Nahverkehr
Seit dem 9. November 1994 rollt der Autoverkehr über die Oberbaumbrücke, und damit ist die Realisierung des vom Senat geplanten Auto-Innenstadtringes ein deutliches Stück näher gerückt. Während Senatspolitiker stolz die Straßeneröffnung feierten, protestierten viele Bürger gegen die Senatsverkehrspolitik, und der Friedrichshainer Bezirksbürgermeister blieb der Feier fern.
15. Dez 1994
Immerhin, muß man ironisch anfügen, vergaß Berlins Regierender Bürgermeister anläßlich der Straßeneröffhung nicht, den ÖPNV zu erwähnen: "Zukünftig wird auch die Straßenbahn über die Oberbaumbrücke fahren", verkündete Eberhard Diepgen. Dem aufmerksamen Zuhörer entging aber nicht, daß ein Zeitpunkt fehlte, und schließlich kann auch die Verlegung der Straßenbahnschienen im Brückenbereich nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei allen sonstigen Straßenbaumaßnahmen im weiteren Umfeld die zukünftige Straßenbahnstrecke bewußt ignoriert wird. Sowohl der neugebaute Kreuzungsbereich Oberbaumstraße/Schlesische Straße wie auch derjenige an der Warschauer Straße/Stralauer Allee müßte bei Realisierung der Tramstrecke (erneut) völlig umgebaut werden.
Eindrucksvoller als an der Oberbaumbrücke können die Prioritäten der Berliner Verkehrspolitik kaum abgelesen werden. Nicht nur, daß der Autolawine der Weg zügig geebnet wurde, während die U-Bahn-Verbindung erst gut ein Jahr später und die Straßenbahn gar erst im nächsten Jahrhundert wiederhergestellt sind, auch die äußerst sinnvolle Einrichtung eines U-Bahn-Vorlaufbetriebs per Busangebot zwischen Schlesischem Tor und Warschauer Brücke wurde vergessen. Umsteigewillige Fahrgäste (laut Prognose nach U1-Wiederinbetriebnahme über 100.000 pro Tag!) können schließlich 15 bis 20 Minuten laufen, oder gleich mit dem Auto fahren ...
IGEB
aus SIGNAL 9-10/1994 (Dezember 1994), Seite 19-20