Bahnpolitik
Zum 1. Januar 2009 wurde erstmals eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV I) zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG abgeschlossen, um den Erhalt der Schienenwege qualitativ sicherzustellen – unterzeichnet vom damaligen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn.
5. Feb 2015
Während vor diesem Zeitpunkt eine komplexe einzelmaßnahmenbezogene Finanzierung von Ersatzinvestitionen auf Grundlage von Rahmen- und Sammelvereinbarungen ohne qualitative Vorgaben stattfand, wurde der Einsatz der Bundesmittel mit der LuFV nunmehr qualitätsorientiert auf Basis von Qualitätskennziffern gesteuert. Die Deutsche Bahn konnte somit weitgehend eigenverantwortlich über die Verwendung der Instandhaltungsmittel verfügen.
Die im Rahmen der LuFV bereitgestellten Bundesmittel beliefen sich in den Jahren 2009 bis 2012 auf jeweils 2,5 Mrd. Euro und 2013/14 auf jeweils 2,75 Mrd. Euro. Im Gegenzug musste die DB AG einen Mindestumfang an Investitionen aus Eigenmitteln in einer Höhe von 500 Mio. Euro tätigen.
Die Laufzeit der ersten LuFV reichte von 2009 bis 2013. Im Herbst 2013 verständigten sich Bund und Deutsche Bahn auf eine Verlängerung der LuFV I bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung, längstens aber bis Ende 2015.
Bestandteil der Vereinbarung waren folgende sanktionsbewehrte Qualitätskennzahlen, die u. a. in dem jährlich zu erstellenden Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht (IZB) erfasst werden müssen:
Für den Zeitraum 2015 bis 2019 erfolgte eine Fortschreibung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II). Diese wurde am 12. Januar 2015 durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und den DB-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube unterzeichnet. Bestandteil dieser Folgevereinbarung ist eine deutliche Aufstockung der Mittel:
Diese Aufstockung ist erfreulich, aber zugleich das Eingeständnis, dass die Schieneninfrastruktur bisher in erheblichem Maße unterfinanziert ist. Obwohl die in der LuFV I vereinbarten sanktionsbewehrten Zielwerte, abgesehen von einer Ausnahme, erreicht bzw. übertroffen wurden, hat sich der Zustand der Infrastruktur im Laufe der Jahre stetig verschlechtert. Auf Grundlage der LuFV erfolgte lediglich einmal eine Rückforderung durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in einer Höhe von 801 282,05 Euro, – und zwar am 15. Oktober 2013 wegen Verfehlung des Zielwerts bei der Qualitätskennzahl „Bewertung der Anlagenqualität“ der DB Station&Service AG.
Der andauernde Substanzverzehr wird durch die in den Infrastrukturberichten ausgewiesene, allerdings nicht mit Sanktionen bewehrte Zunahme des Durchschnittsalters der Bahnanlagen belegt. Das ansteigende Anlagenalter weist auf ein zu geringes Investitionsniveau hin; die Störanfälligkeit an Gleisund Zugsicherungsanlagen erhöht sich aber in der Regel mit zunehmendem Alter.
Verbessert wurde mit der LuFV II die Qualitätssicherung durch die Einführung der folgenden beiden zusätzlichen Kennzahlen:
Eine weitere Qualitätskennzahl zur Gleisgeometrie wird noch im Jahr 2015 festgelegt, sobald die Ergebnisse aus den unabhängigen Messfahrten des Eisenbahnbundesamtes vorliegen.
Für die Qualitätskennzahl „Theoretischer Fahrzeitverlust“ wurden in der LuFV I alle Infrastrukturmängel berücksichtigt, die länger als 180 Tage bestanden. Dieser sehr großzügig gesetzte Grenzwert wurde nunmehr auf 100 Tage reduziert und damit verschärft.
Ob die geplanten Dividendenerwartungen erreicht werden können, die der Planung der LuFV II zugrunde liegen, ist ungewiss. Dies setzt eine positive wirtschaftliche Entwicklung des Schienenverkehrs voraus. Angesichts der für die Schiene eher ungünstigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen muss dies aber bezweifelt werden. Beispielhaft sei an dieser Stelle das Fehlen einer Maut für Fernbusse oder die reduzierte Lkw-Maut genannt (vgl. Artikel zur Bahnreform in diesem Heft).
Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Falsche verkehrspolitische Prioritäten werden aktuell bereits mit den laufenden Gigaliner-Tests (Riesen-Lkw) gesetzt. Derartige Rahmenbedingungen bewirken letztlich weitere Verkehrsverlagerungen von der Schiene auf die Straße!
Fatal wäre es für den Schienenverkehr, wenn die höheren Gewinnerwartungen über entsprechende Trassenpreiserhöhungen erwirtschaftet würden.
Auch in der nunmehr unterzeichneten LuFV II sind einige wichtige Qualitätskennzahlen noch immer nicht berücksichtigt bzw. ausreichend:
Des Weiteren wies der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten zur LuFV II darauf hin, dass angesichts unzureichender Kontrollmechanismen durchaus auch Gelder (und zwar ohne Wissen und Einwilligung des Bundes, da die Deutsche Bahn über die Verwendung der LuFV-Mittel eigenverantwortlich entscheidet) in die Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ fließen können statt in die Instandhaltung des Schienennetzes – dem eigentlichen Zweck der LuFV.
Verschwiegen wurde in den Pressemitteilungen seitens Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dass die gefeierte „Rekordsumme für die Bahn“ entsprechend der LuFV II ganz erheblich zu Lasten von Neu- und Ausbaumaßnahmen geht. Durch Umschichtungen stehen in den Jahren 2015 bis 2017 für die Bedarfsplanprojekte rund 900 Mio. Euro weniger zur Verfügung, was die Fertigstellung einiger Projekte noch weiter verzögern dürfte – z. B. den überfälligen viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn.
Letztlich ist die LuFV II vor allem eine Umschichtung vom Neu- und Ausbau zur Instandsetzung und damit keineswegs Ausdruck einer neuen bahnfreundlichen Verkehrspolitik.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 1/2015 (Februar/März 2015), Seite 22-23