Deutschland
Dass viele Städte und Gemeinden mit leeren Kassen zu kämpfen haben, ist hinlänglich bekannt. Die Finanzierung städtischer Daseinsvorsorge hängt dadurch oft am seidenen Faden. In Gera ist dieser nun gerissen.
15. Aug 2014
Zuerst gerieten die Geraer Stadtwerke AG als Holding diverser Unternehmen für Wohnungsbau, Energie und Versorgung sowie Verkehr in Schieflage, weil Gewinne ausblieben. Die Ursachen waren zwar verschieden, haben aber einen gemeinsamen wunden Punkt: die Verträge zwischen der Holding, den Beteiligungsgesellschaften und privaten Investoren. Besondere finanzielle Risiken wie eine Kraftwerksabschreibung,
ein Kleinflughafen und zunehmender Leerstand sowie Mietmindereinnahmen in städtischen Wohnungen muss die Holding alleine schultern. Sie kann aber über die Erlöse der Energie- und Versorgungsbetriebe nur zur Hälfte verfügen, da die andere Hälfte der Gewinne an private Anteilseigner geht. Viele Investitionen erfolgten mangels Rücklagen auf Pump. Laufende Kosten sowie Aufwendungen für Zinsen und Tilgung sind nicht mehr zu stemmen. Ende Juni 2014 meldeten die Stadtwerke deshalb Insolvenz an.
Der Geraer Verkehrsbetrieb benötigt jährlich einen Zuschuss von über vier Millionen Euro, um den Nahverkehr aufrecht zu halten. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Von der Stadtwerke-Holding ist nun nichts mehr zu erwarten. Eine kurzfristig benötigte sechsstellige Summe für Personal- und Kraftstoffkosten wollte bzw. konnte die Stadt Gera nicht übernehmen. Eine vom GVB-Geschäftsführer geforderte Patronatserklärung wurde abgelehnt, da ein erforderlicher Stadtratsbeschluss auf die Schnelle nicht zu bekommen sei und die Stadt Gera selbst keine Kredite mehr bekäme. Die Stadt muss sich nun die Karten legen, wie sie einen attraktiven Nahverkehr mit 3 Straßenbahn- und 20 Buslinien für jährlich 16,4 Millionen Fahrgäste erhalten will.
Auch in anderen Regionen kriselt es. Viele Städte hangeln sich mit sogenannten Kassenkrediten von einem Tag zum nächsten, um laufende Kosten wie beispielsweise Gehälter oder auch ältere Kassenkredite begleichen zu können. Die Zeiten, in denen städtische Energie- und Versorgungsbetriebe als „eierlegende Wollmilchsau“ für alles herhalten mussten und konnten, sind vorbei. Immer öfter müssen Gewinnerwartungen nach unten korrigiert werden, fallen fest eingeplante Millionenbeträge zur ÖPNV-Quersubventionierung aus. Die ohnehin leeren Kassen der Kommunen können dann die zusätzlichen Belastungen nicht tragen. Die Folgen werden erschwerte Bedingungen bei der Geldbeschaffung am freien Kapitalmarkt sein, was zu drastischen Einschränkungen vieler öffentlicher Leistungen führen kann, zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr. An Griechenland mag da keiner denken. (BfVSt)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 4/2014 (August/September 2014), Seite 29