Fernverkehr

EuroCity „Wawel“ Hamburg—Berlin—Wrocław vor der Einstellung

Im Schienenverkehr Deutschland—Polen droht ein weiterer Rückschritt


Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr

15. Aug 2014

Bereits seit dem 15. April 2013 bietet die Deutsche Bahn parallel zur EuroCity-Verbindung EC 248/249 „Wawel“ (Hamburg—Lüneburg—)Berlin—Wrocław einen sogenannten IC-Bus als Direktverbindung zwischen Berlin über Wrocław nach Kraków an. Inzwischen ist das Fernbus-Angebot in dieser Relation sogar auf drei Fahrtenpaare erweitert worden. Auch wenn die Deutsche Bahn in ihrer Pressemitteilung zur Einführung der Busverbindung von einer Ergänzung des bestehenden Schienenangebots sprach, war der Fortbestand der EuroCity-Verbindung zwischen Berlin und Wrocław seither akut gefährdet.

Die Neißebrücke bei Forst, fotografiert aus dem Wawel. Das zweite Gleis links ist seit langem außer Betrieb. Der rostige Zustand der Brücke steht symbolisch für die Eisenbahnverkehre Deutschland—Polen. Foto: Florian Müller

Schon seit dem 9. Dezember 2012 verkehrt EC 248/249 nicht mehr im Abschnitt Wrocław—Kraków. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014, also nur wenige Monate nach dem 10-jährigen Jubiläum des EU-Beitritts Polens, ist nunmehr die vollständige

ANZEIGE

Einstellung des Wawel geplant. Begründet hat die DB diesen Schritt mit dem Rückzug der polnischen Staatsbahn (PKP) aus der Finanzierung dieses Kooperationsverkehrs. Aber mit dem deutlich ausgebauten Fernbus-Angebot hat die Deutsche Bahn diese Entwicklung maßgeblich gefördert.

RE nach Wrocław in Dresden Hbf. Eine kurzfristige und spürbare Verbesserung des Bahnangebots Berlin—Wrocław kann u. a. durch Flügelzugbildung bei der erfolgreichen RE-Verbindung Dresden—Wrocław erreicht werden. Foto: Christian Schultz

Durch die bis zum heutigen Tage völlig unattraktiven Fahrzeiten der EC-Verbindung haben Fernbusse ein leichtes Spiel: Zwischen Berlin Hbf und Wrocław Głowny benötigt der EuroCity derzeit 5:06 Stunden (in der Gegenrichtung 4:57 Stunden), der Fernbus dagegen lediglich 4:14 Stunden. Das Busangebot ist aber eine reine Punkt-Punkt-Verbindung und bietet zwischen Berlin und Wrocław keine Zwischenhalte für den Zu- bzw. Ausstieg.

Außerdem ist das Auto mittlerweile eine übermächtige Konkurrenz, die – ähnlich wie der Fernbus – von einer in Deutschland und Polen stetig verbesserten Autobahninfrastruktur profitiert. Für die weitere Entwicklung des deutsch-polnischen Schienenverkehrs ist diese Entwicklung verhängnisvoll, da es sehr schwer sein dürfte, Autonutzer und Buskunden (wieder) für die Schiene zu gewinnen.

Fernzugangebot wird seit Jahren schlechter

Der stetige Abbau des Angebots auf der Schiene ist verkehrs- und umweltpolitisch fatal und widerspricht dem politischen Ziel eines zusammenwachsenden Europas. Die Liste der Angebotseinschränkungen im Fernzugverkehr Deutschland—Polen ist lang. Nachfolgend nur ein Auszug:

Verbesserungen im Schienenverkehr Deutschland—Polen auch kurzfristig möglich!

Lediglich ein einziges umsteigefreies Zugpaar pro Tag mit völlig unattraktiven Fahrzeiten und eine zunehmende Fernbuskonkurrenz sorgen in der Relation Berlin—Wrocław für die mangelnde Akzeptanz bzw. schlechte Auslastung der EuroCity-Verbindung; verkehrspolitisch nicht akzeptabel ist jedoch die nun geplante komplette Einstellung der Schienenverbindung! Foto: Florian Müller

Unverständlich bleibt dabei die Tatsache, dass seit dem EU-Beitritt Polens 2004 praktisch nichts erreicht wurde, um die unattraktiv langen Fahrzeiten der Züge zwischen Berlin und Wrocław spürbar zu verkürzen. Solange in dieser Relation erhebliche Infrastrukturmängel bestehen, ist es zudem fraglich, ob der EuroCity tatsächlich das richtige Zugangebot darstellt. Preisgünstigere, aber trotzdem komfortable IRE-Verbindungen dürften hier der großen Gruppe preissensibler Fahrgäste sowohl auf polnischer als auch auf deutscher Seite eher entgegenkommen.

Möglichkeiten für eine deutliche Verbesserung des Angebots auf der Schiene gibt es in dieser Relation seit vielen Jahren. In der „Via Regia Plus“-Studie (siehe www. landesentwicklung.sachsen.de) wurde dazu bereits 2011 ein Stufenkonzept entwickelt, welches aus Fahrgastsicht einen praktikablen und akzeptablen Lösungsweg für die bestehenden Probleme aufzeigt.

Grenzüberschreitender Schienenpersonenverkehr Deutschland—Polen (Perspektiven). Karte: VBB-Weißbuch, Stand Juni 2011

Ganz wesentlich hat die Politik zu der derzeit unbefriedigenden Situation beigetragen, indem beim Ausbau der Infrastruktur stets dem Straßenverkehr Priorität eingeräumt wurde und weiterhin wird. Ankündigungen über eine verbesserte Zusammenarbeit im Bereich des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs nutzen wenig, wenn anschließend entsprechende Taten ausbleiben. Hier sind dringend Korrekturen erforderlich!

Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 4/2014 (August/September 2014), Seite 26-28