Stadtverkehr
Als 2008 die ersten Straßenbahnen vom Typ Flexity an die BVG geliefert wurden, befanden sich darin auch neue Fahrkartenautomaten. Diese Automaten konnten Geldscheine annehmen und, in Grenzen, auch die Zahlung mit Karte ermöglichen. Doch schon bald gab es Probleme (siehe SIGNAL 6/2012). Damals erklärte die BVG, an einer Lösung der Probleme werde gearbeitet.
15. Aug 2014
Passiert ist tatsächlich aber etwas völlig Unerwartetes. Bei der Anpassung der Prototypen des Flexity Berlin an die Serienfahrzeuge wurden die neuen Automaten entfernt und durch die unzureichenden alten aus den frühen 1990er Jahren ersetzt. Diese Automaten können bekanntlich weder Geldscheine annehmen, noch bieten sie das volle Fahrkartensortiment des VBB an.
Auf dem IGEB-Fahrgastsprechtag Straßenbahn 2013 wurde Klaus-Dietrich Matschke, Bereichsleiter Straßenbahn, gefragt, wann denn die Flexitys nun endlich die neuen Automaten erhalten. Die Antwort war ebenso ernüchternd wie unverständlich: Für die Beschaffung neuer Automaten sei der zentrale Einkauf der BVG zuständig.
Schon deutlicher sind da die Antworten der BVG auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU). Da diese Fragen vom Senat nicht beantwortet werden konnten,
wurde die BVG um Stellungnahme gebeten. Deren Antworten wurden dem Abgeordnetenhaus am 2. Dezember 2013 mitgeteilt (Drucksache 17/12825).
Auf die Frage „Wie weit ist der Stand der Planungen/Umsetzung bei der Einführung neuer Ticketautomaten, die das Bezahlen per EC-Karte oder Papiergeld ermöglichen, in den Straßenbahnen der BVG?“ teilte die BVG mit: „Gemäß der aktuellen Projektplanung ist ein Rollout der mobilen Automaten frühestens ab Q 1/2015 möglich. Das Projekt NEFA (Neue Fahrausweisautomaten) befindet sich derzeit bei der Erstellung der Pflichtenhefte, daher ist die Terminkette noch nicht abschließend festgelegt.“
Der erste Flexity Berlin wurde – siehe oben – 2008 geliefert und in Betrieb genommen! Von einer normalen Vorlaufzeit ausgehend, dürfte also seit 2005 (!) bekannt gewesen sein, dass es neue Züge gibt. Da ja bereits neue Automaten in den Flexity vorhanden waren, muss davon ausgegangen werden, dass es bereits ein Pflichtenheft für neue Automaten gibt. Diese Antwort der BVG ist also vollkommen unbefriedigend.
Auf die Frage „Wieso wurden mit der Einführung der neuen Fahrzeuge der Flexity-Baureihe nicht auch die Ticketautomaten modernisiert?“ antwortete die BVG: „Bei der Planung zur Erneuerung der Fahrausweisautomaten wurde die Bestellung der Flexity in enger Abstimmung mit dem Straßenbahn-Bereich berücksichtigt. Eine direkte Erneuerung der Automaten im Rahmen der Straßenbahnbeschaffung konnte nicht realisiert werden, da es sich bei den Automaten um ein eigenständiges System handelt. Die Ausstattung mit neuen Automaten in den Niederflurfahrzeugen GT6 und der in Betrieb befindlichen Flexitys sollte in der Ursprungsplanung bis Ende 2014 erfolgen. Anschließend sollten gelieferte Fahrzeuge direkt mit den neuen Fahrausweisautomaten ausgestattet werden. Dies konnte so nicht umgesetzt werden, da es im Vergabeverfahren (durch juristische Verfahren) zu einer Verzögerung von mehr als 1,5 Jahren gekommen ist.“
Dass die neu gelieferten Fahrzeuge vom Typ Flexity mit neuen Automaten ausgestattet waren, wird von der BVG allerdings verschwiegen. Durch die ohnehin zu hohen Fahrpreise in Berlin soll der Fahrgast neben seinem gewöhnlichen Gepäck nun offensichtlich auch weiterhin einen Handroller mit Kleingeld bei sich führen, wenn er seine Fahrscheine in der Straßenbahn kaufen will.
Ein Pflichtenheft ist für eine Ausschreibung erforderlich. In diesem Heft wird festgelegt, welche Komponenten in dem zu bestellenden Automaten vorhanden sein müssen. Unter anderem werden Angaben festgelegt wie die Größe der Geldkassetten, die Anzahl der Fahrscheinrollen, die Software und natürlich auch die Zahlungsmöglichkeiten. Selbstverständlich muss auch festgelegt werden, dass die Automaten mobil einsetzbar sein müssen.
Aber Achtung: Zwei-Euro-Münzen sollten vermieden werden, denn die nehmen die Automaten nur widerwillig an. Und auch von den anderen Münzen sollte man stets mehr als benötigt dabei haben. Denn auf die Frage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) „Welche Gründe liegen dafür vor, dass oftmals insbesondere Kleingeld durch den Automaten nicht angenommen und wieder ausgegeben wird?“ antwortete die BVG: „Die Automaten sind Ziel von Manipulationsversuchen, so dass die Münzerkennungseinheit beschädigt oder beeinträchtigt wird. Weitere Ursachen sind verschmutztes oder stark abgenutztes Geld, so dass die feine Sensorik das Geld nicht mehr erkennen kann.“ (Kleine Anfrage, beantwortet vom Senat am 4. September 2013, Drucksache 17/12523)
Diese Antwort unterstreicht, wie dringlich es ist, dass Straßenbahnfahrgäste endlich auch Automaten bekommen, an denen sie mit Scheinen zahlen können. Doch wenn man von den in Berlin üblichen Verzögerungen ausgeht, dürfte mit der Inbetriebnahme neuer Automaten nicht vor Ende 2015 zu rechnen sein. Bis dahin laufen also Touristen, die nicht wissen, dass in der Straßenbahn nicht mit Geldscheinen gezahlt werden kann, und andere Fahrgäste, die nicht genügend Kleingeld haben, Gefahr, als Schwarzfahrer abstempelt zu werden.
Dieser unhaltbare Zustand muss schneller beendet werden! Andere Verkehrsbetriebe haben gezeigt, dass das möglich ist. (md)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 4/2014 (August/September 2014), Seite 15