Hamburg

Hamburger Hafen kämpft mit mangelhafter Schienenanbindung

In Hamburg boomt der Hafen. Trotz milliardenschwerer Investitionen in die Strecke Hamburg—Berlin verschärfen sich im norddeutschen Schienennetz die Engpässe des Güterverkehrs.


DBV Hamburg/Schleswig-Holstein

1. Sep 2005

Mit großem Aufwand hat der DB-Konzern den Abschluss der Bauarbeiten an der Strecke Hamburg—Berlin gefeiert. ICE- und Eurocity-Züge fahren die 250 Kilometer lange Strecke seit Dezember 2004 in anderthalb bis zwei Stunden. Die eigentlichen Probleme im Hamburger Bahnnetz sind auch nach der milliardenschweren Investition geblieben: Engpässe im Schienennetz für den stark anwachsenden Güterverkehr im Hinterlandverkehr von und zum größten Hafen Norddeutschlands.

Allein 2004 wurden im Hamburger Hafen 114,5 Millionen Tonnen umgeschlagen. Hauptanteil hat der stark wachsende Containerverkehr, der gegenüber 4,3 Mio TEU (twenty-feet equivalent unit, entspricht einem 20-Fuß-Container) im Jahr 2000 um über 60 Prozent auf 7,0 Mio TEU gestiegen ist. Großen Anteil hat vor allem der Handel mit Ostasien und China, der traditionell über Hamburgs Hafen abgewickelt wird. So vermeldet es auch die „Hamburg Port Authority", die jetzt aus der Zusammenlegung der für die Hafenentwicklung zuständigen Ämter Hamburgs entstanden ist.

Bahn unterdurchschnittlich

Im Containerverkehr wird derzeitig jeweils ein Viertel von Feder-Schiffen der küstennahen Schifffahrt, von Lkws im Fernverkehr sowie Lkws im Nahverkehr rund um Hamburg befördert. Auch der Anteil der Bahn im stark boomenden Containerverkehr liegt bei einem Viertel und ist damit im Vergleich zu Massengütern weit unterdurchschnittlich.

Um diese Gütermengen auch künftig über die Schiene abwickeln zu können, plant die Hafengesellschaft umfangreiche Erweiterungen der eigenen Rangierbahnhöfe und Gleisanlagen.

Problematisch gestaltet sich hingegen das Netz der DB für den Hinterlandverkehr. Die vorhandenen Strecken Richtung Köln und über Hannover Richtung Süden haben schon heute kaum noch Kapazitäten für weitere Züge. Hier machen sich u. a. auch die in den letzten 20 Jahren stillgelegten, rückgebauten und vernachlässigten „Heckenverbindungen", also Nebenstrecken, bemerkbar, zum Beispiel die Heidebahn Buchholz—Soltau, das Sulinger Kreuz oder auch der Bahnknoten Altenbeken.

Nadelöhr Elbbrücken

Auch Richtung Norden sind die Kapazitäten besonders knapp: Die Züge müssen sich auf dem Weg vom Hafen über die Elbbrücken durch die Stadt die Strecken sowohl mit dem dichten Personenverkehr aus Intercity- und Regional-Zügen als auch mit den Transitgüterzügen zwischen Südeuropa und Skandinavien teilen, für die es in Norddeutschland keine Strecken-Alternative zum Nadelöhr Hamburger Elbbrücken gibt.

Weitere Behinderungen gibt es, weil DB Netz die stark beanspruchten Strecken im Hamburger Stadtgebiet grundlegend sanieren muss. Dabei wird unter anderem der Rückbau einer Vielzahl von Gütergleisen im Bereich des aufgelassenen Hamburger Hauptgüterbahnhofs vorangetrieben. Selbst der 1976 eingerichtete zentrale Rangierbahnhof Maschen wird von der DB zur Disposition gestellt, da die DB die Güterzugbildung für Wagenladungsverkehr in Norddeutschland zukünftig nur noch im 150 Kilometer entfernten Seelze bei Hannover vorsieht.

Konzentration auf Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr

Wenig bewirken werden die geplante kreuzungsfreie Verknüpfung des Hafenbahn-Netzes mit dem DB-Netz in Hamburg-Wilhelmsburg und die Elektrifizierung der Strecke Hamburg—Lübeck. Es zeigt sich die Kehrseite der DB-Strategie, angesichts der scharfen Kürzungen im Bundesverkehrswegeplans die Mittel traditionell auf wenige Projekte für den Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr zu konzentrieren, wenn sie nicht schon für die Instandhaltung der überlasteten vorhandenen Strecken wie Hamburg—Lüneburg—Hannover verwendet werden müssen.

Für die enormen Steigerungen im Güterverkehrsaufkommen reichen die heutigen Schienenwege von und nach Hamburg nicht mehr aus. Foto: Hafen Hamburg

Richtung Osten, dem eigentlichen Wachstumskorridor im Hinterlandverkehr, tut sich der Korridor in die Region Berlin-Brandenburg als Engpass auf. Bedingt durch den Hochgeschwindigkeitsverkehr stehen auf der modernisierten Hauptstrecke zwischen Hamburg und Berlin nicht mehr so viele Trassen für Güterzüge zu Verfügung. Sie werden zudem abschnittsweise auch für den Verkehr Richtung Rostock benötigt. Eng wird es auch in der Region Berlin, wo heutzutage Containerzüge Richtung Polen bis zu 48 Stunden benötigen, um in geeigneten Zeitfenstern den Berliner Außenring passieren zu können.

Heckengüterzüge

Es rächt sich, dass seit der Wende 1990 nicht in die Güterstrecken über Maschen—Lüneburg und die Elbquerung im Zuge der Dömitzer Brücke zur Durchbindung an die alte Brandenburger Städtebahn, die als weitere Güterumgehungstrecke für den Berliner Außenring dienen könnte, investiert worden ist. Die Milliarden für die Ertüchtigung der Bahn wanderten seit 1995 vor allem in die aufwändig gebaute Nord-Süd-Querung mit dem neuen Lehrter Bahnhof am neuen Regierungsviertel in Berlins Tiergarten. Ähnlich problematisch zeigt sich die Modernisierung des Schienennetzes im Raum Halle/Leipzig mit der geplanten Untertunnelung von Leipzig. So erweist sich für die Container-Transporte der verladenden Wirtschaft von Hamburg Richtung Polen und Tschechien der stauanfällige Lkw als zeitlich zuverlässigere Alternative zur Schiene.

Containerverkehr boomt

Der Umschlag im Hamburger Hafen soll von 114.5 Millionen Tonnen 2004 bis 2015 auf 221.6 Millionen Tonnen jährlich gesteigert werden. Hauptanteil hat der Containerverkehr, der von 7,0 Mio TEU in 2004 bis 2015 um das 2,5-fache auf 18,1 Mio TEU steigen soll. Das jedenfalls sieht der Hafenentwicklungsplan vor, den die Hamburg Port Authority jetzt vorgelegt hat. Ob das Wachstum in der prognostizierten Höhe für Hamburgs Hafen tatsächlich eintreffen wird, ist allerdings umstritten.

Sanierung vertagt

Die Probleme der Engpässe im Schienennetz werden von Bund und Ländern in Norddeutschland nicht angegangen, wie allein schon die immer wieder vertagte Sanierung der Amerikalinie im Abschnitt Langwedel—Uelzen und die Bündelung der Streckenüberwachung des komplexen Netzes auf Hannover zeigen. Ob mehr oder weniger Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge geschaffen werden, interessiert nur die Bauwirtschaft. Wie die Güter im Hinterlandverkehr zum und vom Hafen transportiert werden sollen, ist weder 2005 noch 2015 gelöst, wenn die Küstenländer im System Schiene für die heutigen Mengen nicht ausreichend Kapazitäten finden können.

DBV Hamburg/Schleswig-Holstein

aus SIGNAL 4/2005 (August/September 2005), Seite 21-22