Berlin
1. Sep 2005
Technik soll entlasten. In unserer Gegenwart entartet der Einsatz von Technik dahingehend, dass Menschen derart entlastet werden, dass sie keiner mehr braucht. Eines wird die Technik aber niemals können, nämlich menschlich sein!
Ein Beispiel: Da gibt es in Berlin ein ausgezeichnetes Nahverkehrssystem. Ein Teil davon ist die S-Bahn Berlin GmbH mit 165 Bahnhöfen. Jeder Bahnhof ist ein Hort des Schutzes und der Sicherheit. Es gibt ja die Aufsichten. Personal, zuständig nicht nur für die Abfertigung von Zügen, sondern auch Faktor für Sicherheit, Sauberkeit und Service. Oftmals auch sozialer Ansprechpartner für Bewohner der Stadt und deren Touristen. Doch ein von der Geschäftsführung der Berliner S-Bahn erwogener harter Rationalisierungskurs würde die Interessen der Fahrgäste und der Belegschaft den Profitinteressen der DB AG unterordnen. Die Politik des Senats und der DB AG bedroht die Mobilität der Berliner und Brandenburger Bürgerinnen und Bürger.
Der Betriebsrat der Berliner S-Bahn ist gegen Stellenabbau und Kürzungen. Stellenabbau und Kürzungen bedeuten Abbau von Service, Sicherheit und Sauberkeit für unsere Fahrgäste. Service bedeutet doch Dienst vom Menschen am Menschen! Bei den (inzwischen vier) Geschäftsführern der Berliner S-Bahn wird das anders betrachtet. Dieses Unternehmen soll ein modernes, innovatives und wettbewerbsfähiges Unternehmen werden. Dazu wird Technik benötigt. Nehmen wir die hochgeschätzte Info-Sprechsäule, die man auf den Bahnhöfen erst einmal finden muss. Mit ihr kann Mann/Frau mit einem Menschen sprechen, Hilfe rufen oder eine Information erlangen. Aber eines kann die Info-Sprechsäule nicht. Sie kann keinem Menschen in einer Notsituation wirkliche Hilfe zukommen lassen. Sie kann keinen Streit schlichten, kann keinen in Not geratenen Mitmenschen kurzfristig beherbergen (Aktion Noteingang) und keinen Mitmenschen, der akut erkrankt oder sich verletzt hat, erste Hilfe anbieten. Das können nur Menschen!
Nehmen wir den Fall eines erkrankten oder verletzten Fahrgastes. Durch die Rationalisierungsmaßnahmen bei Polizei und Feuerwehr hat sich der Zeitraum vom Auslösen eines Alarms bis zum Eintreffen der Sicherheitsoder Rettungskräfte erheblich verlängert. Bis ihm wirklich geholfen wird, hat er aber die Möglichkeit, sich an der Info-Sprechsäule festzuklammern. Oder schlimmer noch, während ihn vielleicht irgendwelche Strolche „bearbeiten", kann er die Info-Sprechsäule um Hilfe anflehen? Bis Hilfe kommt, sind die Augen schon dicke und die Geldbörse und die Strolche weg. Das ist nur ein Beispiel, denn es gibt noch mehr Konzepte wie RIS, BIS, ZAT, TGA und Stammbahnhöfe. Von Menschen erdacht und konstruiert, wird Technik (gleich welcher Art) keinesfalls menschliche Eigenschaften wie Zuwendung, Hilfe, Aufmerksamkeit und/oder Hingabe ersetzen können. Technik funktioniert wie gewollt, geplant, gebaut und erdacht. Zweifelsfrei. Mehr jedoch nicht!
Die Kolleginnen und Kollegen der S-Bahn Berlin GmbH wollen, dass jeder Kundefürsein Fahrgeld einen umfassenden Service geniest. Werden künftig weniger Wartungspersonale eingesetzt und fallen die Bahnsteigpersonale weg, zahlen unsere Fahrgäste einen höheren Fahrpreis für weniger Service, Sauberkeit und Sicherheit. Diese Belegschaft hat in den letzten -zig Jahren die Berliner S-Bahn von Schutt und Asche befreit und erneut zu einem der erfolgreichsten Nahverkehrsträger in Europa gemacht. Solange noch Zeit dazu ist, nutzen Betriebsräte der Berliner S-Bahn die Chance, sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu wehren.
„Wir sagen Finger weg - Wir stehen zusammen für Sicherheit, Sauberkeit, Service und Ausbildung bei der Berliner S-Bahn" nicht nur an unseren Aktionstagen mit Infotischen und Unterschriftenlisten. Bitte unterstützen Sie uns. Sie finden uns
Andreas Tannhäuser, Vorsitzender des Betriebsrates der S-Bahn Berlin GmbH
aus SIGNAL 4/2005 (August/September 2005), Seite 10