BVG
Busbetreiber ließ seine Fahrgäste „Such dir deine Haltestelle” spielen
23. Aug 2013
Wer in diesem Sommer von der S- oder Regionalbahn den Bahnhof Lichterfelde Ost im Süden Berlins verließ, um zum Bus umzusteigen, wurde unfreiwillig Mitspieler in einem gut ausgetüftelten Suchspiel.
Auf der Straße klaffte ein großes Loch, die Bushaltestellen vor dem Bahnhof waren jedoch noch an Ort und Stelle. Und nicht nur die. Um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, wurden rund um die drei Haltestellenmasten unkoordiniert Ersatzhaltestellen aufgestellt, sodass getrost vom Haltestellenschilderwald gesprochen werden konnte. Für den geübten BVG-Kunden ist
eine solche Situation ein Aufmerksamkeitszeichen, dass es sich hier um eine „Event-Station” handelt. Ziel des nun folgenden Spiels ist es, herauszufinden, worum es ging, die vielen Hinweise und Ereigniskarten zu deuten und richtige von unrichtigen Hinweisen zu unterscheiden, die es jedoch zunächst zu entschlüsseln gilt.
Gelangt man an eine Bushaltestelle und erspäht irgendwo in der Nähe eine Ersatzhaltestellensäule, ist dies der Startschuss. Jetzt gilt es, sofort Hinweise zu suchen. Die Ersatzhaltestelle selbst ist dabei der schlechteste Ausgangspunkt. Ersatzhaltestellen haben zwar viele angeschraubte Felder für Hinweise und Fahrpläne, diese sind jedoch mit Ausnahme des Hinweises „Ersatzhaltestelle” meist leer.
Hat die Station einen DAISY-Anzeiger, so kann es hier die ersten Hinweise geben. Im Fall Lichterfelde Ost taucht von den vielen dort abfahrenden Linien nur noch eine auf. Und die Laufzeile weist darauf hin, dass aus technischen Gründen zwei weitere Linien derzeit nicht angezeigt werden können. Die gesuchte Linie taucht aber gar nicht auf. Das kann ein Hinweis sein, muss aber nicht.
Wenn DAISY selbst nicht auskunftsfreudig oder gar kein Anzeiger vorhanden ist, kann man das DAISY-Pendant im Internet aufsuchen. Demnach fährt die gesuchte Linie in beiden Richtungen von der Haltestelle der Gegenrichtung auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Kann das sein? Ein kurzer Blick über die Straße und etwas Intuition verraten: nein!
Jetzt gilt es, den Fahrplan zu suchen. Entweder im Haltestellenhäuschen oder an einem der Masten. Der ist natürlich da, enthält selbst aber keine Hinweise zu geänderten Abfahrthaltestellen. Doch was ist das? Lose Zettel wurden mit Kabelbinder befestigt. Darauf könnten die entscheidenden Hinweise zu finden sein.
Tatsache! Einer der Zettel enthält Informationen zur gesuchten Linie. Da man das Auffinden der Ersatzhaltestelle nicht zu einfach gestalten wollte, ist der Hinweis in einem Fließtext ohne Hervorhebung versteckt. Man muss also alles lesen. Jetzt kommt der entscheidende Satz: Die Ersatzhaltestelle befindet sich in der Lorenzstraße vor Haus Nr. 2. Gut, aber wo ist das? Skizze auf der Rückseite? Wegbeschreibung? Beides Fehlanzeige!
Da nirgendwo in der Nähe eine Lorenzstraße zu finden ist und auch kein anderer Fahrgast weiterhelfen kann, hilft jetzt nur noch der Stadtplan. Mit etwas Glück findet man diesen im Haltestellenhäuschen. Aha! Zwei Querstraßen weiter. Jetzt aber die Beine in die Hand genommen!
Und da ist sie, zwar nicht vor Hausnummer 2 sondern vor der 3 und ordentlich von der Kreuzung weggerückt, aber sonst passt alles. Sogar ein Fahrplan hängt. Und der nächste Bus kommt in: 19 Minuten. Eine ältere Dame bestätigt es: „Ja, der ist gerade weg.” Danke BVG. (hm)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 4/2013 (September 2013), Seite 16