Berlin
Neue Zugzielanzeiger auf S-Bahnhöfen
1. Mai 2006
Die Bahn will mit ihrem rechnergestützten „Reisenden-Informationssystem" (RIS) die Kunden besser informieren, z. B. mit neuen Zugzielanzeigern auf den Bahnhöfen der Berliner S-Bahn. Die ersten dieser neuen Anzeiger mit LCD-Technik sind bereits in den Bahnhöfen Papestraße (künftig Berlin Südkreuz) und Hauptbahnhof-Lehrter Bahnhof zu bewundern. Dafür werden Bahnhöfen an Außenstrecken künftig nur noch mit Blechschildern bestückt sein.
Die Bahn plant, bis zur Fußball-Weltmeisterschaft im Juni 2006 die S-Bahnstrecke von Ostbahnhof über Olympiastadion nach Spandau mit neuen, dynamischen Zugzielanzeigern auszustatten. Bis Ende 2006 sollen auch alle S-Bahnhöfe innerhalb der Ringbahn sowie die Ringbahn selbst die neuen Anzeiger erhalten. Ferner sollen sie an Fernbahnhöfen und bedeutenden Verzweigungsbahnhöfen außerhalb der Ringbahn zum Einsatz kommen, z.B. in Flughafen Schönefeld, Schöneweide und Bornholmer Straße.
Es sind zwei Ausführungsgrößen für die neuen LCD-Anzeiger geplant:
Die angezeigten Inhalte sollen etwas modifiziert werden gegenüber den heute in Hauptbahnhof und Papestraße existierenden Anzeigern. Die Gleisnummer wird nicht mehr dynamisch angezeigt, sondern auf einem Blechschild statisch installiert. Das ist vernünftig, da die Gleisnummer dauerhaft unverändert bleibt. Das Display zeigt künftig:
Wahlweise können auch die nächsten zwei Züge angezeigt werden - dabei wird auf die Unterwegsbahnhöfe und die Halteposition aus Platzgründen verzichtet.
Diese Ankündigung der Bahn ist zu begrüßen, auch wenn man sich als Fahrgast noch weitere Informationen in der Anzeige vorstellen könnte.
Problematisch wird es jedoch außerhalb der Innenstadt. Hier plant DB Station & Service lediglich Blechschilder mit den Zugzielen der üblicherweise hier verkehrenden Züge, denn das Geld reicht nach Angaben der Bahn für die teure Hightech-Lösung nur für die Innenstadtbahnhöfe. Das ist ein gravierender Rückschritt, da bisher fast jeder S-Bahnhof mit einer dynamischen Anzeige des nächsten Fahrtzieles ausgerüstet war. Diese Anzeigen wurden meist von den Bahnsteigaufsichten gesteuert. Weil diese Aufsichten nun größtenteils abgeschafft werden, ist niemand mehr da, der die herkömmlichen Zugzielanzeiger umschalten kann. Und eine Fernsteuerung zu installieren lehnt die Bahn ab, da die alte Technik (Glühlampen im Leuchtkasten und Fallblattzugzielanzeiger) nicht computertauglich sei. In die alte Technik soll nicht mehr investiert werden.
Das Außerbetriebnehmen der bewährten Zugzielanzeiger durch eine Daueranzeige „Ansage beachten" auf Bahnsteigen ohne Personal führt schon seit mehr als einem Jahr zu heftiger Kritik von den wartenden Fahrgästen. Die Ansage des Triebfahrzeugführers des im Bahnhof stehenden Zuges beschränkt sich oft auf „zurückbleiben bitte". Das ist zu wenig!
Plakatives Beispiel ist der S- und Regionalbahnhof Karow, der seit kurzem nur noch mit Informationen auf Blech ausgestattet ist. Am Gleis 3 fahren S-Bahnen nach Bernau, manche enden bereits in Buch. Zusätzlich beginnen am selben Gleis die Züge der Heidekrautbahn mit den Fahrtzielen Basdorf, Klosterfelde, Groß Schönebeck, Wensickendorf und Schmachtenhagen. Anfang 2006 wurde hier die Aufsicht abgezogen, der Fallblattzugzielanzeiger abgebaut und durch ein Blechschild ersetzt. Sieben verschiedene Fahrtziele und 116 abfahrende Züge nur von Gleis 3 sind ein gutes Einsatzgebiet für eine dynamische Fahrgastinformation. Ein einfaches Schild ist hier eindeutig nicht ausreichend.
Für solche Fälle muss die Bahn eine praktikable Lösung anbieten. Warum die jahrelang bewährten Fallblattanzeiger auf keinen Fall weitergenutzt werden können, ist für den Fahrgast nicht nachvollziehbar. Mit dem Einsatz von Funktechnik oder der Nutzung des im verwaisten Aufsichtshäuschen vorhandenen Telefonanschlusses ist eine Steuerung des alten Anzeigers technisch sicher möglich.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die DB sich wieder selbst und ohne Zwang so hohe und teure Standards gesetzt hat, dass praktikable und preisgünstige Lösungen nun aus Prinzip nicht mehr gewollt sind. Entweder Hightech oder gar nichts.
DB Station & Service hat die S-Bahnhöfe nach Bedeutung klassifiziert. Dabei fallen S-Bahnhöfe wie Karow in die gleiche Kategorie wie Regionalbahnhöfe auf dem Lande mit zweistündlichem Regionalverkehr in die nächste Kreisstadt. Ein eklatantes Missverhältnis, denn Karow wird nicht der einzige Bahnhof bleiben, bei dem die bisherige Qualität in der Fahrgastinformation aufgegeben wird.
Ändert die S-Bahn wieder einmal die Linienläufe, so musseine Kolonne mit Klebeband und bedruckten Aufklebern die Blechschilder neu beschriften. Dass die Überklebung auf einem personalfreien Bahnhof nicht lange hält, kann sich jeder selbst denken.
Zudem ist versäumt worden, die Information auf dem Blechschild auch so darzustellen, dass sie der Orientierung besser nützt: Durch die Angabe „stadtauswärts" und „Richtung Innenstadt"
Sicher gibt es auch Bahnhöfe bei der Berliner S-Bahn, auf denen ein Blechschild ausreichend sein kann, zum Beispiel auf dem Ast nach Wartenberg und Ahrensfelde oder in Teltow Stadt (wo es nie einen dynamischen Anzeiger gab).
Vor diesem Hintergrund muss die Ausrüstung der S-Bahnzüge mit seitlich von außen lesbaren Zugzielanzeigen neu erörtert werden. Der Versuch mit einem Zug, der vor einiger Zeit derartig ausgestattet war, will die S-Bahn nicht weiter verfolgen. Geld für die Modernisierung möchte sie lieber in eine bessere Beschallungstechnik in den Zügen investieren.
Die BVG-U-Bahn hat mit ihrem Daisy-System in Berlin hohe Maßstäbe gesetzt. Bei Daisy ist leider auch die Anzeige der wichtigen Unterwegsbahnhöfe weggefallen, aber dafür werden meistens die nächsten zwei Züge angezeigt, auch dann, wenn alle Züge den ganzen Tag dasselbe Ziel haben.
Die Münchener S-Bahn gilt in Deutschland als das gelungene Vorzeigebeispiel, was Zugzielanzeiger in Bahnhöfen betrifft. Um die Finanzierung und die fahrgastfreundliche Gestaltung hat sich der Freistaat Bayern verdient gemacht. Die S-Bahn München freut sich über den guten Standard, mit dem ihre Züge angekündigt werden. Ein vergleichbares Engagement gibt es beim Berliner Senat leider nicht. Entsprechend setzt die DB ihre Standardausstattung ein, die allzu oft nicht auf die speziellen Berliner Bedürfnisse zugeschnitten ist.
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 2/2006 (April/Mai 2006), Seite 11-12