Eisenbahn Infrastruktur
Vorschläge des DBV zum Ausbau der Schieneninfrastruktur
23. Aug 2013
Im Rahmen der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans 2015 wurde auch vom Deutschen Bahnkunden-Verband ein Projektkatalog zum Ausbau der Schieneninfrastruktur beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) eingereicht. Die DBV-Vorschläge enthalten keine Neubaustrecken, da der Investitionsbedarf bei diesen im Vergleich zu Ausbauprojekten extrem hoch ist. Außerdem können die Kunden des Reise- und Güterverkehrs von Investitionen in den Ausbau wesentlich schneller profitieren. Nicht berücksichtigt wurden vom DBV Maßnahmen, bei denen die Bauarbeiten begonnen haben wie zum Beispiel beim viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn.
Verkehrspolitisches Ziel muss angesichts der sich verschärfenden Energie- und Klimaproblematik eine konsequente Verlagerung langlaufender Verkehre auf die Schiene sein. Dies gilt umso mehr,
da künftig speziell im Güterverkehr noch eine erhebliche Zunahme prognostiziert wird. Der Schienenverkehr hat bezüglich der Energieeffizienz gegenüber anderen Verkehrsträgern deutliche Vorteile.
Daneben setzt das EU-Weißbuch Verkehr vom März 2011 deutliche Akzente zugunsten eines ressourcenschonenden Verkehrssystems. Als wesentliches Ziel wurde ausdrücklich die stärkere Nutzung energieeffizienterer Verkehrsträger formuliert: „30% des Straßengüterverkehrs über 300 km sollten bis 2030 auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagert werden, mehr als 50 Prozent bis 2050, was durch effiziente und umweltfreundliche Güterverkehrskorridore erleichtert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, muss auch eine geeignete Infrastruktur geschaffen werden.“
Entsprechend einer Statistik der Allianz Pro Schiene liegt der Elektrifizierungsgrad der Eisenbahnstrecken in Deutschland mit gerade einmal 58,8 Prozent zum Teil weit hinter dem anderer Staaten Kerneuropas wie z. B. Österreich (68,0 Prozent), Schweden (71,4 Prozent), Niederlande (76,1 Prozent) und Schweiz (99,3 Prozent). Der Nachholbedarf ist in Deutschland also erheblich.
Aus den genannten Gründen sollten die nachfolgend beschriebenen Projekte im Bundesverkehrswegeplan 2015 deshalb in die Kategorie VORDRINGLICHER BEDARF PLUS (VB+) eingestuft werden.
Auf der Marschbahn Hamburg—Westerland endet die Fahrleitung noch immer im Bahnhof Itzehoe mit der Folge, dass die zum Teil schweren Reise- und Autotransportzüge mit Dieselloks nach Westerland (Sylt) befördert werden müssen. Unnötige Umspannaufenthalte, daraus resultierende zusätzliche Betriebskosten und entsprechende Fahrzeitverluste für den InterCity-Verkehr gehören ebenfalls zu den negativen Folgen. Die Elektrifizierung schafft in dieser Relation notwendige Verbesserungen. Wegen der Bedeutung für den Güterverkehr muss auch die Elektrifizierung des Abschnitts Wilster—Brunsbüttel Bestandteil dieses Projekts sein.
Der zweigleisige Ausbau der Abschnitte Bredstedt—Hattstedt, Niebüll—Klanxbüll und Morsum—Westerland beseitigt bestehende Engpässe bzw. schafft die Voraussetzungen für eine verbesserte Fahrplanstabilität.
Hohe Priorität haben in dieser Relation die Elektrifizierung zwischen Passow und Szczecin-Gumieńce (lediglich 40 km!) sowie ein durchgängiger Ausbau der Strecke Berlin—Szczecin für 160 km/h. Ziel muss dabei eine Realisierung deutlich vor 2020 sein.
Der eingleisige Wiederaufbau dieser Strecke leistet einen Beitrag zum nachhaltigen Tourismus dieser Urlaubregion.
Mit Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung müssen die Zulaufstrecken sowohl auf deutscher als auch auf dänischer Seite ausgebaut bzw. elektrifiziert werden. Mit der direkten Führung durchgehender Güterzüge in/aus Richtung Süddeutschland über die künftig elektrifizierte Strecke Lüneburg—Büchen—Lübeck können Umwegfahrten über den bereits heute hoch belasteten Bahnknoten Hamburg vermieden und zudem noch Fahrzeitverkürzungen realisiert werden. Für Züge des Fernreiseverkehrs in der Relation Berlin—Kopenhagen können ebenfalls Umwegfahrten über Hamburg vermieden werden. Durch einen sukzessiven zweigleisigen Ausbau dieser Strecke kann die Kapazität noch deutlich gesteigert werden.
In diesem Korridor sind folgende Maßnahmen notwendig:
Während die Strecke zwischen Reichenbach und Hof (teilweise mit EU-Mitteln) bis Ende 2013 elektrifiziert wird, gibt es für die weiterführende Elektrifizierung derzeit keine verbindliche Zeitplanung. Die Planungen müssten hier eigentlich soweit fortgeschritten sein, dass dieses Projekt spätestens nach der fertiggestellten Elektrifizierungsmaßnahme zwischen Reichenbach und Hof ohne Zeitverzug fortgeführt werden kann. Die Elektrifizierung des Abschnitts Hof—Regensburg ist z. B. wichtiges Kernelement für den geplanten „Ostkorridor” Hamburg—Uelzen—Stendal—Leipzig—Hof—Regensburg—Passau bzw. München. Mit dieser Ausbaumaßnahme werden für den Schienengüterverkehr eine leistungsfähige Alternativroute bzw. zusätzliche Kapazitäten zu heute bereits stark belasteten Strecken im Seehafen-Hinterlandverkehr geschaffen.
Der Ausbau bzw. die Elektrifizierung dieser Strecke hat schwerpunktmäßig im Seehafen-Hinterlandverkehr zwischen Bremerhaven bzw. dem neuen Tiefwasserhafen JadeWeserPort und Polen bzw. Tschechien Bedeutung.
Zur kapazitiven Erweiterung wurden bereits im Bundesverkehrswegeplan 2003 der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Stammstrecke der Lehrter Bahn aufgenommen, verbunden mit einer Geschwindigkeitserhöhung auf 160 km/h. Geschehen ist bislang nichts! Mit Realisierung dieser Maßnahme werden jedoch zusätzliche Kapazitäten im Schienengüterverkehr in/aus Richtung Osteuropa geschaffen, außerdem lassen sich ICE- und Güterverkehre, die heute gemeinsam auf den Hochgeschwindigkeitsgleisen abgewickelt werden müssen, entmischen. Des Weiteren wird eine Ausweichmöglichkeit für Störungen, z. B. auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke, geschaffen.
Der Vermeidung von Umwegfahrten über das Karower Kreuz dienen der Wiederaufbau und die Elektrifizierung der Ferngleise der Nordbahn innerhalb Berlins. Mit dem abschnittsweisen eingleisigen Wiederaufbau der Fernbahntrasse auf Berliner Gebiet lassen sich trassenparallele Eingriffe begrenzen.
Der Wiederaufbau bzw. die Elektrifizierung dieser Strecke ermöglicht eine deutliche Beschleunigung der Züge in der Relation Berlin—Usedom. Die Bahn wird damit im Sinne eines nachhaltigen Tourismus zu einer umweltschonenden Alternative zur Autonutzung auf saisonal völlig überlasteten Straßen in dieser Urlaubsregion. Daneben wird die Anbindung der Stadt Świnoujście verbessert. Auch der Hafen von Świnoujście profitiert von einer verbesserten Anbindung im Schienengüterverkehr. Gemäß einer Untersuchung der DB Netz AG vom August 2012 betragen die Investitionskosten rund 100 Mio. Euro für einen Minimalausbau.
Mit dem Ausbau dieser Strecke für 160 km/h kann die RegionalExpress-Linie 7 zwischen Berlin und Dessau beschleunigt und damit attraktiver werden. Die hier eingesetzten Talent 2-Züge sind für diese Höchstgeschwindigkeit zugelassen.
Zur Beschleunigung der Bahnverbindungen Deutschland—Polen wird der zweigleisige Ausbau dieser Strecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h bis 160 km/h einschließlich Elektrifizierung vorgeschlagen. Die Strecke dient der Entlastung der schon heute und erst recht in der Zukunft mit Personen- und Güterzügen stark ausgelasteten Strecke Berlin—Frankfurt (Oder).
Ziel bei dieser Maßnahme sind die Beschleunigung der InterCity-Züge in der stark nachgefragten Relation Hamburg—Rhein/Ruhr und eine verbesserte Fahrplanstabilität.
Beide Strecken haben für die Beschleunigung sowohl des internationalen Personen- als auch Güterverkehrs hohe Bedeutung, z. B. in der Relation Berlin—Wrocław (Breslau). Die Fahrzeit der EuroCity-Züge in der Relation Berlin—Wrocław kann mit der Linienführung über Cottbus—Spremberg—Horka—Węgliniec (Kohlfurt) von rund 5 Stunden auf dann 3:20 Stunden deutlich reduziert werden.
Durch die Neubaustrecke wird künftig der Knoten Erfurt Hbf erheblich an Bedeutung gewinnen. Die Stadt Jena wird dagegen ihre Fernverkehrsanbindung weitgehend verlieren, Gera wird derzeit im Fernverkehr überhaupt nicht mehr und voraussichtlich erst ab Ende 2016 mit lediglich 3 InterCity-Zugpaaren bedient. Daher muss die Angebotsqualität auf dieser Zubringerstrecke deutlich verbessert werden.
Die Planungen für die Elektrifizierung der beiden Strecken nach Lindau sind weit vorangeschritten; Ziel muss eine Fertigstellung dieser für den internationalen Verkehr wichtigen Strecken bis Ende 2016 (Geltendorf—Lindau) bzw. 2017 (Ulm—Lindau) sein.
Resultierend aus den eingangs genannten Forderungen des EU-Weißbuchs müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden, die eine Verlagerung langlaufender Lkw-Verkehre auf die energieeffizientere Schiene ermöglichen. Dazu gehört u. a. auch der Ausbau von KV-Systemen, die eine Verladung nicht kranbarer Sattelauflieger auf Bahnwaggons ermöglichen. Mit dem System MODALOHR oder Cargobeamer sind praxiserprobte technische Möglichkeiten vorhanden.
Deutscher Bahnkunden-Verband
aus SIGNAL 4/2013 (September 2013), Seite 20-21