Regionalverkehr

Bahnhof Dannenwalde gerettet

Zwischenbericht des Initiativkreises


FUSS e.V. - Bundesvorstand
Grüne Liga Berlin e.V.

1. Apr 1996

Am 2. Juni 1996 wird der Bahnhof Dannenwalde mit neuem Namen Seilershof-Dannenwalde, aber am alten Platz wieder an das Bahnnetz angeschlossen. In den Jahren 1994 und 1995 wurden zahlreiche Bahnhöfe in Brandenburg mit der Anmerkung vom Bahnnetz genommen, daß diese Schließung möglicherweise nur vorübergehend sei. Dennoch ist Dannenwalde bisher der einzige Bahnhof von insgesamt 116, der nun wiedereröffnet wird. Der Vorgang dürfte in den neuen Bundesländern einmalig sein. Es lassen sich auch bundesweit kaum andere Beispiele finden, wo der Widerstand gegen eine bereits vollzogene Bahnhofsschließung so massiv und breit verankert war, daß die Züge am Bahnhof tatsächlich etwa ein Jahr später wieder hielten.

Wenn nicht Unvorhersehbares geschieht, dann werden ab 2. Juni 1996 wieder Züge am Bahnhof Dannenwalde halten. Das ist ein Grund zur Freude. Bevor wir diesen Satz so schreiben konnten, haben wir diverse Gespräche geführt und bei verschiedenen Stellen nachgefragt, wie sie die derzeitige Situation einschätzen, um nachfolgend einen Zwischenbericht vorlegen zu können.

Foto: Marc Heller
Im Bahnhof Dannenwalde, 38 km nördlich von Oranienburg auf der Berliner Nordbahn gelegen, hält seit dem Fahrplanwechsel am 28. Mai 1995 kein Zug mehr, auch nicht die Regionalbahn von Oranienburg nach Neustrelitz. Aufgrund vielfältiger Bemühungen, insbesondere von FUSS e.V. und Grüner Liga, soll dies zum 2. Juni 1996 geändert werden - versuchsweise. Foto: Marc Heller

Am 18. November 1995 gab es ein Treffen der an der Wiedereröffnung des Bahnhofes Dannenwalde interessierten Personen in Seilershof. Danach erlebten wir als "selbsternannte" Koordinatoren der "Großen Koalition für einen kleinen Bahnhof" ein Wechselspiel der Informationen und auch der Gefühle. Botschaften mit einem Schuß Hoffnung gab es schon hin und wieder; in der Regel aber gab es Schweigen im Dannen-Walde und anderswo. Was dann schriftlich eintraf, waren stets niederschmetternde Meldungen.

Im nachhinein ist uns selbst nicht so ganz klar, warum wir dennoch weitergemacht haben. In der Hauptsache waren es sicher zwei Dinge: Erstens sind wir davon überzeugt, daß unsere Argumente richtig sind und daß die Schließung des Bahnhofes ein Fehler war. Zweitens aber spürten wir auf einmal die Sympathien der Betroffenen, und wir erfuhren, daß Menschen in den Gemeinden Dannenwalde und Seilershof, in den Ämtern Gransee und Fürstenberg, im Kreis Oberhavel und auch im brandenburgischen Landtag, in den Kirchen, den Touristikämtern, in den Projekten im Umkreis der Wentowseen und in den Verkehrs- und Umweltverbänden tatsächlich das nach außen vertraten, was da am 18.11.1995 am Kleinen Wentowsee fast einhellige Meinung war.

Wir können nur spekulieren, wann und wo die Angelegenheit zu unserer Seite wankte, erst zaghaft, dann immer deutlicher. In der letzten Phase vor der Entscheidung am 5. Februar in diesem Jahr waren wir jedenfalls teilweise recht aufdringlich und insbesondere der FUSS e.V. nahm seinen Schnürschuh nicht mehr aus der Tür.

Offiziell ist der 15.3. der Stichtag der letztmöglichen Bestellung von Bahnhöfen durch das Land Brandenburg. 100%ig können wir uns erst dann sicher sein. Deshalb haben wir (z.B. der Bürgermeister von Dannenwalde, Herr Rolle, der Landkreis Oberhavel, der VCD, UMKEHR e.V. und FUSS e.V.) bei der Landtagsanhörung am 15.2. das Thema erneut vortragen, und auch bei einem Gespräch am 6. März von FUSS e.V. mit dem Verkehrsminister Hartmut Meyer spielte der Bahnhof wieder eine besondere Rolle.

Der derzeitige Sachstand

Zur Zeit liegt folgende Formulierung aus einem Schreiben von Herrn Leister von der DB AG an FUSS e.V. vom 7.2. vor: "Es zeichnet sich ab, daß ab Juni 1996 am heutigen Bahnhof Dannenwalde mit den Zügen der Regional Bahn wieder gehalten wird; die Zugangsstelle wird in Seilershof-Dannenwalde umbenannt. Die künftige Verlegung dieser Zugangsstelle an die Abzweigung Seilerhof wird dabei vorbereitet."

Wir wollen aber nicht vernachlässigen, daß an diesen Beschluß folgende Erwartungen angebunden wurden: "Gemeinsam mit dem Land Brandenburg werden wir darauf dringen, daß der Landkreis und die Kommunen im Gegenzug zum Entgegenkommen beim Halt Seilershof-Dannenwalde sich an diesem Projekt beteiligen. Das kann z.B. geschehen durch Übernahme des Winterdienstes, Herrichtung der Zugangswege und Vermarktung des Haltes in Berlin, um überhaupt eine nennenswerte Nachfrage zu erzeugen."

Eine weitere Sache wollen wir nicht vernachlässigen, denn alles hat seinen Preis. Die vom FUSS e.V. als Dringlichkeitsantrag in die nichtöffentliche Entscheidungssitzung am 5. Februar in Babelsberg eingebrachte Forderung, am Bahnhof Dannenwalde (unabhängig von der Lage) zum Fahrplanwechsel am 2. Juni wieder zu halten, basierte auf folgenden Rahmensetzungen:

  1. Wir haben auf unsere Kosten ein Planungsbüro mit einer Vorstudie zur Wiedereröffnung des Bahnhofes/Haltepunktes beauftragt.
  2. Wir haben uns erfolgreich darum bemüht, daß die Gemeinden Seilershof und Dannenwalde dafür sorgen werden, eine gesicherte Geh- und Radverbindung vom Bahnhof/Haltepunkt jeweils zu den Orten zu schaffen. Sollte der Haltepunkt später z.B. an der Brücke sein, wird die Gemeinde Seilershof von dort einen direkten Weg zum Ort bauen lassen.
  3. Wir haben Kontakt aufgenommen mit dem Ziel, nach Öffnung des Bahnhofes/Haltepunktes im direkten Umfeld allgemeine Verschönerungsmaßnahmen durchzuführen. Der ehemalige Bahnhof Dannenwalde ist zwar aus unserer Sicht ein unbedingt erhaltenswertes Bauwerk, der Bereich um den Bahnhof herum steht allerdings zur Zeit im krassen Gegensatz zur landschaftlichen Schönheit dieser Gegend.
  4. Wir haben beschlossen, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, der dort ansässigen Tourismusbranche und den örtlichen Initiativen und Projekten für diese direkte Bahnverbindung von und nach Berlin zu werben.
  5. Wir haben aufgrund von Anregungen und Ideen und aufgrund positiver Erfahrungen mit attraktiven Bahnangeboten im letzten Jahr jetzt einen eigenen Vorschlag in die öffentliche Diskussion eingebracht unter dem Titel "50-Seen-Bahn", z.B. RB 64 von Berlin-Lichtenberg über Fürstenberg nach Templin.

Die Gegenüberstellung der Jahresfahrpläne 1994/95 und 1995/96 zeigt eindrucksvoll, daß die Kahlschlagpolitik in Brandenburg neben der Aufgabe von Strecken wesentlich durch die Aufgabe von Bahnhöfen an noch befahrenen Strecken gekennzeichnet ist. Betroffen war 1995 auch der Bf Dannenwalde.

Mit Schreiben vom 15. Februar 1996 wurde der Grünen Liga Berlin e.V. durch den Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg folgendes mitgeteilt: "Zur Problematik der Schließung des Bahnhofes Dannenwalde hat mir das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr jetzt mitgeteilt, daß der Bahnhof Dannenwalde probeweise wiedereröffnet wird. Es ist beabsichtigt, den Bahnhof mit dem Fahrplanwechsel für die Sommersaison wieder in Betrieb zu nehmen. Diese Entscheidung wurde auch mit Blick auf die touristische Nutzung getroffen. Die Entwicklung der Fahrgastzahlen in der Sommersaison wird zeigen, ob das Fahrgastaufkommen ausreichend groß ist, um eine Öffnung beizubehalten. Soll das der Fall sein, wird in diesem Zusammenhang auch eine spätere Verlegung des Bahnhofes an den verkehrlich günstigeren Standort Seilershof geprüft. Ich hoffe, daß es den beteiligten Verbänden und Vereinen gelingen wird, eine ausreichend große Zahl von Besuchern für diese Region zu interessieren und wünsche allen dabei Erfolg."

Zu diesem Schreiben sei angemerkt, daß uns bis heute Fahrgastzahlen vom Winter 1994 und auch gerade vom Sommer 1994 vorenthalten wurden. Das bedeutet: Wir kennen noch nicht einmal die "Meßlatte", an der wir uns orientieren und nach der wir einschätzen könnten, ob die Aussagen dann später korrekt sein werden. Das Ministerium könnte sagen, daß die Erhöhung der Fahrgastzahlen nicht ausreichend war, um z.B. die Investition von 2 Mio DM zu rechtfertigen, die eine Haltepunktverlegung eventuell kosten würde. Hinzu kommt, daß wir uns als Initiative aus der Bevölkerung nach Kräften bemüht haben und statt einer gewissen Anerkennung nun durch die Landesregierung vorab den "schwarzen Peter" zugeschoben bekommen für eine offensichtlich ins Auge gefaßte zweite Bahnhofsschließung im Herbst des Jahres 1996 (zweiter Fahrplanwechsel) oder später. Wir haben Kraft, Zeit und Geld investiert, doch sind wir keine Heinzelmännchen. Wir sind bereit, weiter mitzuwirken, doch erwarten wir nun endlich auch Angebote von der Landesregierung und dem Unternehmen Bahn AG.

Und noch eine Information: Dem Kreis Oberhavel wurde eine Frist bis Ende März "gegönnt" für Konzepte, die Fahrgastzahlen zu erhöhen und dies auch insbesondere im Winter. Erst unter diesen Voraussetzungen wird Seilershof-Dannenwalde nämlich im "Nahverkehrsplan des Landes zum Schienenpersonennahverkehr" stehen, der am 30. Juni 1996 veröffentlicht werden soll. Wenn der Bahnhof oder Haltepunkt dann nicht im Plan ist, war die Wiedereröffnung nur ein sehr kurzes Aufflackern.

Wir halten einen gewissen Druck durchaus für hilfreich, doch läßt sich eine touristische Nutzung des nördlichen Brandenburgs in den Wintermonaten ja wohl kaum aus dem Boden stampfen. Verschwiegen wird mittlerweise die Tatsache, daß vor der Schließung in Dannenwalde im Winter 1994/95 immerhin fast doppelt so viele Ein- und Aussteiger gezählt wurden, als für die damals von der Bahn AG selbstgesetzte Grenzmarke für Bahnhofsschließungen erforderlich.

Vielleicht ist folgendes klar geworden: Wir haben uns ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, um diesen Bahnhof zu retten. Wir können es jetzt nicht beim Jubel belassen, zusammen ein Bier trinken und zur Tagesordnung übergehen. Wir fühlen uns in der Verantwortung, daran mitzuhelfen, den nun eingeschlagenen Weg auch weiterzugehen. Nichts ist für die Ewigkeit. Wir haben das erste Ziel erreicht, aber dies ist ein Etappen-Rennen, leider auch mit der Zeit.

Was steht jetzt an?

Dannenwalde und die anderen Orte zwischen Gransee und Fürstenberg, deren Bahnhöfe 1995 aufgegeben wurden, werden nun nur noch per Bus erschlossen - und das auch nur sehr eingeschränkt. Denn das Busangebot der Oberhavel Verkehrsgesellschaft mbH ist nur für den Schülerverkehr und einen Teil des Berufsverkehrs konzipiert. Alle anderen müssen Autofahren oder zuhause bleiben. OVG-Fahrplan 1995/96

Am 2. Juni 1996, einem Sonntag, ist Jubel angesagt dann nämlich geht mit Seilershof-Dannenwalde der erste Bahnhof Brandenburgs wieder ans Netz. Es wird in irgendeiner Form einen "Großen Bahnhof im kleinen Seilershof-Dannenwalde" geben. Schon jetzt wird unter allen Beteiligten der touristische Fahrplan für die Sommersaison abgesprochen. Zu diesem Zweck findet am 21. März in Oranienburg die "1. Regional-Arbeitstagung Wentowseen" in Kooperation mit dem Landkreis Oberhavel statt.

Fazit

Die Wiedereröffnung von Dannenwalde ist ein kleiner Lichtblick im großen Schatten weiterer Bahnhofsschließungen im Land Brandenburg. Anlaß zu Euphorie bietet dieser Erfolg nicht, aber er wird von allen als Hoffnungsschimmer gesehen. Die Beteiligten wollen auf jeden Fall am Thema dran bleiben und apellieren an alle Berlinerinnen und Berliner, in diesem Sommer auch mal in Dannenwalde auszusteigen, bevor es zu spät ist.

FUSS e.V. - Bundesvorstand
Grüne Liga Berlin e.V.

aus SIGNAL 2/1996 (April 1996), Seite 13-15