Regionalverkehr
1. Apr 1996
Hat die Bahn AG Angst vor weiteren Erfolgen? Die Strecke nach Rheinsberg wurde sofort nach dem Fall der Mauer zu einer Urlauberbahn für Fuß- und Radwanderer. Es mag sicher nicht jedermanns Sache sein, das Leben in vollen Zügen zu genießen; doch die Berlinerinnen und Berliner nehmen einiges hin, vorausgesetzt sie sitzen im richtigen Zug. Der Überlandbus ist notwendiger Bestandteil des öffentlichen Personenverkehrs, und viele Menschen im Flächenland Brandenburg sind auf ihn angewiesen. Er wird aber gerade im Tourismusbereich immer eher eine Nebenrolle spielen, und das hat verschiedene Gründe: Die Bahn ist schneller, meist viel direkter am Ziel, weitaus komfortabler, deutlich behindertenfreundlicher, in der Regel verläßlicher und - besonders wichtig - flexibler bei stark unterschiedlichen Fahrgastzahlen und großen Unterschieden der Gepäck-, Fahrrad- und Bootsmitnahme. Erstaunlich ist nur, daß das die Fahrgäste dem "Unternehmen Zukunft" sagen müssen.
Seit der Fahrplanumstellung Ende Mai 1995 wurde eine weitere Linie zum Renner, die Regionalbahn RB 12 von Westkreuz über Spandau - Hennigsdorf - Oranienburg - Löwenberg nach Templin. Ohne nennenswerte Werbung wird diese Verbindung von Anfang an stark frequentiert. Wieso fährt die Bahn AG nicht weiter auf Erfolgskurs?
Der FUSS e.V. brachte nun einen weiteren Vorschlag in die Diskussion, eine Regionalbahn (RB 64) von Berlin-Lichtenberg über Oranienburg - Löwenberg - Fürstenberg nach Templin. Der Zug soll nicht "durchfahren", sondern auch halten, natürlich auf allen dort vorhandenen Bahnhöfen, die längerfristig zu modernisieren oder als Haltepunkte zu nutzen wären. Damit hätte man eine direkte Anbindung der kleineren Bahnhöfe auch zum Ostteil der Stadt, könnte die noch immer heißumstrittenen Bahnhofsschließungen zwischen Löwenberg und Fürstenberg wieder rückgängig machen und hätte die Linie Fürstenberg - Templin vernünftig ins Netz eingebunden. Aber nicht allein die Netzbetrachtungen sind das Faszinierende an diesem Vorschlag, sondern auch die Tatsache, daß mit diesem Bahnanschluß auf einen Schlag an die 50 Seen fußläufig von den Bahnhöfen aus in maximal 3 km Entfernung erreichbar wären. Damit wäre Brandenburgs Teil der Mecklenburgischen Seenplatte so nahe an Berlin herangerückt, daß die Bahn schneller als das Auto ankäme.
Die "50-Seen-Bahn" würde für Fuß-, Rad- und Bootswanderer durch das vorhandene Bahndreieck Löwenberg - Fürstenberg - Templin mit direkten Anschlüssen in den West- und Ostteil Berlins, durch die Seen- und Havelverbindungen und durch die unzähligen Fuß- und Radwege eine für Deutschland einmalige Vielfältigkeit von Touren ermöglichen. Damit ließe sich in dieser Gegend der "Abbau Ost" stoppen, denn das Projekt läßt sich auf jeden Fall vernünftig von der einheimischen Tourismusbranche und einem Bahnbetreiber vermarkten, z.B. durch eine "Brandenburger-Seen-Bahn GmbH" der Landkreise Uckermark und Oberhavel, der Stadt Berlin, der Bahn AG oder anderer privater Anbieter.
Fußgängerschutzverein FUSS e.V.
aus SIGNAL 2/1996 (April 1996), Seite 12