Titelthema Sicherheit und Datenschutz

Erhöhtes Beförderungsentgelt – und dann?

Nach 14 Tagen tun sich Abgründe auf


Berliner Fahrgastverband IGEB

30. Okt 2013

Das „erhöhte Beförderungsentgelt”, kurz EBE, wird von den Verkehrsunternehmen erhoben, wenn ein Fahrgast bei der Kontrolle ohne gültigen Fahrausweis angetroffen wird. Hierbei erhält der Fahrgast eine Zahlungsaufforderung ausgehändigt, die für den Rest der Fahrt mit diesem Unternehmen als Fahrkarte gilt. Innerhalb von 14 Tagen sollen nun 40 Euro gezahlt werden. So weit ist die gängige Praxis nachvollziehbar. Doch was passiert, wenn diese Frist verstreicht, ohne dass eine Zahlung erfolgt ist? Die VBB-Beförderungsbedingungen sagen hierzu in § 9: „Wird das erhöhte Beförderungsentgelt nicht innerhalb der in der Zahlungsaufforderung gesetzten Frist entrichtet, wird für jede schriftliche Mahnung ein Bearbeitungsentgelt von mindestens 5,00 EUR erhoben.”

Inkassounternehmen treibt Kosten hoch

Die tatsächliche Praxis ist davon jedoch weit entfernt. Wer sich nicht innerhalb der 14 Tage beim Verkehrsunternehmen gemeldet hat,

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wird unverhofft Kunde einer völlig anderen Unternehmensgruppe. Deutsche Bahn und BVG schreiben diese Fälle nämlich ab und beauftragen automatisch ein Inkassounternehmen (infoscore Forderungsmanagement) mit dem Eintreiben der Summe. Ab hier wird es hochgradig unseriös, denn neben den ursprünglichen EBE-Ansprüchen tauchen dort Posten wie Inkassokosten, Verzugszinsen und Kontoführungsgebühren in fragwürdiger Höhe auf. Die 40 Euro haben sich damit auf etwa 80 Euro verdoppelt, ohne dass die in den Beförderungsbedingungen vorgesehene Mahnung je erfolgt ist. Wendet sich der Betroffene nun an das Verkehrsunternehmen, so erhält er die Auskunft, dass für ihn leider nichts mehr getan werden kann und es das Beste wäre, doch einfach zu zahlen.

Anwalt mit Schnäppchen-Angebot

Forderung der Inkassofirma „infoscore“. Foto: IGEB

Hat das Inkassounternehmen nicht den gewünschten Erfolg, so wird der Briefkopf ausgetauscht. Nun droht ein Anwalt das Geld notfalls auch gerichtlich einzutreiben. Dabei steht zwar auch eine andere Firma im Briefkopf, doch das Aktenzeichen wird übernommen, denn die Anwaltsfirma (RA Haas) gehört zu derselben Unternehmensgruppe (Arvato). Die Forderung erhöht sich selbstverständlich erneut und liegt nun über 95 Euro. Die Willkürlichkeit dieser Forderungen zeigt sich im weiteren Verlauf der „Brieffreundschaft”, denn mit den folgenden Briefen erhöht sich die Forderung mal um wenige Cent bei stetig verschärfter Drohkulisse, dann wiederum wird eine „Schnäppchen”-Ermäßigung auf etwa 75 Euro (nur für kurze Zeit) angeboten. Völlig umsonst gibt es den Hinweis über die weiteren Kosten bei einem gerichtlichen Mahnverfahren.

Die merkwürdige Kostenexplosion mit nicht nachvollziehbaren und fragwürdigen Posten ist nicht das einzige Problem. Auch die Kontaktaufnahme gestaltet sich schwierig. Der SMS-Rückrufservice klappt nur, wenn die Daten im richtigen Format vorliegen und ist insofern keine sichere Methode. Eine Mail ist zwar kostenfrei, wird aber auch nur in Form der üblichen Briefkette beantwortet. Selbst der persönliche Kontakt per Telefonanruf hat offenbar keine Auswirkung auf den Briefauswurf, und getroffene Vereinbarungen werden häufig ignoriert.

Schwarzfahrer als Nachbarn

Doch es wird noch pikanter: Die zum Bertelsmann-Konzern gehörende Unternehmensgruppe Arvato beschäftigt sich auch mit Kreditwürdigkeit und Direktmarketing. Im Gegensatz zur allseits bekannten Schufa nutzt Infoscore das sogenannte Geoscoring, wobei zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit auch das Wohnumfeld einbezogen wird. Es reicht also, (vermeintliche) Schwarzfahrer und sonstige säumige Zahler als Nachbarn zu haben, um selbst – trotz immer pünktlicher Zahlung – als generell „nicht ausreichend kreditwürdig” zu gelten. Negative Schlagzeilen gab es daher zuletzt im April 2013 durch die Berichterstattung des Westdeutschen Rundfunks (WDR).

IGEB fordert Neuregelung

Was mit den persönlichen Daten passiert, ist für die EBE-Betroffenen derzeit nicht nachvollziehbar. Die beteiligten Verkehrsunternehmen müssen daher – trotz berechtigtem Einnahme-Interesse – dringend ihren Umgang mit den EBE-Fällen überdenken. Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert eine generelle Neuregelung. (th)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 5/2013 (November 2013), Seite 9