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Kaufhaus mit Gleiskreuz

Hauptbahnhof-Lehrter Bahnhof nimmt Gestalt an


Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband

1. Jan 2006

Längst heißt der Lehrter Bahnhof offiziell Hauptbahnhof, obwohl hier nur die S-Bahn hält. Um zu zeigen, dass aus der Großbaustelle bis zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 2006 tatsächlich ein Fern- und Regionalbahnhof werden wird, lud DB-Chef Hartmut Mehdorn die Medien im November 2005 zur Bahnhofsbesichtigung ein.

Wie nicht anders zu erwarten lobte Mehdorn den neuen Bahnhof in den höchsten Tönen. Schätzungsweise 50 Millionen Reisende im Fernverkehr und 85 Millionen im Nahverkehr sollen das gewaltige Bauwerk inmitten der Stadtbrache beleben. „Mit den Besuchern des Bahnhofs werden täglich 300.000 Menschen die fünf Ebenen bevölkern", erwartet Mehdorn.

Von zwei der vier Tunnelbahnsteige geht es per Aufzug umsteigefrei zu den Stadtbahnsteigen Foto: Florian Müller, November

Doch dies wird für viele Reisende teuer erkauft. Selbst die Ost-West-Fernzüge will der DB-Chef am liebsten vollständig von der Stadtbahn in den neuen Nord-Süd-Tunnel verlagern. Bei den Fernzügen, bei denen das nicht gelingt, wird zumindest der Halt im Bahnhof Zoo gestrichen. „Das war von Anfang an so geplant" verteidigt Mehdorn die Strategie. Dass dies nicht stimmt, lehrt ein Blick in die vielen Broschüren, die seit 1991 begleitend zu Planung und Baugeschehen seitens der Bahn und des Senats veröffentlicht wurden.

Kurze Wege?

Um das Umsteigen im neuen Bahnhof zu erleichtern, wird es 54 Fahrtreppen und 34 Aufzüge geben, darunter auch solche, die es bei zwei von vier Tunnelbahnsteigen ermöglichen, ohne Umsteigen direkt zu den Fernbahnsteigen auf der Stadtbahn zu gelangen. Aber die Mehrzahl der Reisenden wird viele Minuten für lange Umsteigewege einplanen müssen. Ein Blick in die elektronische Fahrplanauskunft der Bahn für das Jahr 2006 zeigt, dass die DB selbst das auch so einschätzt.

1200 Lautsprecher werden den Bahnhof beschallen und die Bahnkunden über den Zugverkehr und mehr informieren. Deshalb habe man entgegen der Absicht der Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner (GMP) im Bahnhof keine Gewölbedecken, sondern den Schall besser verteilende Lochabdeckplatten vorgesehen, erklärt Mehdorn und ergänzt damit seine bisher öffentlich nur auf die Kosten gestützte Verstümmelung des GMP-Entwurfs.

„Alles schon vermietet"

Fahrtreppen auf den Tunnelbahnsteigen. Von den unteren zu den oberen Bahnsteigen sind vier Ebenen zu überwinden Foto: Florian Müller, November

Insgesamt 70.000 Quadratmeter Geschossflächen bietet das Bahnhofsgebäude einschließlich der beiden Brückenbauten, davon 15.000 Quadratmeter für Verkaufsfläche. Alle Läden und Restaurants seien schon vermietet, versichert die Bahn. Wenn also ein Zug Verspätung hat oder gar ausfällt, können die Reisenden in der Zwischenzeit alles zum Leben Erforderliche einkaufen - und mehr.

Die ersten Hinweisschilder hängen auch schon. Sinnigerweise weisen sie auf das 900 Stellplätze bietende Parkhaus hin. Das war anfangs übrigens nur als 300-Plätze-Haus geplant, weshalb die Planung auf Betreiben der Bahn für viel Geld geändert werden musste. Schließlich muss ein Fernbahnhof gute Abstellmöglichkeiten für Autos bieten, insbesondere wenn S-Bahn-, Straßenbahn- und U-Bahn-Anschluss nicht rechtzeitig fertig werden, (mkv)

Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 6/2005 (Dezember 2005/Januar 2006), Seite 5