Überregional

Deutlich reduziert: Planungen zum Ausbau der Schieneninfrastruktur

Der Bund stellt künftig 2,5 Milliarden Euro jährlich für das Bestandsnetz der Bundesschienenwege zur Verfügung. Die Investitionen für die Neu- und Ausbaustrecken wurden dagegen für die Jahre 2004 - 2008 auf rund 3,1 Milliarden Euro beschränkt; wichtige Maßnahmen zur notwendigen Stärkung der Wettbewerbsposition der Bahn im Vergleich zum Straßen - und Flugverkehr können damit vorläufig gar nicht bzw. nur mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen realisiert werden.


IGEB Fernverkehr

1. Nov 2004

Bahn und Bund haben sich im Juli über die Prioritäten bei der Realisierung der Projekte zum Ausbau der Schieneninfrastruktur verständigt. In der Tabelle sind die 66 Teilprojekte zusammengestellt, die in den Jahren 2004 bis 2008 verwirklicht werden sollen. Die dabei vorgenommene Unterteilung täuscht einen umfassenden Infrastrukturausbau leider nur vor. So sind die Baumaßnahmen allein im Knoten Berlin in acht Einzelprojekte aufgeteilt. Auch sind in der Mittelfristplanung Projekte enthalten, bei denen der Bund keine Finanzierung übernimmt. Hierzu zählen zum Beispiel die Neu-/Ausbaustrecke Nürnberg - München, bei der die restlichen Baumaßnahmen aufgrund einer Höchstpreisvereinbarung nunmehr aus Eigenmitteln der DB AG finanziert werden müssen, weiterhin das Projekt „Neu Ulm 21", wo das Bundesland Bayern die Vorfinanzierung übernimmt. Bei acht Maßnahmen sind lediglich Restleistungen, bei einer Maßnahme Vorleistungen mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand von maximal 1 Million Euro zu erbringen.

Massive Kürzungen bei den Schieneninfrastruktur-Projekten einerseits, weiterhin großzügige Straßenbaumaßnahmen (im Bild die autobahnähnlich ausgebaute B 101 in Brandenburg) andererseits: Eine Gleichbehandlung der Verkehrsträger Schiene und Straße kann so nicht funktionieren. Foto: Christian Schultz

Der vom Bundestag verabschiedete Bundesverkehrswegeplan 2003 dürfte damit - selbst bei Berücksichtigung, dass es sich hierbei lediglich um einen Investitionsrahmenplan handelt - zumindest für den Schienenbereich Makulatur sein, da die Umsetzung der bis 2015 geplanten Maßnahmen wegen der massiven Einschnitte bei den Verkehrsinvestitionen völlig unrealistisch ist.

Angesichts der beschlossenen Mittelfristplanung ist weiterhin fraglich, wie das verkehrspolitische Ziel, künftig einen deutlich höheren Anteil am Verkehrsaufkommen über die Schiene abzuwickeln, eigentlich erreicht werden soll.

Die Folgen der Investitionsplanung sollen nachfolgend anhand der Relation Berlin - Leipzig - München verdeutlicht werden.

Verkehrspolitische Zielsetzungen gemäß Bundesverkehrswegeplan 2003

Dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2003 liegen unter anderem folgende zentrale verkehrspolitische und gesellschaftliche Ziele zugrunde:

Trotz erheblicher Kürzungen bei den Schieneninfrastruktur-Projekten gesichert: VDE-Projekt 8.3 Berlin - Halle/Leipzig. Aufnahme in Genshagener Heide, Bauzustand September 2004. Foto: Christian Schultz

Weiterhin wird den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit (VDE-Projekte) Vorrang bei der Realisierung eingeräumt, da sie für den Aufbau Ost und das Zusammenwachsen von neuen und alten Bundesländern herausragende Bedeutung haben. Die VDE-Projekte zählen deshalb im BVWP 2003 auch zu den laufenden und fest disponierten Vorhaben.

Bei einem Vergleich bezüglich der Umsetzung der beschlossenen VDE-Maßnahmen für die Verkehrsträger Straße und Schiene werden allerdings Unterschiede hinsichtlich der Prioritäten deutlich. Während die Straßenbauprojekte bis auf wenige Reststrecken im Jahr 2005 fertig gestellt sein werden bzw. die Gesamtfertigstellung bis 2007/2008 erfolgen soll, sind zwar auch insgesamt sechs der neun Eisenbahnvorhaben (zum Beispiel Helmstedt - Magdeburg - Berlin) praktisch abgeschlossen, für die Inbetriebnahme der VDE-Projekte 8.1 und 8.2 Nürnberg - Erfurt - Halle/Leipzig ist dagegen mittlerweile selbst das Jahr 2015 unrealistisch. In den vorliegenden Fällen kann weder von einer vorrangigen Realisierung der VDE-Projekte noch von der Schaffung fairer und vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen die Rede sein.

Berlin - Nürnberg - München: Das Bahnangebot 2004 im Vergleich zu den Wettbewerbern

Der Ausbau der Autobahn A 9 zwischen Berlin, Nürnberg und München ist mittlerweile weit vorangeschritten, so dass dem Personen- und Güterverkehr auf der Straße - als wichtigstem Konkurrenten der Bahn - in weiten Abschnitten sechs Fahrspuren ohne jegliche Restriktionen bezüglich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Verfügung stehen.

Für die Bahn sieht die Situation dagegen deutlich schlechter aus. Die Ertüchtigung der Strecke Berlin - Bitterfeld - Leipzig für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ist noch immer nicht abgeschlossen, ebensowenig die Arbeiten an der Neu-/Ausbaustrecke Nürnberg - Ingolstadt - München. Letztere Infrastrukturmaßnahme ermöglicht nach Inbetriebnahme allein eine Reduzierung der Fahrzeit um rund 40 Minuten auf dann rund 60 Minuten.

Verkehrsbündelung der Neubaustrecke Halle - Leipzig, Abschnitt Knoten Gröbers - Leipzig im Bereich des Flughafens Leipzig/Halle mit der Autobahn A 14 Magdeburg - Dresden, im Vordergrund eine Rollfeldbrücke zur Verbindung der beiden Flughafenbereiche Nord und Süd über beide Verkehrsträger (VDE 8.2 Neubaustrecke 130 km Erfurt - Leipzig/Halle (ca. 23 km Gröbers - Leipzig mit Flughafenbahnhof Leipzig/Halle in Betrieb). Foto: DB AG/Busse

Wenngleich die benannten Projekte voraussichtlich in 2006 beendet sein werden, wird das verkehrsstrategisch wichtige Mittelstück Leipzig - Nürnberg auch danach eine Langsamfahrstrecke bleiben. Speziell südlich von Saalfeld sind die Windungen der Trasse besonders ausgeprägt mit engen Radien und Steigungen bis zu 29 Promille. Geschwindigkeitseinbrüche für konventionelle Züge auf 70 km/h bzw. selbst für den Neigetechnik-Zug ICE-T auf 80 km/h sind die Folge - für eine Autobahntrasse unvorstellbar!

Ferner muß das bogenschnelle Fahren mit dem ICE-T zumindest in dieser Relation kritisch gesehen werden. Bedingt durch die unzähligen Bogenwechsel der Strecke beschweren sich regelmäßig Fahrgäste über Reiseübelkeit und weitere Beschwerden - ein bislang in der Öffentlichkeit völlig verschwiegenes Problem. Angesichts der Häufigkeit der Klagen kann dabei von Einzelfällen kaum mehr gesprochen werden.

Fazit

Das Ziel einer Verbesserung der Wettbewerbssituation des umweltfreundlichen Eisenbahnverkehrs kann auf diese Weise nicht erreicht werden; die vorhandenen Infrastrukturmängel können wirkungsvoll nur mittels einer Neutrassierung behoben werden.

Bei Beurteilung der VDE-Projekte 8.1 und 8.2 muß weiterhin beachtet werden, dass die in Bau befindlichen Autobahnabschnitte A 71 (Erfurt - Schweinfurt) bzw. A 73 (Suhl - Lichtenfels) voraussichtlich in 2006 größtenteils fertiggestellt werden und somit das Raum-Zeit-System des Straßenverkehrs auch hier wieder enorm verbessern - und zwar einmal mehr zu Lasten des Schienenverkehrs! Die Gesamtlänge des Vorhabens A 71/A 73 beträgt dabei allein rund 222 km und weist - ähnlich wie die Eisenbahn-Neubaustrecke Erfurt - Ebensfeld - zahlreiche Tunnel und Talbrücken auf, wie zum Beispiel den fast acht Kilometer langen Rennsteigtunnel (Baukosten hierfür 170 Millionen Euro). Nennenswerte Finanzierungsprobleme gibt es offensichtlich bei diesen beiden Straßenprojekten nicht.

Neu/Ausbaustrecke Leipzig - Erfurt - Nürnberg: Zügige Realisierung in Teilabschnitten zum Nutzen des Kunden

In die VDE-Projekte 8.1 und 8.2 sind bis Ende 2002 bereits Mittel in folgender Höhe investiert worden:

Der Baubeginn für die 107 km lange NBS Erfurt - Ebensfeld erfolgte am 16. April 1996 in Arnstadt, eine Inbetriebnahme ist im Fall der Beibehaltung der derzeitigen Rahmenbedingungen selbst im Jahr 2015 unwahrscheinlich. Volkswirtschaftlich völlig inakzeptabel ist bei der NBS/ABS Nürnberg - Erfurt die Tatsache, dass Steuergelder in beträchtlicher Höhe eingesetzt werden, die günstigstenfalls erst in 20 Jahren nach dem „ersten Spatenstich" dem Kunden sowohl im Personen- als auch Güterverkehr Nutzen bringen (zwischen Leipzig und Gröbers ist seit 30. Juni 2003 ein erster 23 km langer Neubauabschnitt in Betrieb, der für die ICE der Relation Berlin - München allerdings derzeit nicht relevant ist). Zum Vergleich: Mit dem Bau der NBS Köln - Frankfurt/Main (Länge 177 km) wurde im Dezember 1995 begonnen, der Shuttlebetrieb mit dem ICE 3 wurde am 1. August 2002 aufgenommen!

Fragwürdig ist weiterhin die vorgesehene Aufsplittung der Mittel bei den VDE-Projekten 8.1 und 8.2 mit der Folge, dass ein zügiger Baufortschritt nunmehr in beiden Teilprojekten verhindert wird.

Dringend erforderlich ist daher einerseits die Bereitstellung ausreichend finanzieller Mittel, andererseits eine stufenweise Realisierung mit dem Schwerpunkt auf diejenigen Teilabschnitte, die dem Kunden den größten Nutzen bringen. Dies kann letztlich nur folgendermaßen geschehen:

Grundsätzlich trägt der Bund gemäß Art. 87e Abs. 4 GG für Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Bundeseisenbahnen Sorge. Dazu gehört auch die Verantwortung bezüglich einer zügigen Realisierung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben, ggf. verbunden mit der Zurückstellung neuer Projekte. Dabei darf auch die Reduzierung der Neu- bzw. Ausbaupläne von Autobahnen bzw. Bundesstraßen kein Tabu-Thema sein, um eine ausreichende Finanzierung bzw. Umsetzung wichtiger Schieneninfrastruktur-Planungen - wie unter anderem zwischen Berlin und München - in einem volkswirtschaftlich akzeptablen Zeitraum zu gewährleisten. Die verkehrspolitischen Ziele zum Beispiel bezüglich Ressourcenschonung und Flächenverbrauch lassen sich mit den im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Bahnprojekten ohnehin wesentlich besser erreichen als mit der Umsetzung der unzähligen Straßenvorhaben.

Auch Folgendes ist zu bedenken: Was nutzt die Beschaffung moderner, teurer Hochgeschwindigkeitszüge, wenn diese auf dem verfügbaren Schienennetz ihren Wettbewerbsvorteil, nämlich dem Bahnkunden eine attraktive, hohe Reisegeschwindigkeit zu bieten, nicht oder nur sehr eingeschränkt ausspielen können!

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 5/2004 (Oktober/November 2004), Seite 10-12