Tarife
Kennen Sie das? Ein Blick in die Geldbörse offenbart gähnende Leere – bis auf einen einzelnen 50-Euro-Schein. Eine Rentnerin hatte diesen Anblick vor Augen, als sie eines schönen Sonntags zu ihrer vorhandenen Fahrkarte Rehfelde—Seelow und zurück auf dem Rückweg noch einen Anschlussfahrschein von Rehfelde nach Berlin (Zone A) nachlösen wollte. Der Automat im Zug sowie das Personal wollten den Schein nicht als Zahlungsmittel annehmen.
5. Feb 2015
Und das laut VBB-Tarif sogar zu Recht: „Das Beförderungsentgelt soll abgezählt bereitgehalten werden. Das Personal ist nicht verpflichtet, Geldbeträge über 10,00 EUR zu wechseln.“ (§7 Abs. 1) Das heißt, es liegt in der Verantwortung des Fahrgastes, einen ausreichenden Vorrat für alle eventuell erforderlichen Stückelungen vorzuhalten!
Doch was kann man tun? Zunächst andere Fahrgäste fragen, ob sie wechseln können. Das war zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall. Der VBB-Tarif schlägt als Notlösung vor: „Soweit das Personal Geldbeträge über 10,00 EUR nicht wechseln kann, ist dem Fahrgast eine Quittung über den zurückbehaltenen Betrag auszustellen. Es ist Sache des Fahrgastes, das Wechselgeld unter Vorlage der Quittung bei der Verwaltung des Verkehrsunternehmens abzuholen.“ (§7 Abs. 2) Das hieße,
unsere Rentnerin stünde zunächst mit einer Quittung und ohne Geld da. Später hätte die Dame noch Zeit finden und sich extra eine Fahrkarte kaufen müssen, um zum Sitz des Unternehmens zu fahren und die Quittung wieder in Geld umzutauschen.
„Ist der Fahrgast mit dieser Regelung nicht einverstanden, hat er die Fahrt abzubrechen.“ Das hieße hier: Die Fahrt wäre in Rehfelde beendet gewesen, aber die Betroffene hätte immer noch das Problem, keine Fahrkarte kaufen zu können. Der Vorschlag, am Zielbahnhof Berlin-Lichtenberg den Fahrschein nachzulösen, fand kein Gehör.
Dass der Fall, nur mit einem 50er in der Tasche dazustehen, recht häufig passieren kann, offenbart ein Blick auf die Euro-Geldmengen. Mit über 7 Mrd. Geldscheinen ist der 50-Euro-Schein von allen in Europa im Umlauf befindlichen mit Abstand am häufigsten anzutreffen. Weit abgeschlagen folgen der 20-Euro-Schein mit nur 3 Mrd. und der 10-Euro-Schein mit 2,1 Mrd. sowie der 5-Euro-Schein mit gerade mal 1,65 Mrd. Exemplaren.
Dem muss künftig Rechnung getragen werden. Das Personal sollte mit ausreichend Wechselgeld ausgestattet werden. Auch ist es heutzutage technisch machbar, Fahrkartenautomaten für die Ausgabe von Scheinen als Wechselgeld einzurichten, damit die gebunkerten kleinen Scheine schnell wieder in Umlauf kommen und der ehrliche Fahrgast nicht mit einem Kilo Münzen belohnt wird. Eine Hilfe wäre auch, überall bargeldlos mit EC-Karte zahlen zu können. Das ist im VBB-Gebiet vielerorts noch nicht möglich.
Die Münzen sind übrigens nur mit 5,2 Mrd. 2 Euro-, 6,6 Mrd. 1 Euro- sowie 5,5 Mrd. 50 Cent-Exemplaren vertreten. Erst die kleineren Stückelungen warten mit einer Umlaufmenge zwischen 10 Mrd. und knapp 29 Mrd. Stück auf. Zu viel Kleingeld ist aber auch nicht gewünscht. Der VBB-Tarif erlaubt es, die Annahme auf 20 Münzen (1-Cent-Münzen auf 10 Stück) zu beschränken.
Ob die Annahme von 50-Euro-Scheinen verpflichtend sein soll, daran scheiden sich noch die Geister. Wünschenswert und kundenfreundlich wäre es. Das Wechseln von bis zu 20 Euro muss künftig aber auf alle Fälle möglich sein!
Den Kunden zu zwingen, eine Quittung anzunehmen, um dann extra irgendwohin nach Berlin oder Brandenburg zu einem entfernten Firmensitz zu fahren, damit man sein Geld zurückbekommt, ist eine Zumutung – insbesondere, wenn man neben der Zeit auch noch in einen zusätzlichen Fahrschein investieren muss, um dahin zu kommen.
Bei DB Regio ist es zumindest möglich, einen sogenannten Überzahlungsgutschein zu erhalten, der binnen 6 Monaten in allen DB-Reisezentren und Reisebüros mit DB-Lizenz entgeltfrei in Bargeld umgetauscht werden kann.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert eine vergleichbare Regelung für alle Verkehrsunternehmen. Alle müssen Überzahlungsgutscheine ausgeben, welche in sämtlichen Verkaufsstellen, in denen VBB-Fahrscheine verkauft werden, gegen Bargeld einlösbar sind. Eine solche Regelung hätte es der Rentnerin in unserem Fall beispielsweise ermöglicht, am Ende der Bahnfahrt in Berlin-Lichtenberg sofort wieder an ihr Geld zu kommen.
Übrigens: Die Rentnerin hatte das Glück, dass während der Fahrt auf der Strecke noch Fahrgäste zustiegen, die den 50-Euro-Schein wechseln konnten. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 1/2015 (Februar/März 2015), Seite 17