Schienenverkehrswochen 2013
Bus-Sprechtag für Fahrgäste 2013
16. Dez 2013
Gut besucht war der Sprechtag für die BVG-Busfahrgäste am 24. September 2013 im Bahnhof Lichtenberg. Den Fragen des Publikums stellten sich BVG-Unternehmensbereichsleiter Omnibus Martin Koller, der Leiter Betriebsmanagement Hartmut Reupke und dieses Jahr gewissermaßen als Gast Helmut Graetz, der innerbetrieblich in den Bereich strategische Produktentwicklung gewechselt hat. Als Abteilungsleiter im Bereich Bus hat Herr Graetz viele Jahre bei den Fahrgastsprechtagen als kompetenter Ansprechpartner für die Fahrgäste fungiert und ist im Publikum und bei der IGEB hoch geschätzt. Moderiert wurde die Veranstaltung wie in den Vorjahren vom IGEB-Abteilungsleiter Artur Frenzel.
Einführend berichtete Martin Koller über die Teilnahme der BVG an einem Langzeittest über 8 Jahre zur E-Mobilität. Fünf Busse für einen mehr als doppelt so hohen Anschaffungspreis werden ab Ende 2014 auf der Linie 192 zwischen S-Bahnhof Friedrichsfelde Ost und S-Bahnhof Marzahn elektrisch fahren. Den Strom erhalten sie über Induktionsschleifen,
die an den Endstellen und im Betriebshof Lichtenberg im Fahrbahnboden installiert werden. Während der Standzeiten werden darüber die Batterien für die gesamte Einsatzzeit geladen. Der Langzeittest wird über die Alltagstauglichkeit eines solchen Systems entscheiden.
Im Bereich Fähren, für die bei der BVG der Busbereich zuständig ist, erfolgte eine Neuausschreibung der Linien. Künftig wird im Ostteil der Stadt die Weiße Flotte Stralsund mit neuen Elektroschiff en, die ihren Strom über Sonnenkollektoren auf dem Dach beziehen, das Angebot bestreiten. Unklar ist einzig der Weiterbetrieb der Ruderfähre F 24 in Rahnsdorf.
Die F 10 zwischen Wannsee und Kladow wird weiterhin durch die Berliner Stern- und Kreisschiff fahrt betrieben. Auch hier kommt ein neues Schiff zum Einsatz, das neben dem Elektroantrieb auch mit Dieselmotoren und mit mehr Fahrradstellplätzen ausgestattet ist.
Für 2014 ist die Ausschreibung von 72 Gelenkbussen mit Euro-6-Motoren sowie von 210 Standard-Eindeckern erfolgt. Neubeschaffungen bei Doppeldeckern wird es kurzfristig nicht geben. Ein Nachkauf der laufenden 3-Achser „Lion´s City” ist nicht geplant, weil die Betriebskosten über dem zuvor kalkulierten Rahmen liegen.
Da die Busse selten voll ausgelastet sind und die hintere Treppe relativ wenig genutzt wird, erwägt man für die Zukunft die Rückkehr zu kürzeren 2-Achsern. Als Projektidee sind Fahrzeuge wie in England, mit nur einer Treppe, im Gespräch. Als Fahrgast wundert man sich über diesen Sinneswandel, denn in den 1980er Jahren wechselte die BVG zur Beschaffung von Bussen mit zwei Treppen, was sich durchaus bewährt hat.
Kurzfristig wurden bereits 32 gebrauchte niederländische Busse für stetig wachsende Ersatzverkehrsleistungen (SEV) angeschafft, die zwischenzeitlich wieder abgestellt wurden.
Im Durchschnitt ist die Anzahl der Fahrzeuge für die notwendigen Fahrleistungen ausreichend. Fahrtausfälle wegen Fahrzeugmangel gehören der Vergangenheit an. Hoffentlich bleibt es dabei! Der oben erwähnte Gebrauchtkauf zeigt aber einmal mehr, dass die Bemessung der notwendigen Reserve nicht nur den Betriebswirten mit ihrem Durchschnittswerte-Denken überlassen bleiben darf.
Hartmut Reupke, der im Februar 2013 die Aufgaben von Helmut Graetz übernommen hat, schilderte zunächst seinen betrieblichen Werdegang in der BVG. Als Chef der zentralen Leitstelle für Großveranstaltungen hat er große Erfahrung mit der aufwendigen Abwicklung von Sonderverkehren, die teilweise 700 zusätzliche Planungsstunden für den geänderten Betriebsablauf erfordern. Die immer stärker zunehmende Anzahl von Veranstaltungen, Demonstrationen und ähnlichem sind extreme Belastungen sowohl für die BVG als auch für die Fahrgäste, die oft erhebliche Einschränkungen hinnehmen müssen.
Auch durch die starke Zunahme von Baustellen im Stadtgebiet wird der Betriebsablauf bei Bus und Straßenbahn erheblich beeinträchtigt. Die Pünktlichkeit hat sich nach einer Erholungsphase ab 2012 massiv verschlechtert.
Seinen Arbeitsschwerpunkt sieht Herr Reupke daher in der Verbesserung von Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Anschluss-Sicherung.
In der sich anschließenden Publikumsfragerunde wurden die Belüftung und das extreme Beschlagen der Scheiben, besonders bei den Doppeldeckern, heftig kritisiert. Herr Koller bestätigte ein nach wie vor bestehendes Problem bei der Funktion der Klimaanlagen. Man arbeite gemeinsam mit den Herstellern an einer Lösung des Problems. Neue Steuerungselemente sollen helfen.
Kritisiert wurden die 15-Minuten-Taktfolge beim U 8-Ersatzverkehr der Linie 344 auf dem Streckenabschnitt zwischen Hermannplatz und Hermannstraße und sehr weite Fußwege für Fahrgäste z. B. aus dem Bereich Oderstraße bis zu den Bahnhöfen der U 7 in der Karl-Marx-Straße. Die U 8 bediente diesen Abschnitt bis zu den Baumaßnahmen alle 5 Minuten. In der Antwort wurde darauf verwiesen, dass der 344er nur als ein Ersatzangebot für mobilitätseingeschränkte Personen zu betrachten sei. Auf Grund des starken Verkehrs in der Hermannstraße wollte man den M 44 keinesfalls bis zum Hermannplatz durchbinden, um die Fahrplanstabilität nicht zu gefährden. Diese Linie wurde ersatzweise zum S- und U-Bahnhof Neukölln geführt, so dass eine Umfahrungsmöglichkeit des gesperrten Abschnitts durch die U 7 besteht. Die bemängelte Fahrplanlücke zwischen den Linien 344 und N8 in Tagesrandlage soll aber nach der Kritik geschlossen werden.
Hier muss auch der Bereich U-Bahn kritisiert werden, der eine mindestens 8-monatige Sperrung ohne ein allgemeines Ersatzangebot plante und damit auch noch beim zuständigen Senator durchkam!
Beschwerden und Anregungen gab es auch zu nicht funktionierenden Daisy-Anzeigern sowie zur Lage und Ausstattung von Haltestellen und Wartehallen.
Herr Koller bestätigte, dass der behindertengerechte Umbau von Haltestellen aus einbehaltenen S-Bahn-Mitteln vorangeht. Die Lage des Wartehäuschens zur Haltestelle kann nur mit Zustimmung des Bezirks verändert werden, daher ist (vor allem nach Haltestellenverlegungen) ein optimaler Zustand nicht immer möglich.
Auf den Wunsch, die Fahrplanaushänge grundsätzlich in der beleuchteten Wartehalle unterzubringen, anstatt am Haltestellenmast, erläuterte Herr Graetz, dass die Größe der Vitrinen in den Wartehallen so ausgelegt ist, dass neben dem Netzplanausschnitt maximal zwei Linienfahrpläne angebracht werden können. Verkehren an dieser Haltestelle mehr als zwei Linien, sind die Fahrplanaushänge aus Platzgründen generell am Mast angebracht. Bei der Neuausschreibung von Wartehallen wird künftig eine größere Vitrine gefordert, um mehr Fahrplantabellen unter Dach aushängen zu können.
Die Kritik über nicht funktionierende neu aufgestellte Daisy-Anzeiger ist berechtigt. In der Ansteuerung gibt es ein technisches Problem zwischen den alten und den neuen Anzeigern. Man arbeite daran, versicherte die BVG.
Ein Zuhörer fühlte sich verunsichert durch eine betont lässige Fahrweise einzelner Busfahrer, die z. B. mit nur einer Hand am Lenkrad, die andere am Kassentisch, schwungvoll die Kurve durchfahren und sich eventuell noch mit angelegten Kopfhörern von ihrer eigentlichen Tätigkeit ablenken lassen. Herr Graetz betonte, dass alle Busfahrer ein sicheres Fahrgefühl vermitteln sollen, daher sollten generell beide Hände am Lenkrad sein. Kopfhörer sind verboten.
Neben der immer wiederkehrenden Frage nach dem Vordereinstiegszwang wurde auch nach der Zulässigkeit des Vorderausstiegs sowie sich nicht schließender Mitteltüren bei Fahrgastandrang gefragt. Durch den Vordereinstieg mit Fahrkartenverkauf wird ein Erlös von über 50 Mio. Euro pro Jahr erzielt, auf dieses Geld kann die BVG nicht verzichten. Fahrkartenautomaten in den Bussen, wie z. B. in Potsdam, werden auf Grund der Kosten bei der Größe des Fuhrparks und aus Platzgründen abgelehnt. Schon jetzt sinkt die Sitzplatzkapazität der Busse ständig, Automaten würden weitere Sitzplätze vernichten. Ein Ausstieg an der Vordertür ist grundsätzlich möglich, wird jedoch nicht propagiert, um möglichst viele Fahrgäste zum Ausstieg an der Mittel- und Hintertür zu bewegen und dadurch einen gewissen Fahrgastfluss zu erreichen.
Um das bei Doppeldeckern oft auftretende Problem der nicht schließenden Mitteltür bei Fahrgastandrang zu beheben, soll die Türsteuerung verändert werden. Ein näheres Verweilen an der noch geöffneten Tür soll dann bis zu einem gewissen Sicherheitsabstand möglich werden. Bei Neufahrzeugen wird der Türschließvorgang künftig wie bei der Tram durch ein rotes Blinklicht an den Türen angezeigt.
Fragen nach Informationsdefiziten bei den Fahrzeuginnenanzeigen wurden mit Hinweis auf die 2014 bevorstehende Umrüstung auf das neue RBL-System (nicht) beantwortet. Die Innenanzeigen in den Fahrzeugen sollen nach dem Straßenbahn-Vorbild funktionieren, sobald neue Bordrechner und die Software installiert sind. Auch der Verbund mit den Systemen der Umlandbetriebe und die Anzeige von deren Abfahrten auf den BVG-Anzeigern sollen dann möglich werden.
Die gesamte Diskussionsrunde ist hier natürlich nur auszugsweise wiedergegeben. Erfrischend waren sowohl die durch Sachkunde geprägten Fragen aus dem Publikum als auch die gleichermaßen kompetenten Antworten von Martin Koller, Hartmut Reupke und Helmut Graetz. Mit Beifall ging der Abend zu Ende. (KJU)
Die Folien des Vortrags gibt es unter www.igeb.org/svw-vortraege.html
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 6/2013 (Dezember 2013/Januar 2014), Seite 15-16