Verkehrsrecht & Tarife
Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht aus
1. Nov 2005
Am 1. Oktober 2004 trat die Kundencharta der Deutschen Bahn AG in Kraft. Damit verankerte die DB AG erstmals den rechtsverbindlichen Anspruch auf Entschädigung im Falle von Verspätungen und Zugausfällen in ihren Geschäftsbedingungen. Der VCD sieht sich nach einem Jahr Bewährungsprobe für die freiwillige Regelung jedoch in seiner anfänglichen Kritik bestätigt.
„Freiwillige Selbstverpflichtungen wie die Kundencharta reichen bei weitem nicht aus, da der Rechtsanspruch auf Entschädigungszahlung deutlich hinter den Erwartungen und Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden zurückbleibt", kritisiert Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. „Bei jedem anderen Vertrag haben Kunden verbindliche Rechte, unabhängig von der Farbe des Produktes. Nur im öffentlichen Verkehr wird dies nach wie vor ausgeschlossen. Eine der ersten Aufgaben der neuen Bundesregierung im Bereich Öffentlicher Verkehr muss es daher sein, den aus der Vorkriegszeit stammenden Haftungsausschluss der Bahn aus der Eisenbahn-Verkehrsordnung zu streichen und Fahrgastrechte endlich gesetzlich einheitlich zu regeln."
Beschwerden über Probleme auf Bahnreisen und mit der Kundencharta, die bei der Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD im zurückliegenden Jahr eingegangen sind, spiegeln nach Auffassung des VCD die wesentlichen Defizite derzeitiger Bestimmungen wider. So werde schon der Schienennahverkehr in die rechtsverbindliche Regelung der Kundencharta nicht einbezogen und Verspätungen unter einer Stunde nicht mehr entschädigt, obwohl letzteres unter der vorher geltenden Kulanzregelung meist der Fall war.
Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin des VCD: „Mit der Kundencharta gibt es ausschließlich Regelungen für den Fernverkehr. Reisende, die auch mit dem Nahverkehr unterwegs sind, bleiben weitgehend rechtlos. Die Fahrgäste unterscheiden aber nicht zwischen Nah- und Fernverkehr. Für sie ist die gesamte Reisekette von Tür zu Tür ausschlaggebend.
Deshalb fordert der VCD als Verbraucherverband, dass Erstattungsansprüche im Schadensfall für die gesamte Reisekette und in allen Bussen und Bahnen gelten." Auch die derzeitige Handhabung des Entschädigungsverfahrens sei viel zu kompliziert. Die Ausgabe von Gutscheinkarten, die anschließend erst in einen tatsächlichen Gutschein umgetauscht werden müssen, baue unnötige Hürden für die Kundinnen und Kunden auf. Zudem sei die prozentuale Berechnung der Entschädigungssumme nicht gerecht. Tischmann: „Bei Verspätungen ist der Schaden für alle Fahrgäste gleich, egal wie teuer ihre Fahrkarte war. Deswegen ist eine prozentuale Entschädigung für die Kunden in vielen Fällen nicht befriedigend. Feste Summen wären da die bessere Variante."
Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD)
aus SIGNAL 5/2005 (Oktober/November 2005), Seite 26