Verkehrsrecht & Tarife

Weiterentwicklung des VBB-Tarifs - ein Anfang ist gemacht


Berliner Fahrgastverband IGEB

1. Mär 2006

Unter dem Titel „Änderung der VBB-Tarif- und Beförderungsbedingungen" berichtete in SIGNAL 6/2005 Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des VBB, über einige Änderungen im „Kleingedruckten" und weitere Aktivitäten seines Hauses im Dienste der Fahrgäste.

In der Tat sind die dort genannten Maßnahmen aus Kundensicht ganzüberwiegend positiv: Ein erweitertes Informationsangebot lässt sich wohl kaum kritisieren - wenn es denn gut gemacht ist - und großzügigere Rückgaberegelungen für Zeitkarten sind ohne Zweifel auch vorteilhaft für die Betroffenen. Wenn künftig nicht schon für das Betreten eines Bahnsteigs ein Fahrschein nötig ist, so dass das Aufsuchen dortiger Geschäfte oder die Verwendung als Fußgängertunnel nun zum Nulltarif möglich wird, so ist damit ein potentieller Streitpunkt mit Kontrolleuren beseitigt.

Interessant wird allerdings sein, auf welcher Grundlage künftig Personen, deren längerer Aufenthalt im Bahnhof vielleicht doch nicht willkommen ist, hinausgebeten werden sollen. Man wundert sich nur, wieso dies erst jetzt geschieht - Kioske auf U- und S-Bahnsteigen gibt es schließlich schon lange, und eine Bahnsteigkarte kannten auch schon die Vorläufer des VBB-Tarifs nicht. Aber nach dem Motto „besser spät als nie!" soll uns das nicht weiter stören.

Schöneiche in Gallien

Dasselbe gilt auch für die genannten Veränderungen der eigentlichen Tarifbestimmungen. Die zumindest relative Verbesserung des Preis-Leistungs-Verhältnisses bei einigen Tarifposten durch erweiterte Nutzungsmöglichkeiten macht diese zweifellos interessanter. Wir können uns aber nicht verkneifen, auf gleich zwei Details (bei vier Tarifposten) hinzuweisen, mit denen der VBB dem Leitthema „keine Regel ohne Ausnahme" auch hier wieder treu bleibt:

Zu viele besondere Bestimmungen

Die Regelungen für das Sozialticket scheinen einfach und verständlich zu sein. Was viele nicht wissen: Busse brandenburgischer Verkehrsunternehmen dürfen innerhalb Berlins teilweise auf Kulanzbasis genutzt werden. Welche das genau sind, können aber weder Senat noch VBB verbindlich sagen. Verbindlich ist nur, dass bei der Fahrt über Berlin AB hinaus nicht der Anschlussfahrschein nach C genutzt werden darf. Aber das wissen viele Sozialticket-Inhaber nicht. Dass die Benutzung von Zügen der DB Regio nicht gestattet ist, steht wenigstens deutlich auf der Trägerkarte und vermeidet so Missverständnisse.

Dies sind leider keine Einzelfälle - wer das immer noch 124 Seiten umfassende VBB-Tarifheft genau studiert, findet zahlreiche andere Formulierungen, die zu Irritation (Was meinen die denn damit?), Verwunderung (Warum ist das bloß so?) oder auch Ärger (Muss das denn so sein?) Anlass geben.

Wir haben bereits zur Einführung des Verbundtarifs in SIGNAL 8-9/1999 und 10/1999 auf große und kleine Problempunkte hingewiesen. Manches hat sich inzwischen erledigt, vieles gilt weiterhin, und leider kamen auch mit der Überarbeitung zum August 2005 sogar noch einige Punkte hinzu. An dieser Stelle wollen wir die Aufzählung von Herrn Franz daher etwas ergänzen:

Echter Dialog tut not

Firmenticket oder Umweltkarte? Missverständliche Beschriftung eines Firmentickets. So sind z. B. die Mitnahmeregelungen bei beiden unterschiedlich. Die vielen verwirrenden Unterschiede in den Detailbetimmungen müssen abgebaut werden.

Diese und andere Beispiele sind umso ärgerlicher, als man den Eindruck hat, es seien teils Partikularinteressen der Unternehmen und teils fehlende Sorgfalt bei der Formulierung der Bestimmungen, die zu solchen Härten führen. Die finanziellen Auswirkungen einer kundenfreundlicheren Lösung dürften meist äußerst gering sein im Verhältnis zur Frustration unfreiwilliger Schwarzfahrer und zum möglichen Imageschaden für den Verbund. Auch hier würde eine offene Diskussion helfen.

Wir begrüßen daher die Einrichtung des VBB-Fahrgastforums und hoffen, dass der Verbund dieses nutzt, um offen und konstruktiv mit seinen Kunden ins Gespräch zu kommen und aus ihren Erfahrungen zu lernen.

Wir wissen, dass diese Kritikpunkte kaum dem VBB alleine angelastet werden können - die Verkehrsunternehmen haben in solchen Fragen mitzureden. Wer die Verhältnisse in anderen Verbünden kennt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die Berlin-Brandenburger Unternehmen seien auf ihr Eigenleben besonders bedacht, auch wenn dabei Transparenz und Gerechtigkeit des Tarifs unter die Räder geraten. Dies zu ändern, ist zum Teil eine politische Aufgabe, aber die praktische Umsetzung dürfte auch künftig Aufgabe des Verkehrsverbunds bleiben. Die Arbeit auf dieser „Baustelle" ist jedenfalls noch beträchtlich. (MS)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2006 (Februar/März 2006), Seite 22-23