International
Einigung zur „Connecting Europe Facility“
16. Dez 2013
Am 19. November 2013 hat das Europäische Parlament dem zuvor mit dem Verkehrsminister-Rat ausgehandelten Kompromiss über die Einrichtung der „Connecting Europe Facility“ zugestimmt. Diese Haushaltslinie wird die Mittel für die Schaff ung der Transeuropäischen Netze (TEN) in der kommenden Haushaltsperiode (2014 bis 2020) nach einheitlichen Kriterien und Regeln verwalten. Zudem werden sogenannte Kernnetz-Korridore definiert, die prioritäre Projekte auflisten.
Was als Fortschritt verkauft wird, ist in Wahrheit die Zementierung einer überholten, weil größenwahnsinnigen Vision von europäischer Verkehrspolitik. Die Fixierung auf extrem teure und langwierige Großprojekte nutzt nur den Bauunternehmen und den Banken, nicht jedoch dem versprochenen Zusammenwachsen Europas.
Die von den Mitgliedstaaten bereits von 32 auf 23 Milliarden Euro gekürzten Mittel können nur bei verantwortungsvoller Verwendung überhaupt Effekte zeigen. Denn ob die Tunnelröhren am Brenner,
zwischen Lyon und Turin oder am Fehmarnbelt in 30, 40 oder 50 Jahren eventuell fertig gestellt sein werden, spielt für das dringend benötigte Umsteuern auf Nachhaltigkeit keine Rolle. Steuerzahler, Fahrgäste und Klimaschutz schauen buchstäblich in die Röhre – und die kostet in diesem Fall Milliarden!
Dabei schrecken die Verkehrsminister nicht einmal davor zurück, illegale Projekte auf die Förderlisten zu setzen. So findet sich beispielsweise das bereits zwei Mal von tschechischen Gerichten wegen Korruption gestoppte Autobahnprojekt R52 zwischen Brno (Brünn) und der österreichischen Grenze wieder! Und das, obwohl nur 5000 Fahrzeuge pro Tag gezählt wurden, parallel bereits eine Autobahn existiert und Österreich den Weiterbau jenseits der Grenze offi ziell gestoppt hat.
Lediglich im Detail konnten dem Rat und der Kommission einige wertvolle Zugeständnisse abgerungen werden. So kann die Umrüstung von lauten Güterwaggons mit Flüsterbremsen mit bis zu 20 Prozent von der EU kofi nanziert werden. Außerdem muss die Kommission jährlich über geplante Mittelvergaben informieren – und diese dürfen nur im Einklang mit einem detaillierten Katalog von Kriterien vergeben werden. Darunter sind insbesondere die Umweltfolgenabschätzung und der europäische Mehrwert.
Die einzige Hoff nung ist nun, dass die Kommission ihre Verantwortung ernst nimmt und die Projektzuschüsse konsequent auf die Wiederherstellung von durch Krieg und Nachkriegszeit zerstörten grenzüberschreitenden Bahnverbindungen konzentriert. Nur dann wird am Ende Europa wirklich verbunden – wie der Titel der Haushaltslinie verspricht.
Wie mühsam es bisher vorangeht, zeigt der für nächstes Jahr vorgesehene Lückenschluss zwischen dem deutschen Sebnitz und dem tschechischen Dolní Poustevna. Die 1945 entstandene Lücke ist nur 660 Meter (!) lang – und trotzdem wird sie erst 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder geschlossen.
Man kann nur hoff en, dass für die Lückenschlüsse zwischen Freyung und Nové Údolí (20 km), Selb und Aš (10 km), Holzhau und Moldava (9 km) sowie Altenberg und Dubí (7 km) nicht noch weitere 25 Jahre benötigt werden. Nicht nur in Deutschland, auch in Europa muss zusammenwachsen, was zusammengehört!
Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
aus SIGNAL 6/2013 (Dezember 2013/Januar 2014), Seite 28