Aktuell
1. Jan 1994
Der VCD Berlin kritisiert die Bemühungen des Berliner Verkehrssenators, für die Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs (BVG und S- Bahn) das "erhöhte Beförderungsentgelt für Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis" (sogenannte "Schwarzfahrer") von zur Zeit 60,- DM auf 150,- oder gar 500,- DM zu erhöhen.
Der VCD Berlin befürchtet, daß mit solch unverhältnismäßigen Maßnahmen zwar einige notorische Schwarzfahrer zum Lösen einer Fahrkarte bewegt werden, zugleich aber viel mehr Fahrgäste verschreckt werden. Mit exorbitant hohen Strafen bewegt man keinen unbedarften Autofahrer zum Umsteigen auf den umweltfreundlicheren, stadtverträglicheren ÖPNV. Der VCD Berlin fordert daher, von der Erhöhung der Schwarzfahrergebühr abzusehen. 60,- DM sind schon mehr als genug.
Im übrigen sind viele "Schwarzfahrer" keine Täter, sondern Opfer zu komplizierter Tarife, fehlender Personale und nicht funktionierender Automaten. Vorhandene Fahrkartenschalter sind oft nicht geöffnet. Automaten sind so kompliziert zu bedienen, daß bei Tests selbst Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe einige Zeit benötigten, um den korrekten Fahrschein zu erhalten. Nicht alle Automaten nehmen Scheine. Bestimmte Münzen, zur Zeit das Fünf-Mark-Stück, werden wegen Ähnlichkeiten zu ausländischen Münzen gar nicht und Kleingeld nur in einer bestimmten Menge angenommen, Wechselgeld oft nicht herausgegeben. Viele Automaten funktionieren einfach nicht. Tickets, bei denen in verkehrsschwachen Zeiten weitere Mitfahrer nicht extra zahlen müssen (in vielen anderen Städten durchaus üblich) gibt es in Berlin nicht.
Wer, wie der Pressesprecher des Verkehrssenators, höhere Strafen für "Schwarzfahrer" fordert, sollte sich vergegenwärtigen, daß ein Autofahrer, der fälschlicherweise mit seinem Pkw die Busspur befährt, gerade 20 DM zahlt. Wird er in einem BVG-Bus als Fahrgast ohne gültigen Fahrausweis angetroffen, muß er schon jetzt das Dreifache zahlen, 500 DM wären sogar das 25-fache! Welcher Autobesitzer soll bei solch einem Risiko zum Umsteigen in die öffentlichen Verkehrsmittel bewogen werden?
VCD - Landesverband Berlin
aus SIGNAL 1/1994 (Januar 1994), Seite 9