Fahrgastrechte

Anspruch auf Verspätungsentschädigung bei hypothetischer Verspätung?


söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

30. Okt 2013

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wollte von Hannover nach Bochum fahren und buchte für diese Fahrt eine Fernverkehrsfahrkarte. Schon auf der ersten Teilstrecke von Hannover Messe/Laatzen nach Hannover Hbf kam es zu einer Verzögerung, so dass der Beschwerdeführer seinen geplanten Anschlusszug (ein Fernverkehrszug) für die Weiterfahrt nach Bochum verpasste. Er entschied sich daher für die Weiterreise mit einem anderen Zug (Regionalzug). Da sich jedoch auch dieser Regionalzug verspätete, verließ der Beschwerdeführer bereits in Hamm vorzeitig den Zug,

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um mit in einem anderen Zug nach Bochum zu fahren. Mit diesem zuletzt genutzten Zug erreichte er Bochum um 20.02 Uhr. Planmäßige Ankunft wäre eigentlich bereits um 19.22 Uhr gewesen.

Nach der Fahrt stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verspätungsentschädigung beim Servicecenter Fahrgastrechte.

Antwort der Beschwerdegegnerin

Das Servicecenter Fahrgastrechte bestätigte dem Beschwerdeführer auf seiner Fahrt eine Verspätung von 40 Minuten und lehnte die Zahlung einer Verspätungsentschädigung ab.

Der Beschwerdeführer war mit dieser Antwort nicht einverstanden. Er wandte sich an die söp und wies darauf hin, dass er Bochum erst gegen 21 Uhr erreicht hätte, wenn er nicht bereits vorzeitig in Hamm in einen anderen Zug umgestiegen wäre. Seine Verspätung hätte daher auf jeden Fall mehr als 60 Minuten betragen. Daher sei eine Verspätungsentschädigung zu zahlen.

Schlichtungsarbeit

Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers und kam zu dem Ergebnis, dass das Servicecenter den Antrag zutreffend beschieden hat.

Die söp wies in der Schlichtungsempfehlung darauf hin, dass ausgehend von Art. 17 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1371/2007 ein Anspruch auf Verspätungsentschädigung i.H.v. 50 Prozent des Fahrpreises besteht, wenn der Fahrgast zwischen dem auf der Fahrkarte angegebenen Abfahrts- und Zielort eine Verspätung von 60 bzw. 120 Minuten hatte. Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Beschwerdeführer Bochum mit dem genutzten Zug mit einer Verspätung von lediglich 40 Minuten erreichte. Dass der Beschwerdeführer bei seiner Weiterfahrt – ohne Umstieg in Hamm – eineinhalb Stunden später in Bochum angekommen wäre als geplant, ist für die Prüfung des Bestehens eines Entschädigungsanspruchs insoweit unbeachtlich. Nach dem Wortlaut der Verordnung wird eine nur hypothetische Verspätung nicht berücksichtigt. Es kommt insoweit allein auf die tatsächlich eingetretene Verspätung an.

Dennoch schlug die söp ein Entgegenkommen von Seiten des Verkehrsunternehmens vor, da der Beschwerdeführer seine Reise nicht wie geplant durchführen konnte. So war insbesondere ein zusätzlicher Umstieg notwendig; auch konnte der Beschwerdeführer nicht wie geplant einen höherwertigen Fernverkehrszug nutzen, obwohl er hierfür eine Fahrkarte erworben hatte. Auch machte die söp deutlich, dass der Beschwerdeführer nur aufgrund seiner Eigeninitiative eine höhere Verspätung habe vermeiden können.

Die söp schlug daher ein Entgegenkommen in Form eines Reisegutscheins im Wert von 10 Euro vor. Das Verkehrsunternehmen stimmte der Argumentation der söp zu und übersandte dem Beschwerdeführer als Ausgleich für seine Unannehmlichkeiten einen Reisegutschein in der vorgeschlagenen Höhe. Damit war auch der Beschwerdeführer einverstanden.

Dr. Katja Schmidt

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

aus SIGNAL 5/2013 (November 2013), Seite 19