Nahverkehr
Der wie immer gut besuchte Tram-Sprechtag mit dem BVG-Unternehmensbereichsleiter Tram Dr. Wolfgang Predl und seinem Stellvertreter Friedrich Jacobs war wieder ein Abbild der im Berliner ÖPNV altbekannten Probleme. Herr Predl schilderte eingangs kurz die Bemühungen der BVG, das angeschlagene Berliner Straßenbahnsystem wieder auf Vordermann zu bringen. Daß dies vor dem Hintergrund der aktuellen Berliner Verkehrspolitik keine leichte Arbeit ist, dürfte wohl jedem Besucher bewußt gewesen sein. Umso ärgerlicher sind da natürlich die Probleme, die vermeidbar scheinen: Dazu gehören die vielen kleineren und größeren Gleisbaustellen, die bei der BVG fast immer mit einer Betriebseinstellung verbunden sind. Der dann erforderliche SEV treibt die Kosten für die BVG in die Höhe und die Fahrgäste in das Auto.
15. Dez 1994
Ein Hoffnungschimmer: Durch die neue Struktur der BVG müssen Kostenrechnungen aufgestellt werden, und so wird der Untemehmensbereich Tram zukünftig mit dem Untemehmensbereich Omnibus etwaige SEV-Leistungen abrechnen müssen. Bei Verkehrsbetrieben, die schon immer wirtschaftlich arbeiten mußten, ist allein aus Kostengründen "Bauen unter Betrieb" der Regelfall. Das Beispiel aus Potsdam (s.u.) zeigt, daß man auch dort schon sehr viel weiter ist als in Berlin.
Heftig kritisiert wurde von vielen Besuchern die mangelnde Information über die zahlreichen Betriebseinschränkungen. Hauptärgemis ist dabei "ViBB-aktuell", das wegen seiner breiten Streuung ein fabelhaftes Instrument der Fahrgast-Information sein könnte. Aber in diesem Monatsheft stehen entweder gar keine, falsche oder verspätete Informationen. Und die Kritik wurde durch die letzten Ausgaben wieder bestätigt. Weder die laufenden Streckensperrungen An der Wuhlheide noch die von Herrn Dr. Predl bereits auf dem Tram-Sprechtag am 6. September (!) angekündigten Gleisbauarbeiten am Hackeschen Markt sind in der November-Ausgabe (!) auch nur erwähnt. Die Geduld der Fahrgäste ist vor allem angesichts einer solchen Fahrgast-Nichtinformation erschöpft.
Auf wenig Verständnis stieß bei den Besuchern auch die anhaltende Weigerung der BVG, in den Abendstunden ein Anschlußsicherungssystem wenigstens an einigen zentralen Punkten im Netz (z.B. Köpenick Schloßplatz) einzuführen. Und durch das dogmatische Festhalten an dem Entschluß, Doppelhaltestellen zu beseitigen, werden den Fahrgästen, wie eindringlich am Beispiel Bf Schöneweide geschildert, völlig unnötig direkte Anschlüsse "verweigert".
Daß die meisten Probleme bei der Tram jedoch nicht durch den Betreiber verursacht werden, wurde nicht erst beim Stichwort "Beschleunigung" deutlich. Der Berliner Senat ist immer noch nicht bereit, mit konsequenter Ampel-Bevorrechtigung die erforderlichen Voraussetzungen für den effektiven Einsatz moderner Tram-Fahrzeuge zu schaffen. So gewähren auf der neuen Vorzeige-Strecke der Linie 20 nur fünf Ampeln der Tram die Vorfahrt. An allen anderen Kreuzungen wird sie z.T. bewußt benachteiligt. Hinzu kommt, daß wegen fehlender oder verwaschener Gleisabmarkierungen immer wieder Autos auf den Gleisen stehen und die Weiterfahrt der Tram blockieren. Allein am Kupfergraben würde sich die feste Installierung eines Krans lohnen, der falsch parkende Fahrzeuge vom Gleis hebt!
Und noch eins wurde deutlich. Wenn nicht ab 1995 eine deutliche Aufstockung der Gelder für die Streckensanierung erfolgt, werden die BVG Vertreter nicht nur die Vielzahl der Langsamfahrstellen im Netz zu beklagen haben, dann wird es auch Streckenstillegungen geben.
IGEB
aus SIGNAL 9-10/1994 (Dezember 1994), Seite 15-16