Fernverkehr
Der Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2013 bringt den Kunden des DB-Fernverkehrs insgesamt kaum Veränderungen, aber immerhin einige wichtige Detailverbesserungen. Hervorzuheben ist hier insbesondere das Integrationsmodell in der Relation Bremen—Emden, bei dem Reisende InterCity-Züge nun auch mit Nahverkehrstickets nutzen können.
16. Dez 2013
Bedingt durch den inakzeptablen und peinlichen Ablauf bei der Auslieferung bzw. der Inbetriebnahme der bereits im Dezember 2008 (!) bestellten 17 neuen ICE-Mehrsystemzüge (VELARO D) der Baureihe 407 hat DB-Fernverkehr leider auch 2014 Kapazitätsengpässe, die vermeidbar gewesen wären. Angesichts der mittlerweile boomenden Fernbuskonkurrenz kann das noch nicht absehbare Folgen haben.
Im Dezember 2010 hatte die Deutsche Bahn bei Bombardier Transportation des Weiteren 135 IC-Doppelstockwagen mit Fernverkehrskomfort sowie 27 Lokomotiven der Baureihe 146.2 im Wert von rund 360 Millionen Euro bestellt. Wegen der auch bei diesem Auftrag mittlerweile eingetretenen Verzögerungen bei der Fertigung und Zulassung werden die neuen Zugeinheiten statt Ende 2013 nun frühestens ab Mitte 2014 zum Einsatz kommen.
Die wesentlichen Fahrplanänderungen zum 15. Dezember 2013 sind im Folgenden zusammengefasst.
Mit dem Zugpaar IC 2222/2223 erhalten u. a. Aachen, Mönchengladbach, Viersen und Krefeld eine umsteigefreie Verbindung ab/bis Berlin. Dieses Zugpaar verkehrt von Montag bis Freitag (IC 2222: Aachen Hbf ab 5.45 Uhr, Berlin Ostbahnhof an 12.17 Uhr, IC 2223 Berlin Ostbahnhof ab 13.44 Uhr, Aachen Hbf an 19.50 Uhr).
Auch ohne die Lieferung der InterCity-Doppelstockwagen hat die DB das Angebot auf dieser Linie erfreulicherweise ausgeweitet. Grundlage dafür ist die im August 2011 mit der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) und dem Bundesland Bremen vereinbarte Takt- und Tarifi ntegration auf der Strecke Norddeich Mole/Emden—Bremen. Die Anzahl der IC-Direktverbindungen wurde zwischen Leipzig und Emden auf bis zu neun Zugpaare ausgeweitet. Hude wurde neuer IC-Systemhalt.
Bahnkunden profi tieren neben den Angebots- auch von Tarifverbesserungen: Sie können nun mit Fahrausweisen des Nahverkehrs die InterCity-Züge im rund 160 km langen Abschnitt Norddeich Mole/Emden—Bremen nutzen. Für dieses Integrationsmodell, das Fernverkehrsangebote in der Region nicht nur sichert, sondern sogar spürbar verbessert, wurde die LNVG seitens des DBV am 30. August 2013 mit dem Deutschen Schienenverkehrspreis (Innovations-Preis) ausgezeichnet.
Die Durchbindung der IC-Linie 56 ab/bis Dresden entfällt; stattdessen wird die IC-Linie 55 (bislang Köln—Hannover—Leipzig) ab/bis Dresden verlängert.
Zwischen Berlin Hbf und Dresden Hbf betragen die Fahrzeiten auch weiterhin 2 Stunden und 6 Minuten. Eine spürbare Fahrzeitverkürzung ist leider noch immer nicht in Sicht und dürfte parallelen Fernbusangeboten in dieser Relation weiterhin Auftrieb geben.
Das EuroCity-Zugpaar 178/179 Prag—Berlin wird überwiegend an Sonnabenden bis Rostock durchgebunden (mit Halt in Neustrelitz und Waren), aber leider mit vielen Angebotslücken z. B. an den Wochenenden von Januar bis März 2014.
Entgegen bisheriger Befürchtungen wird das EC-Zugpaar 248/249 Hamburg—Berlin—Wrocław auch im neuen Fahrplanjahr angeboten. Erfreulicherweise hat hier die entsprechende Initiative des DBV anlässlich des Fahrgastsprechtages mit dem DBVorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube (im Rahmen der Schienenverkehrs-Wochen) Wirkung gezeigt. Die Durchbindung ab/bis Kraków wird aber angesichts von baustellenbedingten Kapazitätsengpässen auch weiterhin nur mit dem InterCity-Bus angeboten.
Angesichts stark rückläufiger Besetzung des bislang an Freitagen und Sonntagen verkehrenden IC-Zugpaares Munster—Uelzen—Stendal—Berlin (Auswirkungen durch die Abschaff ung der Wehrpflicht) erfolgt die Führung ab dem Fahrplanwechsel nunmehr ab/bis Hamburg, was angesichts der Kapazitätsengpässe in der Relation Hamburg—Berlin zu begrüßen ist.
Mit einem zusätzlichen siebten RailJet-Zugpaar wird eine neue Frühverbindung zwischen München und Wien geschaff en, in der Gegenrichtung wird nachmittags eine bisherige Angebotslücke des 2-Stunden-Taktes zwischen Budapest bzw. Wien nach München geschlossen. Reisende aus Richtung Stuttgart und München können zudem auch eine schnelle Umsteigeverbindung nutzen, da mit der EC-Linie 62 Anschluss an die RJ-Linie Innsbruck—Wien geschaffen wird. Mit der RJ-Direkt- und der Umsteigeverbindung entsteht nunmehr ein Stundentakt in der Relation München—Wien.
Die letzte Verbindung Hamburg—Berlin verkehrt an Freitagen und Sonntagen eine halbe Stunde später als bislang. Aus Richtung Kiel kommend wird so der Anschluss in Hamburg zum ICE 907/1727 (ab 22.43 Uhr) nach Berlin (an 0.25 Uhr) am selben Bahnsteig realisiert.
Nach dem weitgehend abgeschlossenen Streckenausbau zwischen Berlin und Rostock kann die Fahrzeit im Fernverkehr ab 15. Dezember 2013 um 20 Minuten auf 2 Stunden und 8 Minuten verkürzt werden (Berlin Hbf—Rostock Hbf). Ab Sommer 2014 erfolgt nach vollständigem Abschluss der Bauarbeiten eine weitere Verkürzung um 15 Minuten.
Die Linie 50.2 Frankfurt (Main) Flughafen—Leipzig verkehrt neu ab/bis Dresden Hbf und wird weitgehend auf ICE-Züge umgestellt. Die bisherige ICE-Linie 50.1 Wiesbaden— Mainz—Frankfurt (Main)—Dresden beginnt/endet dagegen bereits in Leipzig Hbf und wird ab Januar 2014 weitgehend auf modernisierte InterCity-Züge umgestellt. In Leipzig Hbf wird der Anschluss an die IC-Linie 55 (Köln—Leipzig—Dresden) Richtung Dresden realisiert, ebenfalls auch in der Gegenrichtung. Grund für die veränderte Linienführung sind Umbauarbeiten in Leipzig Hbf, u. a. Bahnsteigverlängerungen.
Mit der Einstellung des Zugpaares D 1248/1249 Berlin—Saratov zum Fahrplanwechsel geht der Niedergang des Bahnangebots in bzw. aus Richtung Osteuropa leider weiter. Hierzu wird im nächsten SIGNAL noch gesondert berichtet werden.
Seitens der Deutschen Bahn AG werden mit dem neuen Fahrplan zweifellos einige wichtige Angebotsverbesserungen realisiert. Unabhängig davon besteht aus Fahrgastsicht aber weiterer Verbesserungsbedarf – und auch Verbesserungspotenzial, da zumindest teilweise keine zusätzlichen Fahrzeuge erforderlich sind. Folgende Beispiele seien genannt, um Angebotslücken zu schließen:
Die von Fahrgästen immer wieder geforderte Verdichtung des heutigen 2-Stunden-Taktes zwischen Berlin und Dresden auf einen 1-Stunden-Takt bzw. ein verbessertes Fernverkehrsangebot auf der ausgebauten Strecke Berlin—Rostock lässt auf sich warten. Diese Taktverdichtung kann beispielsweise mit der Einführung einer neuen InterCity- Linie Warnemünde—Rostock bzw. Binz—Stralsund—Berlin—Dresden erreicht werden. Im Abschnitt Berlin—Rostock/Warnemünde bzw. Stralsund/Binz kann bei wechselnder Bedienung dann ein 4-Stunden-Takt realisiert werden. Für diese Angebotsausweitung ist die Auslieferung bzw. Inbetriebnahme der neuen InterCity-Doppelstockzüge allerdings unabdingbare Voraussetzung.
Ähnlich wie in der Relation Bremen—Norddeich/Emden bietet ein tarifl iches Integrationsmodell auch zwischen Berlin und Rostock/Warnemünde bzw. Stralsund/Binz die Möglichkeit, das Fernverkehrsangebot wieder deutlich zu verbessern.
Anstatt diese Linie in Leipzig Hbf beginnen/enden zu lassen, bietet sich hier eine Durchbindung über Falkenberg (Elster) ab/bis Cottbus an. Cottbus ist mit rund 100 000 Einwohnern nach Potsdam immerhin die zweitgrößte Stadt in Brandenburg.
Da der durchgehende elektrische Betrieb seit dem Fahrplanwechsel nun auch auf dem 73 km langen Teilabschnitt zwischen Reichenbach (Vogtl) und Hof möglich ist, bietet sich die Verlängerung dieser zurzeit in Leipzig Hbf endenden Linie ab/bis Hof Hbf an. Verbindungen in diese seit vielen Jahren vom Fernverkehr abgehängte Region würden so spürbar verbessert. Ein Korrespondenzhalt mit kurzen Umsteigezeiten ermöglicht zudem Anschlüsse in Richtung Nürnberg und Regensburg.
IC 1931 aus Richtung Hamburg (bisher Munster) erreicht freitags um 15.01 Uhr Berlin Südkreuz, Richtung Hamburg fährt IC 1938 sonntags um 20.47 Uhr hier ab. U. a. für Wochenend-Kurzurlauber wäre damit eine Durchbindung ab/bis Görlitz in attraktiver Zeitlage möglich.
Unverständlich bleibt weiterhin, dass die in der Relation Aarhus bzw. Kopenhagen—Berlin eingesetzten dieselgetriebenen ICE TD nicht für umsteigefreie Durchbindungen genutzt werden. Bei einer Zugteilung in Berlin Ostbahnhof (Ankunft 14.40 Uhr) kann auch in diesem Fall die mittlerweile seit vielen Jahren unbefriedigende Anbindung von Görlitz, zusätzlich von Chemnitz, problemlos realisiert werden. Die derzeit langen Stehzeiten könnten sinnvoll genutzt werden. Angesichts der Abfahrt um 11.14 Uhr in Berlin Ostbahnhof ist auch in der Gegenrichtung eine brauchbare Fahrplanlage möglich.
Auch die nachfragestarke Relation Berlin—Rhein-Ruhr bietet weiteres Potenzial durch Einrichtung einer schnellen ICE-Sprinter-Verbindung zwischen Berlin und Köln mit Halten lediglich in Berlin Ostbahnhof, Berlin Hbf, Berlin Zoologischer Garten, Berlin-Spandau, Hannover Hbf und Dortmund Hbf, ggf. mit der Möglichkeit einer umsteigefreien Durchbindung über Köln Hbf hinaus ab/bis Brüssel. Der neue Viersystemzug der ICE-Baureihe 407 (VELARO D) kann in dieser Relation sinnvoll eingesetzt werden – sobald dieser endlich für den Betrieb zur Verfügung steht. Eine derartige Verbindung wäre dabei für die meisten Fahrgäste von höherem Nutzen als die nur mit hohem bürokratischem und fi nanziellem Aufwand realisierbare Direktverbindung nach London.
Nicht zuletzt besteht auf politischer Ebene unverändert dringender Handlungsbedarf. Die Angebotsgestaltung im Fernverkehr orientiert sich allein an betriebswirtschaftlichen Kriterien mit der Folge, dass die Flächen erschließung im Fernverkehr seit Jahren deutliche Lücken aufweist.
In Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes heißt es dagegen wörtlich: „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreff en, Rechnung getragen wird.“ Auch in der letzten Legislaturperiode wurde es wiederum versäumt, die entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen, welche gewährleistet, dass Verkehrsangebote im Schienenpersonenfernverkehr dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung tragen. Ein „Schienenersatzverkehr“ in Form von Fernbusverbindungen ist hier wenig zielführend, bzw. erfüllt den gesetzlichen Auftrag nicht. Deshalb muss die neue Bundesregierung das längst überfällige Fernverkehrsgesetz endlich auf den Weg bringen bzw. diese Gesetzeslücke schließen.
Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 6/2013 (Dezember 2013/Januar 2014), Seite 24-25