Mecklenburg-Vorpommern

Flächenbahn stirbt weiter

Abbestellung auf der Mecklenburgischen Südbahn


Kai-Uwe Thiessenhusen

30. Okt 2013

Das Land Mecklenburg-Vorpommern tat sich in den letzten Jahren durch eine alles andere als eisenbahnfreundliche Politik hervor. In dieses Bild hat sich nun ein weiteres Mosaiksteinchen eingefügt: Landesverkehrsminister Volker Schlotmann gab im September 2013 die Abbestellung des Verkehrs auf der sogenannten Mecklenburgischen Südbahn, der Bahnstrecke zwischen Parchim über Lübz und Malchow nach Waren (Müritz), zum Dezember 2014 bekannt.

Mit der Abbestellung verliert nicht nur eine touristisch höchst attraktive Region in der Mecklenburgischen Seenplatte mit der Seenkette vom Plauer See (dem zweitgrößten See des Landes) über den Fleesensee zum Kölpinsee ihre Schienenverkehrsanbindung. Es entsteht auch eine schienenpersonenverkehrsfreie Zone, die in Deutschland kaum

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ihresgleichen finden wird: Zwischen dem Berliner Außenring und dem fast 180 Kilometer weiter im Norden gelegenen Güstrow sind damit alle Ost-West-Verbindungen gekappt.

Lange auf die Abbestellung hingearbeitet

Die Abbestellung hatte sich abgezeichnet: zum einen nach der im letzten Jahr gestoppten Ausschreibung für das „Teilnetz Parchim“, zum anderen aber auch nach jahrelanger intensiver Arbeit seitens des Bestellers, die Verbindung immer unattraktiver zu machen. In dieser Hinsicht muss auch die „Zusammenarbeit“ mit den Planern im angrenzenden Brandenburg „gewürdigt“ werden. Wenn keine böse Absicht vorlag, so kann es nur schreiende Inkompetenz auf beiden Seiten gewesen sein.

Bahnhof Parchim im September 2013 mit Zugeinfahrt aus Waren (Müritz). Zum Dezember 2014 hat Mecklenburg-Vorpommern diesen für die Region wichtigen Bahnverkehr abbestellt. Foto: Florian Müller

Bereits im Jahr 2000 hatte das Land Mecklenburg-Vorpommern den Verkehr auf der Nord-Süd-Strecke von Güstrow über Krakow am See und Plau am See ins brandenburgische Meyenburg abbestellt. Diese Strecke kreuzt die Südbahn im Bahnhof Karow. Karow war stets ein wichtiger Umsteigeknoten. Ein Gutteil der Reisenden, die aus Malchow oder Lübz an der Südbahn kamen, stieg dort in Richtung Güstrow und Rostock oder nach Plau und Pritzwalk um.

Nachdem 2000 der Verkehr auf der Nord-Süd-Strecke abbestellt worden war, blieben die Umsteiger weg. Es verblieb nur das angesichts der geringen Bevölkerungsdichte überschaubare, aber dennoch vorhandene Potenzial an Direktreisenden zwischen Lübz und Malchow.

Zur gezielten Nachfragesenkung gab es zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012 Angebotskürzungen. Am Vormittag entstand eine Vierstundenlücke zwischen Waren und Lübz, das letzte Zugpaar am (frühen!) Abend wurde gestrichen. Für Tagesausflüge war die Verbindung damit praktisch unbrauchbar.

Bemühungen des Infrastrukturbetreibers ausgebremst

Auf der anderen Seite gab es seitens des Infrastrukturbetreibers RegioInfra (ein Unternehmen aus der nahe gelegenen Prignitz) und der Anliegerkommunen Bemühungen, den Verkehr attraktiver zu machen. Aus Anlass der Streckensperrung der Hauptbahn Rostock–Berlin 2012/13 forcierte die RegioInfra einen Streckenausbau zwischen Karow und Waren (Müritz). Hier sollten Umleiterzüge zwischen Rostock und Neustrelitz über Karow fahren. Auch dem regulären Verkehr auf der Südbahn wäre dies zugute gekommen. Doch nach anfänglich positiven Signalen (die Umleiterzüge standen bereits in der Fahrplanauskunft) blockte das Land ab, auch aus dem Streckenausbau wurde nichts. Vor einem Jahr ging aber wenigstens der stadtnähere Haltepunkt Inselstadt Malchow in Betrieb. Geld, das nun weitgehend in den Sand gesetzt wurde.

Umschichtung zur Rostocker S-Bahn

Das Land will mit der Abbestellung bei den Bestellerentgelten 4 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Wozu braucht man das Geld? Auf den drei Linien der Rostocker S-Bahn erhöhte sich in den letzten beiden Jahren der Finanzierungsbedarf um 9 Mio Euro jährlich. Unter anderem gibt es nun im Berufsverkehr einen 7,5-Minuten-Takt zwischen Rostock und Warnemünde. Mitte der 1990er Jahre gab es diesen schon einmal, bevor auf einen 10-Minuten-Takt ausgedünnt wurde. Im Unterschied zu damals gibt es heute freilich eine Straßenbahn, die die Neubaugebiete neben der S-Bahn direkt mit der Innenstadt verbindet.

Offen gibt das Land zu: Die Kosten für das Ende 2014 startende Netz Nord-Süd (Linien RE 3 Stralsund—Berlin—Elsterwarda und RE 5 Rostock/Stralsund—Berlin—Lutherstadt Wittenberg/Falkenberg) liegen jährlich um 4,6 Mio Euro höher als erwartet. Auch das ist kein Wunder, da das Angebot kaum attraktiver wird und keine höheren Fahrgeldeinnahmen erwartet werden. Das Land bestellt beim RE 5 im Mecklenburger Teil die jetzigen Taktzeiten. Der 850 Mio Euro teure Streckenausbau bringt also für den Regionalexpress nur wenige Minuten Fahrzeitgewinn – südlich von Neustrelitz.

„Flexible Busse” als Ersatz

Was bleibt für die betroffenen Orte? Minister Schlotmann spricht von attraktiven „flexiblen“ Bussen, die die Züge ersetzen sollen. Jeder, der sich in den letzten Jahren mit Bahnpolitik befasst hat, weiß um den Wirklichkeitsgehalt solcher Phrasen.

Die Strecke Parchim—Karow—Waren steht steht vor dem „Aus“. Karte: DB AG, Dezember 2009

Wer solchen Worten aber dennoch glauben möchte, mag sich in der Region umsehen. Hier fahren als Ersatz für die im Jahr 2000 abbestellten Züge zwischen Güstrow und Meyenburg Busse, jeden Tag im Zweistundentakt. Vor allem auf dem südlichen Teil der Linie fahren kaum Fahrgäste mit. Bis 2012 verpassten die Busse in Meyenburg die Züge nach Pritzwalk um wenige Minuten, in der Gegenrichtung ebenso. Kein Wunder, dass bei so einem Angebot auch das Land Brandenburg die Reißleine zog und Ende 2012 den Zugverkehr nach Meyenburg kräftig ausdünnte.

Reisende von Güstrow nach Lübz benötigen gleich drei Fahrscheine: einen VVW-Verbundfahrschein, einen Busfahrschein von Krakow nach Karow und ein Bahnticket von Karow nach Lübz. Die Anerkennung von BahnCard oder Ländertickets in den Bussen gibt es nicht.

Insofern dürfte klar sein, was von künftigen Bussen statt Bahnen in der Region zu erwarten ist. Einziger Vorteil der künftigen Busse: Sie binden die Stadt Plau direkt an. Zwischen Malchow und Waren soll es vielleicht im Sommer noch etwas Alibiverkehr auf der Bahn geben. Voller als die jetzigen durchgebundenen Züge dürfte ein neues Angebot dort aber kaum werden.

Zukunft nicht verbauen

Derzeit scheint es für die Flächenbahn in Mecklenburg-Vorpommern und in vielen anderen Regionen keine Chancen zu geben. Doch vielleicht gelingt es der nächsten Generation endlich, die Systemvorteile des Schienenverkehrs besser zu nutzen und Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Um diese Zukunft nicht zu verbauen, müssen zumindest die Trassen der Strecken, auf denen der Verkehr abbestellt wird, erhalten werden.

Kai-Uwe Thiessenhusen

aus SIGNAL 5/2013 (November 2013), Seite 24-25