Berlin

Ende der S-Bahn-Ausbaustrecke?

Provisorische Herstellung der Kremmener Bahn droht zum Dauerzustand zu werden


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

1. Jul 2005

Als am 8. Januar 1984 der vorerst letzte S-Bahn-Zug nach Heiligensee fuhr, glaubten nur große Optimisten an eine schnelle Reaktivierung der Kremmener Bahn. Doch Mauerfall und Wiedervereinigung ermöglichten, daß bereits 1995 die ersten S-Bahn-Züge wieder nach Tegel und 1998 weiter über Heiligensee ins brandenburgische Hennigsdorf fuhren. Ermöglicht wurde die relativ schnelle Wiederinbetriebnahme durch einen „Schlichtausbau" mit unveränderten Bahnhöfen und nur einem Streckengleis. Die Devise „besser eine S-Bahn im 20-Minuten-Takt als gar keine S-Bahn" war durchaus richtig, zumal ein zügiger Ausbau auf zwei Gleise mit umgebauten und neuen Bahnhöfen „zeitnah" geplant war. Doch auch hier bewahrheitet sich die Lebenserfahrung: „Provisorien halten am längsten"

In Hennigsdorf halten S 25 und RE 6 am selben Bahnsteig - getrennt durch Prellböcke. Die RegionalExpreß-Züge aus Neuruppin fahren von hier wieder zurück bis zum Außenring und machen einen großen Umweg über Falkensee nach Berlin. Auf direktem Weg über Tegel wäre man bedeutend schneller in der Innenstadt. Foto: Florian Müller

Durch Zuzüge ist die einst an der Mauer zu West-Berlin gelegene Stadt Hennigsdorf seit der Wende auf über 26.000 Einwohner angewachsen. Auch die benachbarten Gemeinden wuchsen, so daß die Züge der S 25 vor allem im morgendlichen Berufsverkehr teilweise überfüllt sind, zumal die Bahnsteiglänge in Hennigsdorf nur 6-Wagen-Züge erlaubt. Das hatte der Berliner Fahrgastverband IGEB bereits zur Inbetriebnahme 1998 kritisiert (SIGNAL 10/98 ). Die vollen Züge und der 20-Minuten-Takt veranlassen so manchen Nord-Berliner Fahrgast, bei der Fahrt in die Innenstadt lieber die U 6 zu nutzen. Gäbe es endlich den geplanten 10-Minuten-Takt und wären die S-Bahnhöfe im Berliner Bezirk Reinickendorf endlich besser erreichbar, dann würden sicher noch deutlich mehr Fahrgäste die S 25 nutzen.

Pläne für solche Verbesserungen gibt es schon lange. Doch getan hat sich nichts. Die Lage und die Zugänglichkeit der Bahnhöfe sind seit Jahrzehnten beispiellos schlecht - sieht man einmal von Hennigsdorf und einem neuen zweiten Zugang zum S-Bahnhof Schulzendorf ab. Viele der Stationen zwischen Hennigsdorf und Schönholz sind teilweise nur auf „gut getarnten" Wegen zu erreichen. Der Bedarf für Bahnhofsneu- und Umbauten ist auf dieser S-Bahnstrecke beträchtlich. Deshalb hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits in den 90er Jahren eine zeitgemäße Ausbauplanung erarbeitet.

Ausbau geplant

Die Planungen der Berliner Senatsverwaltung umfaßten die folgenden Maßnahmen:

  1. Bau des zweiten Gleises zwischen Schönholz und Tegel zur Fahrplanstabilisierung und zur Einführung des 10-Minuten-Taktes bis Tegel.
  2. Einrichtung eines nördlichen Zugangs am S-Bahnhof Alt-Reinickendorf. Auf eine Verschiebung der Station zur Roedernallee wurde angesichts der hohen Kosten verzichtet.
  3. Verlängerung des Bahnsteigs vom S-Bahnhof Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik Richtung Ollenhauerstraße und Bau eines Zugangs zu beiden Straßenseiten (Umsteigen zur U 8). Der überdachte Teil des alten Bahnsteigs soll beibehalten werden, ebenso der westliche Zugang zur Saalmannstraße.
  4. Ergänzung eines östlichen Zugangs an der Station Eichborndamm Richtung General-Barby-Straße.
  5. Bau eines zusätzlichen S-Bahnhofs in Borsigwalde an der Holzhauser Straße. Zunächst wurde er mit Seitenbahnsteigen projektiert, inzwischen gibt es auch eine Planung für einen Mittelbahnsteig.
  6. Einrichtung eines weiteren Zugangs am S-Bahnhof Heiligensee zur neuen Wohnsiedlung auf dem früheren Güterbahnhof.

Finanzierung unsicher

Diese Leistungen waren (und sind) vom Berliner Senat im Zusammenhang mit der Grunderneuerung der Kremmener Bahn (einschließlich Aufzugseinbau) bestellt, doch aus finanziellen Gründen wurden die Baumaßnahmen von der DB aus ihrer Fünfjahresplanung für den Zeitraum 2002 bis 2007 gestrichen. Daher wurden auch die Planfeststellungen noch nicht eingeleitet. Nunmehr muß diese - sinnvolle bis unerläßliche - Ausbauplanung wenigstens in den folgenden Fünfjahresplan der DB für den Zeitraum 2008 bis 2012 aufgenommen werden. Nur wenn die S-Bahn nach Hennigsdorf attraktiver wird, sind weitere Autofahrer in Berlin und Brandenburg zum Umsteigen zu bewegen. Hinzu kommt, daß eine bessere Abstimmung zwischen U 8 und S 25 wichtig ist, um die Ergänzungsfunktion der beiden Linien zu stärken. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Reisende aus Hennigsdorf, Schulzendorf, Tegel usw. bequem am Bahnhof Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik umsteigen und mit der U 8 ins Ortszentrum Reinickendorfs bzw. Richtung Wedding fahren können.

Außerdem sinnvoll

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hält es für sinnvoll, die Planungen des Senats durch weitere Maßnahmen zu ergänzen:

  1. Bau eines südlichen Zugangs am S-Bahnhof Tegel - insbesondere, um die Erreichbarkeit der Borsighallen von der S-Bahn aus zu verbessern.
  2. Einrichtung einer Kietz-Buslinie zwischen S-Bahnhof Schulzendorf und Wohngebiet Schulzendorf sowie im Bereich Schulzendorfer Straße.
  3. Freihaltung entsprechender Flächen zwischen Alt-Reinickendorf und Schönholz an der Kopenhagener Straße bzw. am Büchsenweg, um dort längerfristig einen zusätzlichen S-Bahnhof bauen zu können. Er würde ein z. T. dicht bebautes Wohngebiet erschließen und (bei Lage an der Kopenhagener Straße) einen Übergang zum Bus 122 herstellen.

S-Bahn contra Regionalbahn

Leider wurde die Reaktivierung der S-Bahn von Seiten des Bundes an die Bedingung geknüpft, keine Regionalzüge über die Kremmener Bahn Richtung Gesundbrunnen fahren zu lassen. Diese Vorgabe behindert eine zukunftsfähige Entwicklung der Kremmener Bahn, denn würde der RE 6 (Prignitzexpreß) von Hennigsdorf aus direkt nach Berlin fahren können, brächte das erhebliche Fahrzeitersparnisse. Die Dieselzüge könnten problemlos zwischen den S-Bahnzügen verkehren, wenn durchgehend ein zweites Gleis von Hennigsdorf bis Schönholz zur Verfügung stehen würde. Doch bis dahin wird wohl noch viel Wasser die Havel hinunterfließen. Es bleibt die Hoffnung, denn auch 1984 - siehe oben - konnte sich kaum einer vorstellen, wie schnell auf der Kremmener Bahn wieder gut besetzte S-Bahn-Züge fahren werden. (hjb)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 3/2005 (Juni/Juli 2005), Seite 18