Titelthema Fahrzeitgarantien
23. Aug 2013
Das Land Thüringen hat eine interessante, bunte Nahverkehrslandschaft. Vorbildliche Straßenbahnbetriebe wie in Erfurt, Gera, Gotha, Jena und Nordhausen sowie eine sehr liberale Vergabepraxis im Nahverkehr mit entsprechend vielen Bahngesellschaften sorgen für ein gutes Angebot. Aber diese Vielfalt führt auch zu einem Flickenteppich von betriebsspezifischen Beförderungsbedingungen und Fahrgastrechten. Ebenso erschwert das Fehlen eines Verkehrsverbundes in weiten Teilen des Landes einheitliche Regelungen. Immerhin gibt Thüringen im positiven Gegensatz zu Berlin-Brandenburg regelmäßig ein Kursbuch heraus.
In diesem Kursbuch findet sich recht versteckt der Hinweis auf die
Fahrgastgarantien von zwei Eisenbahnunternehmen, der DB Regio AG und der Elster-Saale-Bahn.
Neben den üblichen Garantieversprechen wie „saubere Sachen” fallen einige spezielle Positionen auf. Die Informationsgarantie ist ein positives Beispiel dafür: Selbstverständlich sind korrekte Fahrgastinformationen, gerade auch im Störungsfall, eine Pflicht für jeden Verkehrsbetrieb, aber wie wir schon an vielen Beispielen im SIGNAL zeigen konnten, wird sie oft missachtet. Dazu kommt oft das Problem der unverständlichen Formulierung oder Ausschilderung. In diesen Fällen kann eine Garantie ihre zwei Zwecke erfüllen: die betroffenen Kunden entschädigen und durch den finanziellen Verlust das verursachende Unternehmen zu mehr Qualität erziehen. In dieselbe Kategorie fällt auch die Antwortgarantie.
Merkwürdig ist die Vertriebsgarantie. Ein Fahrgast betritt die Haltestelle und versucht, einen Fahrschein zu erwerben. Automat, Verkaufspersonal? Wenn beides nicht vorhanden ist, wird wohl jeder Fahrgast dasselbe im Zug versuchen. Wenn der Verkehrsbetrieb auch hier versagt, dann fährt der Kunde „schwarz”. Aber in welchem Fall soll der Kunde die versprochenen 6,50 Euro bekommen – als Zugabe für’s gratis fahren oder als Teilrückerstattung eines unrechtmäßig erhobenen „erhöhten Beförderungsentgeltes”?
Ausgerechnet die wichtigste, die Fahrzeitgarantie, ist hier aber nicht zu finden, sondern an ganz anderer Stelle im Kursbuch: bei allgemeinen Hinweisen für die Fahrgäste. Damit wird ein grundsätzliches Problem von solchen kleinteiligen Lösungen sichtbar, denn speziell in Gebieten ohne die betriebsübergreifende Informationsquelle Kursbuch weiß der Kunde nicht, welche Rechte er wo bekommt.
Daneben ist die betriebsspezifische Beschränkung aller angebotenen Garantien auf nur vier Linien des Eisenbahnverkehrs und dabei auch nur auf die thüringischen Abschnitte negativ. Alle infrage kommenden Linien fahren grenzüberschreitend in andere Bundesländer. Wie stellen sich die Herausgeber der Garantie die Nachweispflicht des Fahrgastes vor? Sind Antworten wie „weil die Verschmutzung Ihrer Sachen in unserem Zug auf sächsischem Territorium passierte, können wir Ihnen nicht helfen” zu erwarten?
Die Einführung von Kundengarantien für Bahnfahrgäste in Thüringen ist erfreulich. Aber diese dürften es weiterhin schwer haben, ihre Rechte auf einen pünktlichen, sauberen und kundenfreundlichen Betrieb einzufordern. Das zuständige Landesministerium muss hier betriebsübergreifende Regelungen schaffen. Und nicht nur die Rechte, sondern auch die Ansprechpartner dafür sollten klar benannt und gut erreichbar sein. (af)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 4/2013 (September 2013), Seite 9