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S-Bahn Berlin GmbH denkt über Fahrzeug der Zukunft nach


Berliner Fahrgastverband IGEB

19. Okt 2011

Die Berliner S-Bahn leidet unter massivem Fahrzeugmangel. Die Baureihen 480 und 485 sollen Ende 2017 ausgemustert und durch Neufahrzeuge ersetzt werden, unabhängig davon, wer den Betrieb künftig durchführen wird. Dazu bereitet die Berliner Senatsverwaltung als Besteller eine Ausschreibung vor. Details sind noch nicht bekannt. Dennoch macht sich die DB AG schon im Vorfeld Gedanken über eine neue Fahrzeugbaureihe und erarbeitet dafür ein betrieblich-kommerzielles Lastenheft. Mit diesem (internen) Vorlauf hofft die DB AG auf bessere Chancen, im Falle einer Ausschreibung ein attraktives Angebot abgeben zu können. Die Fahrzeuge würde die DB zu „angemessenem Entgelt“ auch an einen anderen Betreiber der Fahrzeuge überlassen.

Die Zeitschiene ist knapp bemessen, da die Länder Berlin und Brandenburg das Thema seit mehreren Jahren durch Inaktivität verschleppt haben. Jetzt ist der letzte Zeitpunkt, um die Fahrzeuge bis zum 14. Dezember 2017 in Betrieb nehmen zu können.

Freizügig im Netz

Die grundsätzlichen Parameter richten sich nach der Einsetzbarkeit im bestehenden Streckennetz. Restriktionen gibt es vor allem durch den Nordsüd-S-Bahn-Tunnel über Friedrichstraße.

Als Höchstgeschwindigkeit ist 100 km/h geplant, Zuglänge maximal 148 Meter. Breite, Höhe und Fußbodenhöhe der Fahrzeuge entsprechend den bestehenden Maßen.

Neu ist, dass es durchgängige Halb- und Viertelzüge geben soll, also zusammenhängende und im Fahrgastraum duchgängige 4-Wagen-Züge mit vollwertigen Führerständen an beiden Enden (Halbzug) sowie zusammenhängende und im Fahrgastraum duchgängige 2-Wagen-Züge ebenfalls mit vollwertigen Führerständen an beiden Enden (Viertelzug). Damit können z. B. aus einem Halbzug und einem Viertelzug ein Dreiviertelzug gebildet werden – oder aus zwei Halbzügen ein Vollzug mit acht Wagen. Die kleinste einsetzbare Einheit ist dann ein Viertelzug bzw. ein Halbzug. Eine Durchgängigkeit zwischen gekuppelten Halb-/Viertelzügen ist nicht geplant. Die Lieferung bis Ende 2017 soll insgesamt 384 Wagen umfassen.

Ab- und Ankuppeln im Fahrgastbetrieb soll innerhalb von 30 bzw. 60 Sekunden möglich sein, um Züge flügeln und kuppeln zu können.

Foto: Marc Heller
Foto: Marc Heller
Die Züge der Baureihen 480 (links) und 485 (Mitte) will die S-Bahn GmbH mit dem Auslaufen des Verkehrsvertrages Ende 2017 außer Betrieb nehmen. Die BR 481 (rechts) soll auch nach 2017 fahren und durch eine Neubaureihe ergänzt werden. Foto: Marc Heller

Es sind zwei normale Drehgestelle unter jedem Wagenkasten vorgesehen, keine Jakobsdrehgestelle. Alle Achsen sollen angetrieben sein.

Fahrgastraum und Fahrgastinfos

Mit drei Türen pro Wagenkastenseite sollen die neuen Züge den bekannten 481ern entsprechen. Die äußere Farbgebung wird den „fortgeschriebenen“ Traditionsfarben rot/gelb entsprechen.

Bei den Vorgaben für die Fahrgastraum- Einrichtung hat sich die S-Bahn vielfach an den Ausschreibungen des VBB im Regionalverkehr orientiert. So sind eine Klimaanlage mit Entfeuchtung und Kühlung um 3 Grad gegenüber der Außentemperatur sowie eine Notbelüftung vorgesehen. Damit wird eine zeitabhängige automatische Türschließung nach Ende des Fahrgastwechsels nötig (wie heute schon bei den RE160-Doppelstockwagen). Ferner wird eine Videoaufzeichnung über 48 Stunden möglich sein.

Wie heute schon bei der Baureihe 481 soll es hauptsächlich eine Vis-á-vis Bestuhlung mit Stoffbezügen geben.

An der Zug-Front, am Schluss und an den Seiten jedes Wagenkastens sind von außen lesbare Zugzielanzeiger geplant. Innen gibt es (nach Vorlage der vergangenen VBB-Ausschreibungen) mindestes zwei TFT-Bildschirme mit Angaben von Linie, Endbahnhof und den nächsten drei Stationen sowie optional Echtzeitanschlüssen.

IGEB begrüßt Initiative der S-Bahn GmbH

Die IGEB begrüßt die Initiative der S-Bahn Berlin GmbH und damit der DB AG, sich auf die Fahrzeugneubeschaffung vorzubereiten. Die DB geht damit in Vorleistung, aber zugleich auch ein Risiko ein, denn bisher ist nicht bekannt, wie sich die Besteller Berlin und Brandenburg die Fahrzeuge vorstellen. Das federführende Land Berlin hat die Ausschreibung verschlafen und verzögert, hat politisch taktiert ohne Rücksicht auf die Fahrgäste. Natürlich erhofft sich die DB durch ihre Initiative eine verbesserte Ausgangslage bei einer Ausschreibung. Im Großen und Ganzen hält die IGEB die angedachten Vorgaben der S-Bahn GmbH für Neufahrzeuge für sinnvoll, auch wenn in einigen wichtigen Details noch Diskussionsbedarf besteht.

Positiv ist die frühzeitige Einbindung der Fahrgäste in den Prozess. So hatte die S-Bahn Ende September zu einer Vorstellung des Lastenheftes die Fahrgastverbände, Behindertenverbände, den Fahrgastbeirat, die Historische S-Bahn und weitere Nutzer eingeladen. Deren weitergehende Ideen und Hinweise wurden aufgenommen.

Die IGEB hofft, dass nun auch der künftige Berliner Senat das Thema zügig voranbringt, denn sechs Jahre sind für die Entwicklung und vor allem Erprobung eines neuen S-Bahn-Fahrzeugs bereits sehr knapp. (fm)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 4/2011 (Oktober 2011), Seite 12