Bauen bei der Straßenbahn
Gutes Angebot – kaputt kommuniziert
30. Okt 2013
Stand bei der letzten Sperrung der Berliner Straßenbahnlinie 12 noch die Betriebsführung im Mittelpunkt der Kritik (SIGNAL 4/2013 ), so wurde diese in der jüngsten Bauphase deutlich verbessert.
Die Einwohner der Pappelalle in Berlin-Prenzlauer Berg sind es ja inzwischen gewohnt, dass ihre Straßenbahn immer mal wieder über längere Zeit nicht fährt. Die jüngste Sperrung war dem Umstand geschuldet, dass die BVG dies ändern möchte. So wurde der bisherige Gleiswechsel am U-Bahnhof Eberswalder Straße gegen einen Flexity-tauglichen ausgetauscht. Damit kann künftig bei Störungen die Pappelallee weiterhin bedient werden.
Doch vor den Bau-Erfolg hatte der SEV-Gott erneut den Bau-Verkehr gestellt. Und hier ging die BVG neue Wege. Um die Einschränkungen für die Straßenbahnfahrgäste durch Ersatzverkehr mit Bussen so gering wie möglich zu halten,
hat man erstmals eine Linie mit einbezogen, die von den Bauarbeiten eigentlich gar nicht betroffen wäre.
Aufgrund fehlender Übereck-Weichenverbindungen an der Kreuzung Schönhauser Allee/Bornholmer Straße hat die BVG die beiden Linien 50 und 12 miteinander verknüpft. Beide bogen somit nicht ab, sondern fuhren geradeaus über die Kreuzung und bedienten damit den jeweils nicht bedienten Abschnitt der anderen Linie. Damit die Taktzeiten zusammenpassten, hatte man sogar die Linie 12 von einem 15-Minuten-Takt auf einen 10-Minuten-Takt verdichtet.
Damit entstand für die Fahrgäste beider Linien zwar ein Umsteigezwang, aber durch die jeweils parallel fahrenden Metrolinien M 1 und M 13 ergab sich rechnerisch ein 5-Minuten-Takt auf allen Abschnitten – und somit optimale Anschlüsse am Knotenpunkt. Dadurch waren für einen Teil der Fahrgäste sogar Fahrzeitverkürzungen trotz Umstieg möglich.
Leider haben aber nur die Wenigsten diese Vorteile nutzen können. Denn die BVG hatte einen riesigen Aufwand betrieben, damit auch ja niemand herausfindet, wie tatsächlich gefahren wurde. Auf allen Abschnitten wurde den Fahrgästen gemäß eigener „Fahrgastdesinformationsrichtlinien“ das Standardprogramm vorgegaukelt. Resultat: Überall warteten Fahrgäste auf „ihre” Bahn und ließen die andere Linie, die ebenfalls ihr Ziel ansteuerte, fahren. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass durch diese Desinformation im gesamten Bauzeitraum von 4 Wochen weit über 10 000 Fahrgäste unnötig lange auf falsch beschilderte Züge gewartet haben.
Äußerst schade und vor allem überaus unnötig. Um an jeder Haltestelle den Umsteigezwang von einer Linie in dieselbe Linie zu erklären, wurden viele komplizierte Schilder gedruckt – mal mit erklärenden Grafiken, aber meist mit umständlichen Texten. Dabei hätte es so einfach sein können! Auf den Fahrplänen und allen Anzeigern erfolgt die korrekte Beschilderung, ergänzt um folgenden leicht verständlichen Hinweis: „Linie … Richtung … : Bitte mit jedem Zug bis Schönhauser Allee/Bornholmer Straße vorfahren und dort umsteigen!” Fertig!
Schade. Chance vertan. Das bemerkenswerte und löbliche Betriebskonzept konnte somit von kaum einem Fahrgast genutzt werden. Ein erkennbarer 5-Minuten-Takt für vier Wochen zwischen Pankow und Kupfergraben sowie zwischen Weißensee und Wedding hätte durchaus seine Fans finden und damit mehr Fahrgäste von den Leistungen der Berliner Straßenbahn überzeugen können. (hm)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 5/2013 (November 2013), Seite 11