Überregional
Mehrere Ländergrenzen überschreitende Bahnlinien werden zum Fahrplanwechsel gestrichen.
1. Nov 2004
Für den Eisenbahn-Regionalverkehr sind die einzelnen Bundesländer zuständig. Aber das Geld zu dessen Bestellung erhalten sie vom Bund über die so genannten Regionalisierungsmittel. Wer gehofft hatte, dass die lokale Verantwortung mit angemessener Finanzausstattung zur Stärkung des Eisenbahnregionalverkehrs führt, wurde allerdings schon mehrfach enttäuscht. Zum einen werden innerhalb vieler Bundesländer zu fast jedem Fahrplanwechsel auf einzelnen Strecken die Regionalverkehre auf der Schiene abbestellt. Zum anderen werden die die Ländergrenzen überschreitenden Angebote immer öfter gestrichen. Die erfreuliche Weiterführung des RE 4 von Jüterbog nach Lutherstadt Wittenberg seit dem letzten Fahrplanwechsel ist leider nur eine Ausnahme von der Regel.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2003 wurde in Brandenburg der Verkehr auf den Strecken der Brandenburgischen Städtebahn Neustadt (Dosse) - Rathenow und Brandenburg - Belzig eingestellt. Auch zum diesjährigen Fahrplanwechsel am 12. Dezember trifft es brandenburgische Reisende. Aber dieses Mal ist das Land Brandenburg nicht Initiator, sondern Betroffener von Entscheidungen in den Nachbarländern Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Ursprünglich stand hier ein Nachruf auf diese Strecke vom brandenburgischen Falkenberg (Elster) ins sächsische Riesa. Doch vielfältige Bemühungen seitens des DBV in Zusammenarbeit unter anderem mit der Stadt Falkenberg und ein engagiertes Eintreten des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung (bisher Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr) geben Anlass zur Hoffnung, dass auf dieser Strecke auch 2005 noch Nahverkehrszüge fahren. Mehr zu den aktuellen Entwicklungen finden Sie auf den Brandenburg-Seiten.
Auch auf der Strecke vom brandenburgischen Spremberg zum sächsischen Hoyerswerda wird der Schienenverkehr abbestellt. Busse sollen für Ersatz sorgen. Für Reisende zwischen dem Oberzentrum Cottbus und Hoyerswerda ist künftig Umsteigen und eine deutliche Fahrzeitverlängerung angesagt. Die lange zurückliegende Zeit der Länderbahnen scheint leider Wiederauferstehung zu feiern. Besonders enttäuschend war, dass der Oberbürgermeister von Hoyerswerda, Herr Brähmig (PDS), die Stilliegung begrüßte, weil der Bahnverkehr hier eine Verschleuderung von Steuergeldern sei.
In Sachsen gehören die Entgelte, die das Land der Bahn pro gefahrenen Zugkilometer im Regionalverkehr zahlt, mit zu den höchsten bundesweit. Das erzeugt offensichtlich zusätzliche Sparzwänge. So soll ab dem Fahrplanwechsel auch die rein sächsische Strecke von Bautzen über Wilthen nach Neustadt (Sachsen) nicht mehr befahren werden. Das Reststück Neustadt - Sebnitz - Bad Schandau bleibt (zunächst) mit deutlich reduziertem Zugangebot bestehen.
In Sachsen-Anhalt wird der Schienenverkehr auf der Strecke Wittenberge - Arendsee - Salzwedel abbestellt. Hier fand in den letzten Jahren ein Versuch statt, Bus- und Bahnangebote zu kombinieren. An Werktagen fahren im Zweistundentakt Busse zwischen Seehausen (Altmark) und Salzwedel, während an den Wochenenden die Bahnverbindung von Wittenberge Touristen aus dem Berliner Raum in diese attraktive Region bringen sollte. Nun werden die Zugangebote eingestellt und ab dem Fahrplanwechsel fahren die Busse täglich von Seehausen. Dank zusätzlichem Umsteigen - verbunden mit Wartezeiten - ist dieses Angebot für Tagesgäste aus Berlin nun nicht mehr attraktiv.
Seltsam ist die Begründung, die vom Land Sachsen-Anhalt für die Streichung gegeben wurde. Es seien trotz „zahlreicher Marketingmaßnahmen die Fahrgastzahlen beim Schienenverkehr selbst in der Hauptsaison weit unter den wirtschaftlich vertretbaren Werten geblieben". Dabei stellte sich jedoch heraus, dass Reisende mit dem „Schönes-Wochenende-Ticket" (was bei einem nur am Wochenende fahrenden Zug wohl die Mehrheit der Reisenden sein dürfte) gar nicht erst mitgezählt wurden. Und wer hat in Berlin, einem großen Markt für Ausflüge in die Altmark, schon etwas von den „zahlreichen Marketingmaßnahmen" mitbekommen? Vor wenigen Wochen wusste selbst die Fahrkartenausgabe im nahen Wittenberge (in Brandenburg!) nichts von den dort fahrenden Bussen.
Das Beispiel aus Sachsen-Anhalt zeigt leider wieder ein Mal: Wer ein Zugangebot streichen will, findet dafür stets auch eine Begründung. Dass diese zum Teil fragwürdig oder gar falsch ist, erfährt die Öffentlichkeit, wenn überhaupt, zumeist erst nach erfolgter Abbestellung.
Allerdings zeigte eine vom DBV initiierte Regionalkonferenz Mitte Oktober, dass es sowohl Befürworter wie auch Ideen zum Erhalt dieser Strecke gibt. Diese Ideen sollen nun bis zu einerweiteren Regionalkonferenz im November geprüft werden. Vielleicht ist ja auch hier, wie bei Falkenberg - Riesa noch nicht das letzte Wort gesprochen?
Der reguläre Personenverkehr auf dieser Strecke im Grenzbereich Brandenburg - Sachsen-Anhalt wurde schon in den letzten Jahren Stück für Stück reduziert. In der vergangenen Fahrplanperiode hatten Ausflügler aus Berlin aber die Möglichkeit, mit dem in Barby haltenden „Harz-Express" die reizvolle Gegend an Elbe und Saale (zum Beispiel auf dem Elbe- und dem Saale-Radweg) zu erkunden. Auch dieses Angebot hätte ein deutlich besseres Marketing verdient. Diese Chance wurde leider vertan. Mit der ab Dezember veränderten Linienführung des „Harz-Express" ist das Geschichte. Damit endet der Verkehr auf dieser Hauptbahn, der zuletzt nur noch aus einem Zugpaar an Wochenendtagen bestand. Für den nach der Wende für den ICE-Verkehr Berlin - Magdeburg teilweise aufwändig ausgebauten Streckenabschnitt Wiesenburg - Güterglück heißt es zum Fahrplanwechsel: Stilllegung. (kut/gjc)
IGEB/DBV
aus SIGNAL 5/2004 (Oktober/November 2004), Seite 14