Eisenbahn Infrastruktur
Pünktliche Planung, verspätete Realisierung
23. Aug 2013
Seit Dezember 2012 verfügt das Land Brandenburg über einen fortgeschriebenen Landesnahverkehrsplan (LNV) für die Jahre 2013 bis 2017. Die rechtzeitige Fertigstellung ist keineswegs selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass Berlin seinen Nahverkehrsplan für die Jahre 2010 bis 2014 nie zu Ende gebracht hat.
Der LNV trifft Aussagen zum Regionalund S-Bahn-Verkehr, also zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Regelungen zu Straßenbahn- und Busverkehr, also zum ÖPNV, erfolgen in den Nahverkehrsplänen der Landkreise.
Im Ergebnis von Analysen und Grundsatzfestlegungen wurden im LNV drei Zielkonzepte definiert, die das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft in seiner Pressemitteilung vom 6. Dezember 2012 folgendermaßen skizzierte:
Fortschreibung des Fahrplans 2012, keine Abbestellung von kompletten Linien, Entfall von schwach nachgefragten Zügen, reduziertes Angebot für die Prignitz, Betriebsaufnahme beim Netz „Stadtbahn“ mit Angebotsausweitungen, Anbindung des neuen Flughafens BER
Inbetriebnahme der Bahnstrecke Berlin–Rostock für 160 Kilometer pro Stunde, Berlin-Ostkreuz als Regionalbahnhof, bessere Anbindung nach Berlin durch Verlängerung der RB 12, 24, 25, 26 über Lichtenberg, Umsteigeknoten Ostkreuz (Halt aller Stadtbahnlinien)
Berlin-Gesundbrunnen wird als Knoten gestärkt durch Anbindung des Prignitz-Expresses und der Heidekrautbahn, Fertigstellung der Dresdener Bahn, Elektrifizierung der Stettiner Bahn, Einbindung der RB 33 aus Jüterbog nach Potsdam über Pirschheide, Ausbau des Taktfahrplans (Deutschlandtakt)
Diese Untergliederung in drei Zielnetze ist plausibel. Dennoch war der Ansatz schon kurze Zeit später überholt. Nur einen Monat nach Fertigstellung des LNV wurde mitgeteilt, dass die Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss. Folglich kann das Zielnetz 2013 nicht wie geplant realisiert werden. Nachdem kurz darauf bekannt wurde, dass der neue Regionalverkehrsknoten Berlin-Ostkreuz nicht vor 2017 fertig wird, kann auch das Zielnetz 2016 nicht planmäßig in Betrieb genommen werden.
Die RB 54 nach Rheinsberg weiterhin nur für den Ausflugsverkehr zu konzipieren, ist falsch. Damit ist die mittelfristige Stilllegung vorprogrammiert. Vielmehr sollte die RB 54 durch ganzjährigen Taktverkehr und Koppelung ab Löwenberg mit den Zügen der RB 12 von Templin nach Berlin-Ostkreuz aufgewertet und damit langfristig gesichert werden.
Positiv ist die Absicht, auf der RB 27 (Heidekrautbahn) zunächst einzelne und im Perspektivnetz alle Züge über Karow nach Berlin-Gesundbrunnen durchzubinden. Auch die Durchbindung des RE 6 von Hennigsdorf über Berlin-Tegel nach Gesundbrunnen ist zu begrüßen.
Angesichts der wachsenden Bedeutung des Bahnknotens Gesundbrunnen darf der RE 9 (Flughafenexpress) aber nicht in Berlin Hbf enden, sondern muss bis Berlin-Gesundbrunnen verlängert werden.
Unverständlich ist, dass der RE 9 im Perspektivnetz als FE bezeichnet wird. Das legt den Verdacht nahe, dass es nicht mehr ein in den VBB-Tarif eingebundenes Verkehrsangebot sein soll. Die Anbindung des Flughafens BER muss jedoch dauerhaft durch Linien im VBB-Tarif sicher gestellt werden.
Ebenso ist es erforderlich, die RB 36 dauerhaft von Königs Wusterhausen nach Berlin- Lichtenberg durchzubinden. Hier ist das Land Berlin gefordert.
Im Perspektivnetz fehlt außerdem die Verlängerung der RB 35 von Bad Saarow Klinikum zum ehemaligen Bahnhof Pieskow Süd. Dieser Abschnitt ist bewusst von der „Entwidmung ausgenommen worden und kann nach Beseitigung von Langsamfahrstellen zwischen Fürstenwalde und Bad Saarow ohne zusätzlichen Umlauf befahren werden.
Warum S-Bahn-Netzerweiterungen im Land Brandenburg nicht erforderlich sein sollen, wird nicht schlüssig beantwortet. Zumindest im Perspektivnetz hätten sie berücksichtigt werden müssen. Wichtig sind hierbei insbesondere die Verlängerungen von Berlin-Spandau nach Falkensee und von Teltow Stadt nach Stahnsdorf.
Zwischen Berlin-Spandau und Falkensee wird mit zunehmendem Fernreise- und Güterverkehr ein getaktetes stabiles Regionalverkehrsangebot mittel- bis langfristig nicht mehr möglich sein. Ein leistungsfähiges und pünktliches Verkehrsangebot zwischen Berlin und Falkensee ermöglicht dann nur noch die S-Bahn auf ihrer eigenen Trasse.
Ebenso wichtig ist die S-Bahn für die Erschließung von Teltow und Stahnsdorf, da dort nicht einmal Regionalverkehr auf der Schiene zur Verfügung steht. Angesichts des beträchtlichen Bevölkerungswachstums im Raum Teltow/Kleinmachnow/Stahnsdorf kann dort in Zukunft die S-Bahn eine leistungsfähige und verlässliche Erschließung bieten.
Bei beiden genannten Strecken, aber auch nach Velten und Rangsdorf sind zumindest die Trassen für eine S-Bahn-Netzerweiterung frei zu halten, da der Ballungsraum Berlin in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten weiter wachsen und der Anteil der ÖV-Nutzer durch die steigenden Energiekosten zunehmen wird.
Dass das Land Brandenburg sich in den nächsten Jahren auf den Ausbau der vorhandenen Strecken insbesondere nach Potsdam und Strausberg Nord konzentrieren will, ist nachvollziehbar. Dass aber Zukunftsperspektiven für die S-Bahn durch Verzicht auf Trassenfreihaltungen verbaut werden, ist ein Vergehen an der nächsten Generation.
Eine „breite Auseinandersetzung” habe es gegeben, lobt sich das Ministerium in der eingangs zitierten Pressemitteilung vom 6. Dezember. Richtig ist, dass die Beteiligung der Parteien und Verbände besser war, als beim LNV für die Jahre 2008 bis 2012. Das damalige Angebot zu überbieten, war allerdings keine Schwierigkeit. Ausreichend und befriedigend war die Beteiligung auch beim neuen LNV noch nicht. Das gilt auch für die Abstimmung mit dem Nachbarland Berlin. Hier besteht allerdings beidseitig noch erheblicher Nachholbedarf.
Lobenswert ist die beim Land Brandenburg in der Regel gute Verfügbarkeit von Untersuchungen und Planungen im Internet, so auch beim Landesnahverkehrsplan unter www.mil.brandenburg.de.
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 4/2013 (September 2013), Seite 22-23