibusunternehmer am 8. März 2005. Wo bleiben da die gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen Schiene und Straße?
Seit Mitte Januar 2005 wurden weitere Begehrlichkeiten öffentlich geäußert. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte, auch Bundesstraßen in die Maut einzubeziehen. Um diese Forderung mit Fakten unterlegen zu können („Mautflüchtlinge"), seien in Bayern an Stellen, die als Ausweichroute genutzt werden, Verkehrszähler angebaut worden. Nach Becksteins Ansicht verleiten insbesondere gut ausgebaute Bundesstraßen, die parallel zu Autobahnen verlaufen, zur Nutzung als Ausweichroute.
Das Mautgesetz, so das Bundesverkehrsministerium, könne ohne Probleme auch auf solche Bundesstraßen angewandt werden. Die Zeitung „Die Welt" berichtete in ihrer Ausgabe vom I.März 2005 über Bürgerinitiatven im Hamburger Umland, die sich dort unlängst gründeten. Auch andernorts haben sich an hochbelasteten Bundes- und Landesstraßen, die bisher nicht mautpflichtig sind, Anwohner zusammengefunden. Sie alle machen darauf aufmerksam, daß durch die Zunahme des Lkw-Verkehrs die Wohnqualität und die Sicherheit leiden.
Jedoch scheint das jetzige System der Erfassung und Kontrolle für eine Ausweitung auf Bundesstraßen - ja vielleicht sogar auf alle Straßen - ungeeignet, denn der Aufwand hierfür ist viel zu groß. Können Sie sich vorstellen, sowohl auf Bundes- als auch Landesstraßen alle paar hundert Meter, mindestens jedoch an jeder Kreuzung, eine dieser Mautbrücken in die Landschaft zu stellen? Da machen es wiederum unsere österreichischen Nachbarn wesentlich eleganter. Dort sind die Erfassungsgeräte viel kleiner und auch viel preiswerter. So schick das deutsche Mautsystem, ja vielleicht sogar einmalig es auch sein mag: Es besticht im negativen Sinne durch seine Schwerfälligkeit und seine besonders hohen technischen Voraussetzungen. Das sind keine guten Voraussetzungen für die Ausweitung auf weitere Straßensysteme oder sogar einen Export in andere Länder.
Trotz aller Schwächen des deutschen Systems hat die Lkw-Maut zu einer Sensibilisierung von politisch Verantwortlichen und Bürgern in Deutschland beigetragen. Es ist kein Tabuthema mehr, daß auch der Straßenverkehr zur Finanzierung der von ihm genutzten Verkehrswege beitragen muß. Das Argument, daß jeder für die Nutzung seines Verkehrsweges auch zahlen soll, ist nur dann gut, wenn es auch konsequent angewendet und umgesetzt wird. Ausnahmen darf es nicht geben, weshalb die seit Jahresbeginn gültige Maut nur der Anfang eines grundsätzlich richtigen Systemswechsels bei der Verkehrswegefinanzierung sein darf.
Deutscher Bahnkunden-Verband
aus SIGNAL 3/2005 (Juni/Juli 2005), Seite 14-15