Berlin

BVG: Kleine Nachbesserungen kommen - große Lücken bleiben

Zum 23. Juni 2005 hat die BVG ihr am 12. Dezember 2004 eingeführtes Linienkonzept BVG 2005 plus erneut nachgebessert. Viele Fahrgasteingaben, Proteste verschiedener Interessengruppen, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Aufgabenträger und Eingaben auch der IGEB veranlaßten die BVG, dem öffentlichen Druck nachzugeben und im Ergänzungslinienetz Verbesserungen vorzunehmen, um damit unhaltbare Härten in einzelnen Stadtgebieten abzumildern.


IGEB Stadtverkehr

1. Jul 2005

Neben den bereits am 26. Februar erfolgten beiden Liniennetzänderungen in Moabit (Omnibuslinie / OL343) und Treptow (0L 365 / vgl. SIGNAL 2/2005 ) plant die BVG zum Sommerfahrplanwechsel einige weitere kleinere Änderungen im Ergänzungsliniennetz. Dem vorausgegangen waren intensive Gespräche zwischen dem Aufgabenträger und der BVG, in deren Ergebnis die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu einigen Punkten die BVG anwies, bestimmte Nachbesserungen durchzuführen - ein bemerkenswerter Vorgang.

Hierzu gehört auch die Wiederherstellung einer direkten Straßenbahnverbindung aus der Rhinstraße zum Krankenhaus Herzberge in Lichtenberg analog der ehemaligen Straßenbahnlinie (SL) 27. Proteststürme Betroffener, darunter vieler behinderter Bürger, die auf die umsteigefreie Direktverbindung zum Evangelischen Krankenhaus Herzberge angewiesen sind, haben schließlich die Senatsverwaltung veranlaßt, diese Verbindung zu fordern. Wir haben bereits in SIGNAL 2/2005 die Gründe für die Notwendigkeit dieser Verbindung ausführlich dargelegt.

Fahrgastpotential der neuen SL 37 wird nicht ausgenutzt

Die BVG hat diese Anweisung des Aufgabenträgers leider nur halbherzig umgesetzt, denn nicht etwa die früher durch die alte SL 27 abgedeckte Direktverbindung aus der Großsiedlung Fennpfuhl zu den anderen Lichtenberger Ortsteilen Friedrichsfelde und Karlshorst wurde wiedereingeführt, sondern die neue SL 37 verkehrt erst ab Betriebshof Lichtenberg/Siegfriedstraße über das Krankenhaus Herzberge und weiter über Rhinstraße nach Schöneweide. Damit profitieren nur die direkt aus dem Krankenhaus Herzberge kommenden Fahrgäste mit Fahrtzielen in Friedrichsfelde und Karlshorst von der neuen Direktverbindung, alle anderen müssen weiter an der fußgängerfeindlichen Kreuzung Rhinstraße/Allee der Kosmonauten umsteigen. So wird es der BVG dann in Kürze sicherlich nicht schwer fallen, unter Verweis auf die geringe Auslastung der Übereckverbindung die erneute Einstellung zu fordern. Die Verkehrsleistungen der neuen SL 37 bedeuten im Übrigen für die BVG keinen betrieblichen Mehraufwand, weil dafür die bisher an der Gehrenseestraße endenden Verstärkerfahrten der SL 17 eingestellt wurden.

Im Dezember 2004 wurde die Buslinie 348 auf dem Südwestkorso ersatzlos eingestellt. Ab 23. Juni 2005 verkehrt sie hier wieder, wird aber weder den Alexanderplatz noch die für die Fahrgäste wichtigen Zielgebiete Kaiser-Wilhelm-Platz, Potsdamer Straße und Potsdamer Platz erreichen, denn die neue Endstelle heißt Sportzentrum Schöneberg (am Sachsendamm). Foto: Marc Heller

Die mit der Einführung von BVG 2005 plus zur Berliner Allee/Indira-Gandhi-Straße zurückgezogene OL 259 verkehrt wieder über die Hansastraße bis zum Stadion Buschallee und stellt somit wieder eine Verbindung zur Wohnsiedlung in der (südlichen) Hansastraße her. Auch hier agierte die BVG nicht aus freien Stücken, denn Anlaß für die Verlängerung war die Weisung der Straßenverkehrsbehörde, daß die bisherige Endstelle in der Indira-Gandhi-Straße aus Verkehrssicherungsgründen nicht bestehen bleiben darf. Mangels Endstellenalternativen wird jetzt die alte Linienführung wieder aufgenommen. Der Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil es selten vorkommt, daß sich die Arbeit dieser sonst eher dem reibungslosen Individualverkehr verpflichteten Verwaltung positiv für die Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs auswirkt.

Gravierende Nachteile waren durch die Neuordnung der OL 140 und 170 in Tempelhof entstanden. Unter anderem fiel zwischen Berlinickeplatz und der südlichen Manteuffelstraße die ehemalige OL 170 ersatzlos weg. Diese Lücke wird nun im Tagesverkehr von der veränderten OL 284 geschlossen, die jetzt zwischen S-Bahnhof Tempelhof und Attilaplatz über Berlinickeplatz verkehrt. Zwangsläufige Folge dieser Maßnahme ist, daß die Verbindung zwischen Manteuffelstraße und Rathaus Tempelhof über die Albrechtstraße nur noch von der OL 184 bedient wird. Somit gibt es auf beiden Ästen außerhalb der HVZ nur noch einen 20-Minuten- anstelle des bisherigen (und auch bis Dezember 2004 üblichen) 10-Minuten-Taktes. Dennoch scheint die Maßnahme als ein kostenneutraler Kompromiß akzeptabel.

Späte Einsicht für Moabit

Auch in Moabit wird noch ein wenig herumgebastelt. So fährt die OL 123 neu über die östliche Turm- und die Rathenower zur Perleberger Straße. Die bislang nur in südliche Richtung durch die Einrichtungs-Ringlinie 342 angebundene Rathenower Straße erhält somit wieder eine bessere Verbindung zum Moabiter Zentrum. Das ist erfreulich, zumal wir schon im SIGNAL 5/2004 eben diese Wegführung gefordert hatten.

Wesentlich hervorzuheben ist noch die Wiedereinführung der OL 348, allerdings nur zwischen U-Bahnhof Breitenbachplatz über Innsbrucker Platz bis zum S-Bahnhof Schöneberg. Diese von unzähligen Bürgern und auch vom Berliner Fahrgastverband IGEB vehementgeforderte, 2004 ersatzlos entfallene Verbindung ermöglicht nun zumindest den Anschluß vom Südwestkorso an die OL 148 bzw. an die S 1 in Richtung Innenstadt. Die natürlich leider auch nur werktags zu den Geschäftsöffnungszeiten verkehrende Linie entspricht zwar in Ihren Betriebszeiten und ihrer Linienführung nicht unseren Vorstellungen (die IGEB hat die Wiederherstellung im Zuge und mit Vertaktung der OL 148 direkt ins Berliner Zentrum gefordert), stellt aber immerhin wieder eine ÖPNV-Verbindung im östlichen Ast des Südwestkorsos sowie der Wexstraße her. Positiv ist die mit dieser zunächst wenig nachvollziehbaren Linienführung verbundene Option, diese Linie 2006 zum neu entstehenden Bahnhof Südkreuz zu verlängern und vielleicht sogar mit einer Richtung Kreuzberg verkehrenden Linie zu verknüpfen.

Lobenswert ist die Verbesserung bei den Betriebszeiten der OL285 am Sonnabend. Zwischen 9 und 15 Uhr verkehren die Wagen dieser Linie durchgehend bis zum Rathaus Steglitz. Der Umsteigevorgang an der Appenzeller Straße in überfüllte 12-Meter Eindecker der OL M85 entfällt somit an diesen mit starkem Einkaufsverkehr belegten Tagen.

Ebenfalls positiv zu vermerken ist die Wiedereinführung von Spätfahrten auf der OL 325 zum Humboldt-Klinikum. Proteste von Mitarbeitern der Klinik haben zumindest in diesem Punkt Erfolg gehabt. Die gleichfalls ersehnte Verbindung zum U-Bahnhof Tegel (120 alt) blieb allerdings weiterhin versagt. Außerdem wurde das Fahrtenangebot zum Bundeswehrkrankenhaus (OL 147) und zum Klinikum Kaulsdorf (OL 195) erweitert.

15-Punkte-Liste für Sofortmaßnahmen bleibt auf der Tagesordnung

Mit den jetzt erfolgten, überwiegend positiv zu bewertenden Maßnahmen enden allerdings die Nachbesserungen im Ergänzungsliniennetz. Das ist eindeutig zu wenig. In SIGNAL 2/2005 hatten wir eine Liste mit 15 von uns geforderten wichtigen Sofortmaßnahmen abgedruckt, die im Einzelnen sowohl der BVG als auch der Senatsverwaltung vorliegen. Im Hinblick auf diese Liste kann man das nun umgesetzte Ergebnis wohl nur als ernüchternd bezeichnen, bestenfalls drei Forderungen der 15-Punkte-Liste wurden, zum Teil nur halbherzig, umgesetzt.

Die 15-Punkte-Liste beruht auf uns vorliegenden Beschwerden besonders von älteren, gehbehinderten oder anderweitig in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen. So ist es ein Unding, daß z.B. durch die stark veränderte Wegführung der OL 147 (Wegfall der Anbindung des Ärztehauses an der Haltestelle Jerusalemer Straße sowie durch den ersatzlosen Wegfall der OL 240 im Bereich zwischen Holzmarkt- und Lichtenberger Straße) nichts zur Verbesserung der Situation geschah. Es ist nicht richtig, diese Menschen nur als einen kostenverursachenden Faktor zu sehen, den ein auf ein möglichst gutes betriebswirtschaftliches Ergebnis setzendes Unternehmen eben einfach nicht berücksichtigen kann. Hier ist auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Aufgabenträger gefordert, weiterhin intensiv auf das Unternehmen BVG einzuwirken.

Das im Dezember 2004 eingeführte neue Metro-Netz bewerten wir unverändert als ein gutes Produkt der BVG, deshalb muß es bestehen bleiben. Der „Preis" in Form einer deutlichen Schwächung des Ergänzungsnetzes, das für die lokalen Verkehre innerhalb der Ortsteile unverzichtbar ist, ist aber zu hoch. Sparen und Verbessern gleichzeitig geht eben meistens schief. Es ist schlicht nicht hinnehmbar, daß ein - wenn auch deutlich kleinerer - Teil von Fahrgästen die Zeche dafür zahlen muß, daß ein anderer - größerer - Teil einen verbesserten Beförderungsstandard erhält. Öffentlicher Nahverkehr gehört nun mal zur Daseinsvorsorge, Einschränkungen sind nur bis zu einem gewissen Grade hinnehmbar. Eine zumutbare Versorgung aller Fahrgastgruppen muß jedoch gewährleistet sein. Somit kommen wir nochmals zu unserem 15-Punkte-Konzept: 12 Punkte sind noch unerfüllt, es gibt also noch viel Arbeit.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2005 (Juni/Juli 2005), Seite 16-17